Vor einem Jahr traf ich mich mit einem Journalisten, der einen Bericht über die haredische (ultra - orthodoxe) Welt plante. Wir trafen uns in einer der Filialen des Cafe Aroma in Tel Aviv und ich erzählte ihm einige Fakten. Als ich später seinen Artikel in einer Salzburger Zeitung las, konnte ich es nicht fassen. Was der Journalist im Endeffekt getan hatte war, ein Hutgeschäft im ultra - orthodoxen Stadtteil Mea Shearim (Jerusalem) aufzusuchen und mit dem Besitzer über haredische Hüte zu reden. So etwas nennt man dann hinterher "die haredische Welt zu erklären". Aber den Lesern, die über das Thema nicht Bescheid wissen, kann man es ja antun.
Besagter Journalist gab jetzt meine e - mail Adresse an den FAZ - Korrespondenten Hans - Christian Rössler weiter. Herr Rössler berichtet anscheinend aus Jerusalem zum Nahostkonflikt. Sein Name sagte mir gar nichts, doch las ich einige seiner Berichte online und was ich las, klang recht langweilig. Anders gesagt, nichts hebt seine Artikel von denen anderer Journalisten hervor, denn es klingt alles ziemlich nach sprödem Einheitsbrei.
Herr Rössler plant einen Bericht zum Thema "Geschlechtertrennung in Jerusalemer Bussen". Nicht nur in den Bussen, sondern plant er auch gleich die noch gar nicht in Betrieb genommene Strassenbahn mit ein. Ferner Restaurants und Krankenhäuser, wobei er Letztere offensichtlich mit einem halachischen Krankenhausbetrieb am Schabbat verwechselt. Am Schabbat nämlich laufen fast alle Krankenhäuser, u.a., mit einem am Schabbat koscheren Aufzug. Bedeutet, der Aufzug hält automatisch in jedem Stockwerk und es bedarf keines Knopfdruckes.
Hans - Christian Rössler bat mich um Infos, denn ich scheine die einzige Quelle zu sein, welche die haredische Welt kennt und eventuelle helfen würde. Zuerst hatte ich nichts dagegen, doch Freunde warnten mich. Der Typ würde die Infos nur nutzen, um sich selbst in den Himmel zu heben und die Lorbeeren einzuheimsen. Ich dachte nach und sagte Rössler ab. Und das kurz und bündig. Da ich ihm kleine Hinweise gegeben hatte, darunter auch, dass das Thema der Geschlechtertrennung in Bussen gar nicht mehr aktuell sei, denn jene Haredim, die darauf bestanden, organisierten längst ihre eigenen privaten Busunternehmen. Damit war der Fall so einigermassen erledigt und in Israel ist das Thema mittlerweile ziemlich abgestorben.
Ich jedoch kam zu der Erkenntnis, dass Herr Rössler für die FAZ das gesamte Thema mächtig aufbauschen will, denn die "doofen zurückgebliebenen Juden" bringen Schlagzeilen und sorgen für ein tolles Einkommen eines Journalisten. Merkt ja in Deutschland eh keiner, wenn der Journalist sich das Infomaterial nur aus dem Finger saugt und zurecht googelt. Hauptsache richtig knallige Skandale über die "bekloppten Ultra - Orthodoxen".
Hans - Christian Rössler zeigte sich von meiner Absage wenig beeindruckt und fragte, ob er die kurzen Infos, die ich ihm gegeben hatte, in seinem Artikel benutzen darf. Ferner habe er in meinen Blogs gegoogelt und wolle meine Artikelinhalte verwenden. Ich antwortete ihm, dass ich dies ablehne.
Meiner Meinung nach soll ein Journalist selber seinen Hintern in Bewegung setzen und Material zusammenstellen und nicht bei anderen klauen, nur weil er nichts von dem Thema, über das er da berichtet, versteht. Und eines kann ich mit Gewissheit sagen: Herr Rössler hat vom haredischen Judentum Null Ahnung !
