Dienstag, 30. November 2010

Gestrandete deutsche Touristen in Israel

B"H

Durch Tiberias geistert seit Jahren ein holländischer Tourist. Ein paar Mal schon begegnete er mir, doch nüchtern war er nie. Ständig im Suff, ohne feste Bleibe und oft von der Polizei aufgesammelt. Gestern zog er gröhlend durch die Hagalil Street in Downtown und vor einer Woche zog er seine Alki - Show vor dem Chabad House an der Promenade des See Genezareth (Kinneret) ab.
Kann sein, dass er Staatsbürger ist, denn die Polizei lässt ihn nach einer Weile stets wieder laufen. Es würde mich keineswegs überraschen, wenn er in der Vergangenheit einmal mit einer Israelin verheiratet war und somit irgendwann die israelische Staatsbürgerschaft erlangte.

Wie der Holländer zieht eine gewisse Anzahl von gestrandeten Touristen durch unser Land. Vorweglich in den Großstädten, denn da ist es leichter, ohne gültigem Visum unterzutauchen. Wer nicht gerade afrikanischen oder asiatischen Looks ist, der hat es wesentlich einfacher, der Ausländerpolizei "OZ" zu entkommen.

Als ich Ende der 80iger Jahre das erste Mal nach Israel kam, im Kibbutz volontierte und nebenbei das Land bereiste, traf ich auf verhältnismässig viele junge deutsche (nichtjüdische) Touristen, die einfach so in Israel bleiben wollten. Damals kam nicht ständig die Polizei in die Hostels zur Passkontrolle und es liess sich superleicht einige Monate oder wenige Jahre im Land leben. Jobs gab es in Restaurants. Kellnern oder abwaschen. Die Hostels selber stellten Touristen an ihrer Rezeption ein. Dafür gab es dann ein kostenloses Bett im Dormitory (Mehrbettzimmer). Immerhin ein Bett und manchmal servierte der Hostelbesitzer eine Mahlzeit mit dazu.

Heute hingegen ist alles anders und die Polizei droht ständig aufzukreuzen, um den Pass samt Visum zu kontrollieren. Razzien sind keine Seltenheit. Ob im Hostel, am Arbeitsplatz oder mitten auf der Straße. Wer ohne Visum erwischt wird, dem droht die Abschiebung ins Heimatland. Weiterhin darf nach einer Abschiebung das Land Israel für mindestens fünf Jahre nicht mehr betreten werden.

Im Kibbutz, aber auch in den Städten, traf ich häufiger auf deutsche Touristen, die einen Israeli geheiratet haben. Einige von ihnen waren längst wieder geschieden, denn entweder klappte die Beziehung nicht oder die Verwandtschaft des jüdischen Partners legte sich quer. Man wollte keinen Nichtjuden in der Familie. Ja, ich kenne sogar Fälle, in denen sephardische Familien selbst keinen zum Judentum Konvertierten in der Familie haben wollten. Keine dieser Beziehungen war von langer Dauer, denn sephardische Juden sind familienorientiert und legen sich nicht mit den Eltern und Tanten wegen eines Partners an. Eine blonde Freundin oder ein blonder Freund mögen zwar anfangs eine Attraktion sein, doch nach einiger Zeit zieht der Alltag ein und mit ihm die keifende israelische Verwandtschaft, die alles will, nur keine Schickse.

Zahlreiche Touristen kommen in Israel an und sagen sich, dass ihnen all das nicht passiert. Erst einmal sehen und falls sich für das "einfach dableiben" entschieden wird, so ist sich derjenige sicher, all die Schwierigkeiten zu bewältigen. Was kaum jemand von ihnen in Erwägung zieht: Was geschieht mit mir in einem Krankheitsfall ? Was ist mit meinen Rechten und was, wenn der Boss mir einfach das Gehalt verweigert und ich plötzlich meine Bleibe nicht mehr zahlen kann ? Was dann ?
Manchmal geschieht es sogar, dass neidische Mitmenschen oder Leute, mit denen der Tourist im Streit liegt, einfach die Ausländerpolizei anrufen und den Illegalen verpfeiffen. Ein Leben im Untergrund und einige abgeschobene Touristen (u.a. aus Finnland) schrieben mir hinterher in einer Mail, dass sie froh waren, abgeschoben zu werden. Damit hatte der Alptraum, zum Flughafen zu müssen und dort einzugestehen, kein gültiges Visum zu haben, ein Ende. Oder anders herum gesagt: Lieber ein Ende mit Schrecken als ein Schrecken ohne Ende.

Seltsamerweise traf ich auf recht viele Deutsche, die eine / n Israelin / Israeli geehelicht hatten und im Nachhinein alles andere als glücklich waren. Das Land ist ihnen, trotz Sprachkenntnisse und Kinder, stets fremd geblieben. Wer nicht zum Judentum konvertierte, hat es normalerweise schwerer. Die Mitmenschen reden; und das nicht immer nur hinter dem Rücken, sondern mitten ins Gesicht hinein. Ferner befindet sich im Personalausweis ein sichtlicher Vermerk, dass derjenige Bürger kein Jude ist. Den Palästinensern, Drusen und Beduinen ist das egal, doch nicht immer jenen Nichtjuden, die in Israel mit einem Juden verheiratet sind. Früher stand im Ausweis offen die Religionszugehörigkeit, heute dagegen ist der Vermerk nur einem eingeweihten ersichtlich. Laut Personalausweis ist derjenige Jude, der ein Geburtsdatum gemäss des jüdischen Kalenders im Ausweis stehen hat. Das einwandfreie halachische Judentum desjenigen wird jedoch nicht nach dem Personalausweis entschieden, sondern nach der Halacha. Dennoch erscheint der Ausweisinhaber auf den ersten Blick in einem bestimmten Licht.

Viele meiner Blogleser interessieren sich für das Leben und Arbeiten in Israel, dürfen dabei aber nicht die Realität vergessen. Was laut Gesetz nicht geht, geht nicht und wer heiratet, erfährt noch lange kein unendliches Glück. Das richtige israelische Leben lernt Ihr erst im Land selber kennen und ich weiss nicht, ob ihr nach dieser Erleuchtung noch so begeistert sein werdet.

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