Dienstag, 2. November 2010

Multikulti in Israel

B"H

In Deutschland herrscht bekanntlich die Debatte, ob die angestrebte Multikulti - Gesellschaft erreicht wurde oder nicht. Wie weit integrieren sich Ausländer in die deutsche Gesellschaft und wie weit nicht ? 
Demzufolge stellt sich die Frage, wer oder was die deutsche Gesellschaft ausmacht. Die deutsche Geschichte, Kultur, Mentalität, Sprache, Kunst, Musik oder was auch immer. Sicherlich verlangt Deutschland einem im Land lebenden Ausländer recht viel ab. Deutsch muss man sprechen; wenn es geht, ohne fremden Akzent, denn das macht einen schlechten Eindruck bei der Jobsuche. Als besonders harter Brocken erweist sich die deutsche Mentalität. Plötzlich soll alles perfekt funktionieren und Abläufe sind geplant. Rational und produktiv denken. Logisch definieren, sonst hagelt es Kritik aus der Umgebung. Von wegen einfach so mit Träumereien daherkommen.

Was mir in Israel immer Spass machte ist, das Kennen lernen aller möglichen Leute aus aller Herren Länder. Sei es im Kibbutz, in einem Cafe, bei einem Schabbatessen bei Rabbinern oder anderweitigen Events sowie Plätzen.
Ich kann die Leute alle gar nicht mehr zählen, die ich innerhalb der vergangenen mehr als 15 Jahre in Israel kennen lernte und zu Beginn war ich perplex, dass es sowas überhaupt gibt. Leute, egal welchen Alters, die einfach freinahmen und die Welt bereisten. Als ich noch in Deutschland studierte gab es nur eines: Nämlich das Studium beenden und Karriere machen. Wer eine Auszeit nimmt, alles hinter sich lässt und in der Welt herumreist ... wie soll der dann bei seiner Rückkehr zurechtkommen ? Keine Wohnung, kein Geld und erst recht keinen Job. Das macht angst und ist nicht gesellschaftskonform.
Hinzu kommt: Was soll man bloss beim Vorstellungsgespräch sagen, wo man in dem Zeitraum war ? Einfach zugeben, am Strand gelegen zu haben oder durch ein Museum geschritten zu sein ? In Neuseeland Kiwis gepflückt, in den USA Möbel geschleppt und in Israel im Kibbutz gewesen und danach irgendwo in einem illegalen Job in Tel Aviv hängengeblieben ? Gekellnert und mit anderen ein paar Monate in einem Dormitory eines Hostels gehaust zu haben ?
Nix Karriere, sondern sich darum gekümmert, dass der Boss einem den Lohn zahlte und im Hostel das Gepäck nicht verschwand ? Tolle Aussichten und bei all dem Hickhack empfiehlt es sich ganz sicher nicht herumzureisen. Wer denn einmal verreist, der reist doch eher mit Rucksack, in Hotels und in ein paar Restaurants. Nicht so mit Schlafsack am Strand und tagsüber an der billigen Falafel kauen.

Und somit begann ich all die anderen Touris zu beneiden. Die nahmen sich eine Auszeit und kümmerten sich nicht gross ums Geld. Mal hier jobben, mal dort. Das Geld für das Hostelzimmer zusammenbekommen und wenn in Israel gar nichts mehr geht, dann bleibt der Kibbutz. Zumindest für diejenigen unter 35 Jahre.




Viele Leute kommen einfach nach Israel und wer sie nach dem Grund fragt, bekommt oft keine definitive Antwort. Als ob man die haben müsste.

Manche fühlen sich einfach danach, andere wollten schon immer mal kommen. Bibel, Thora und so halt. Heilige Orte sehen oder in den Kibbutz. Israel beistehen, Israel hassen, und viel zuviele lassen ebenso ihre nervigen Verschwörungstheorien los.
Jeder scheint auf der Suche nach irgendwas und endet dann ausgerechnet in Israel. Tel Aviv ? Naja, eine Weile wegen der Action; insgesamt aber viel zu teuer und laut.
Jerusalem ? Billige Hostels im Ostteil der Stadt und bei den Palis lässt es sich leben, wenn man die Klappe hält und nicht laut gegen die Hamas keift.

Im Wesentlichen unterscheiden sich Juden und Nichtjuden in ihrem Israelverhalten. Das liegt schon allein daran, weil viele Diasporajuden kommen und an diversen Internships teilnehmen, die Nichtjuden verschlossen bleiben. Und das nicht nur auf religiöser Basis. Das ewige Hin und Her bei den Juden, ob man denn Aliyah machen solle oder nicht. Bei Touristen kommt es schlimmstenfalls zu Überlegungen wie "wielange man im Land bleiben soll, wie das neue Visum an Land gezogen wird oder ob sich nicht die Suche nach einem versteckten jüdischen Verwandten lohnt, um dem Innenministerium einen vom Pferd zu erzählen".

Am penetrantesten sind jene nichtjüdischen Touristen, die nach zwei Tagen zu labern beginnen, sie seien eigentlich Juden, nur ohne Papier halt. Bestimmt waren ihre Ahnen Opfer der Inquisition und wurden zwangsgetauft. All so ein Müll kommt dann heraus. Der Normalotourist dagegen sucht mehr sich selbst und schaut, was er aus Israel für sein Leben mitnehmen kann. Nicht materiell, sondern abstrakt als Weisheit verpackt.

Eines jedoch haben alle gemeinsam:
Den Gedanken, wie man seine Eindrücke und Erfahrungen seiner Familie bzw. seinen Freunden daheim klarmacht. Vollgestopft mit Impressionen kommt der Tourist daheim an und da steht lediglich die Mutter am Herd und kocht sein Lieblingsessen zur Begrüssung. "Ja, is ja schön, dass es Dir gefallen hat. Und was machste dann morgen früh ? Arbeitsamt oder Studium ? Der Ernst des Lebens ist wieder da !
UNTER muss der Mensch in Deutschland sein. Die Erinnerungen nach einem kleinen Quentchen Freiheit bleiben. Die Sehnsucht drückt einen noch lange, aber irgendwie sagt man sich: "Nun bin ich wieder daheim und, tja, hier herrscht halt eine andere Mentalität. Was soll ich machen ? Halt eine Weile und dann wieder abhauen !"

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