Danach verwies Herr Rössler darauf, dass die relig. Juden Israels ja selber schuld sei, wenn die Kluft zwischen ihnen und den Säkuleren immer grösser werde. Oder anders ausgedrückt: Orthodoxe Juden seien schuld, denn sie lassen niemanden an sich heran und geben keine Auskünfte.
Somit offenbarte mir Herr Rössler seinen wahren Charakter. Es geht nicht um detaillierte Berichterstattung, sondern um Krawalljournalismus. Wir relig. Juden sind also selber schuld ? Und solch einem "Journalisten" soll ich auch noch Auskunft erteilen ?
Ich machte Herrn Rössler darauf aufmerksam, dass relig. Juden in mehrere Gruppen unterschieden werden. Nicht jeder ist haredisch, nicht jeder will eine Geschlechtertrennung im Bus und wenn ja, traf ich in der Vergangenheit sogar auf Frauen, die der Trennung zustimmten. Kurz gesagt: Das Thema ist kompliziert und eine Berichterstattung verlangt Fachwissen. Wobei ich davon ausgehe, dass Herr Rössler wohl kaum loslaufen und auf eigene Faust in haredischen Gebieten auf Informationssuche geht. Aber vielleicht kann ihm sein Kollege mit dem Hutgeschäft aushelfen.
Diejenigen interessierten Leser, die sich für die haredische Gesellschaft interessieren und realistische Details suchen:
Ich bereite ein Buch vor und es wird nicht mehr allzu lange bis zur Vorstellung dauern. Damit hoffe ich, Vorurteilen bezüglich relig. Juden zuvor zu kommen bzw. diese abzubauen oder wenigstens aufzuklären. Im Detail und nicht zwecks Sensationssucht.
Tut mir leid das zu hören! Das muß Dich sehr nerven! So sollte Journalismus nicht funktionieren, denke ich.
AntwortenLöschenIch selber gebe zu keinen Plan zu haben, was ein halachisches Krankenhaus ist oder eine Haredim. *Kopf kratzt*
Aber ich bin auch kein Journalist, einfach ein Isreal Fan, und ich werd das schon noch mal kapieren.
Lass Dich nicht unterkriegen, bitte! ich kenne noch keine "Schimpfwörter" auf Hebrew, aber wenn Du mir eines steckst, werde ich es jedem blöden Journalist an den Kopf werfen! *versprochen*
B"H
AntwortenLöschenHaredim gehoeren in die Sparte ULTRA - ORTHODOXE Juden:
http://en.wikipedia.org/wiki/File:Haredi_Judaism.jpg
Wobei ich mir bei Deutschen nie sicher bin, wen sie als "ultra - orthodox" betiteln. Theoretisch packen sie genauso die Nationalreligioesen in die uktra - orthodoxe Schublade.
http://1.bp.blogspot.com/_k95DnR-pqGQ/S9QR4rgj1hI/AAAAAAAAI70/qMCYCqWXDbQ/s1600/87897533.jpg
B"H
AntwortenLöschenIch finde es ganz einfach eine Sauerei, dass kaum ein Journalist mehr real recherchiert, sondern alles schnell abtut und sich durchgoogelt. Kein Wunder, dass dermassen Anti - Israelismus betrieben wird, wenn kein Reporter tatsaechlich vor Ort ist und sich einmal die israel. Seite hautnah anschaut. Man googelt durch die linke israel. Presse wie Haaretz und dazu ein wenig Pali - Propaganda von Al Jazeera.
Dem Journalisten kommt es doch heutzutage nur noch auf seinen Job und das Geld an. Die Redaktion schlaegt ein Thema vor und dann hat der Reporter nur wenige Tage Zeit Infos zu sammeln. Dass bei manchen Themen monatelang, ja sogar jahrelang, recherchiert werden muss, stoert keinen Menschen.
Wenn also Herr Roessler den Lesern der Frankfurter Allgemeinen Zeitung die ultra - orthodoxen Juden in einem negatiben Licht praesentiert, so bringt das Schlagzeilen. Dass Roessler keine Ahnung zum Thema hat, interessiert wohl kaum jemanden.
Shalom,
AntwortenLöschenhinzu kommt noch die komplette Unfähigkeit vieler Leute das Internet zu benutzten. Wenn ich nicht wüsste was Haredim ("eine Haredim"!!) sind, könnte ich das in unter 10 Sekunden mit Hilfe des Internets erfahren!
Um einen sinnvollen Artikel über Haredim zu schreiben, bräuchte ich letztendlich nichtmal nach Israel fahren, ich müsste nur verschiedene gute Internetseiten studieren und mich etwas mit dem Thema auseinandersetzen. Das dauert natürlich.
Ein interessantes Buch ist "Boychiks in the Hood" von Robert Eisenberg. Der beschreibt einiges aus erster Hand und das nicht abwertend!
Da ich oft in Antwerpen bin und da auch einige Leute sehr persönlich kenne, weiss ich das seine Beschreibung über Antwerpen sehr gut ist.
In Deutschland werden Haredim einfach als Spinner abgetan, als weltfremde Fundametalisten.
In der Nazizeit haben sich die Deutschen ja auch einen Spass daraus gemacht gerade diese Leute zu quälen, obwohl es dafür selbst von der NS-Führung keine Anweisung gab.
Deutsche und Juden ist einfach inkompatibel, geschichtlich gesehen war und ist das immer so gewesen.
Joshua
B"H
AntwortenLöschenJoshua, ich gebe Dir vollkommen Recht. Einen Zeitungsartikel ueber Haredim kann sich jeder noch so unfaehige Journalist zusammenstueckeln. Und das, ohne je mit einer Haredi gesprochen zu haben.
Mich persoenlich stoeren derlei Leute, die googlen und noch niemals in der haredischen Gesellschaft waren. Ganz besonders stoert es mich, weil ich einige Jahre aktiv dabei war und somit weiss, was fuer falsche Geruechte ueber die Gesellschaft in Umlauf gebracht werden.
Klar, ist nicht alles rosarot bei den Haredim, doch muss man die Gesellschaft aktiv kennen, um sie zu kritisieren und nicht wild und dumm drauflos babbeln.
Nicht nur deutsche Journalisten tun das, sondern genauso die israelische saekulere Presse, denen die Haredim eh ein Dorn im Auge sind.
Wenn mir ein deutscher nichtjued. Journalist wie Herr Roessler sagt, Haredim muessen reden, etc., dann klingt das erstens arrogant und zweitens unwissend.
Warum muss ein Haredi mit ihm deutschen Journalisten reden ?
Warum sollen sich Haredim vor einem deutschen Journalisten ueber ihre Ideologien rechtfertigen ?
Soll das ein schlechter Scherz sein, oder was ?
Bòker Tov, Euer Ehren *steht auf* Einspruch, der Herr Ankläger verallgemeinert! *blickt zu Joshua*
AntwortenLöschenIch zum Beispiel bin Deutscher und bin very kompatibel zu Juden.
Und was sagt man in der Politik über den Ursprung unserer Kultur? Man sagt diese basiert auf unseren christlichen und jüdischen Wurzeln!
Ist klar das es überall Deppen gibt. Die Welt ist voll mit Ihnen und ganz sicher hat Deutschland seinen guten Teil abbekommen. Schon Kishon sagte: Der Mensch bringt sogar die Wüsten zum Blühen. Die einzige Wüste, die ihm noch Widerstand bietet, befindet sich in seinem Kopf.
Aber hier ist auf jeden Fall ein kompatibler Deutscher *feststell*
Miriam schrieb:
AntwortenLöschen"Wobei ich mir bei Deutschen nie sicher bin, wen sie als "ultra - orthodox" betiteln. Theoretisch packen sie genauso die Nationalreligioesen in die uktra - orthodoxe Schublade."
Slicha, lo hevanti klum?
Sagt mir leider auch nichts *zugeb* ich hab bisher auch keinen Plan über beide?! Das wird noch kommen, aber woher soll der normale Nachrichten sehende Deutsche da was wissen drüber?
*mal in die Defensive geht*
Wenn unsere Unkenntnis Euch verärgert, verstehe ich das und bedauere dies. Ist allerdings nicht so, dass man hier einfach so viel erfährt drüber.
B"H
AntwortenLöschenWer saemtliche Details ueber Haredim oder chassidisches Judentum erfahren will, der lese meine Blogs
www.hamantaschen.blogspot.com
www.chassidicstories.blogspot.com
oder auf English
www.shearim.blogspot.com
Miriam,
AntwortenLöschenganz genau meine Meinung.
Ich erkläre nur ganz oberflächlich religiöse Angelegenheiten, alles andere bringt nichts und die Leute würden es ohnehin nicht begreifen, müssen sie auch nicht.
WS,
Du bist kompatibel zu uns? Wo denn? Das erklär doch mal.
Weil Du sagst Du bist Israel-Fan?
Christlich-jüdische Wurzel? Das ist auch so ein Widerspruch. Judentum und christentum sind inkompatibel, damit geht es doch schon los.
120 Jahre hat es gebraucht bis Juden in Deutschland emamzipiert waren, 10 Jahre hat es gedauert bis die Deutschen versucht haben alle Juden physisch zu beseitigen.
In Deutschland wird man nur als Jude etwas wenn man sein Judentum möglichst versteckt und den Deutschen nach dem Mund redet, das ist Realität.
Wenn wir aus geldlichen Gründen nicht in Deutschland leben müssten, wir würden nur zu Besuch hinfliegen.
Und Nein, ich bin nicht verbittert, nur, Deutschland ist kein Land für Juden die authentisch jüdisch leben wollen.
Joshua
B"H
AntwortenLöschenChristentum und Judentum sind zwei voellig verschiedene Religionen, das stimmt.
Es tut mir Joshua, wenn Du in Deutschland Deine Religon nicht so entfalten, leben kannst.
AntwortenLöschenGinge es nach mir, wäre das anders.
Ich weiß, dass es immer eine schwierige Sache ist, wenn man vom Mainstream ausgeschlossen ist/wird.
Ich kann da nur Stellung in meiner Umgebung beziehen, wenn ich sehe die Betonfraktion erhebt die Stimme, dann erhebe ich meine auch,
aber konträr zu den Betonköpfen.
Das kann ich tun und das tue ich auch.
Zum Thema: Christentum und Judentum
Sicher sind das verschiedene Religonen, allderings gibt es Gemeinsamkeiten, siehe altes Testament. Aber lassen wir das.
Aussderm ging es in dieser Aussage nicht darum, zu behaupten beide sein eines.
Sondern darum auszusagen, das sowohl Christentum als auch Judentum in Deutschlad/Europa den Kulturgrund schufen.
Hallo,
AntwortenLöschender Artikel ist heute in der Sonntagsausgabe der FAZ unter dem Titel "Im koscheren Bus sitzen Frauen hinten" erschienen. Kann man leider nur gegen Bezahlung im Internet nachlesen.
Gruss aus dem kalten Berlin
von
Uli
B"H
AntwortenLöschenNicht immer sitzen die Frauen hinten, sondern manchmal auf der Seite - wie in New York / Williamsburgh, zum Beispiel.
Ferner gibt es koschere Busse in Bnei Brak sowie Ashdod, aber dann nur in bestimmten haredischen Gebieten und organiziert von bestimmten haredischen Gruppen.
Aber, wie gesagt, das Thema spielt in Israel momentan gar keine Rolle mehr, da derlei Busse alle privat organisiert werden.
Ich frage mich jedoch, ob Herr Roessler sich einmal beim israel. Verkehrsministerium informierte...