Sonntag, 23. Januar 2011

Die Kälte von Tel Aviv


Photo: Miriam Woelke


B”H

Ein Tourist kann sich in Tel Aviv leicht in seinen Gedanken verirren. Vor allem dann, wenn er aus dem kühlen Europa kommt. Sonne, Meer, tolle und offenbar so tolerante Leute, all die Hochhäuser, internationales Flair und irgendwie alles so wie in New York.

Auf den ersten Blick mag all das stimmen, doch wer sich länger in der Stadt aufhält, Wohnung und Job sucht, dem schlägt zwangsläufig die zweite Seite der Stadt entgegen: Nämlich ihre Gefühlskälte.

Nicht bei jedermann, doch das Tel Aviv Lebenssystem basiert auf dem Rennen nach Geld zwecks Rechnungen zahlen und sich etwas leisten. Zweitens auf der Karriere, denn dazu wird man irgendwie gedroschen.

Es gibt Orte in Israel, an denen merke ich sofort, wenn mein Gegenüber aus Tel Aviv stammt. Allein die Sprache und das ständige hastige Hauruck – Verfahren.
Man kann sich daran gewöhnen und seinen eigenen, weniger karrierebewussten, Bekanntenkreis ausbauen. Stetig aber fallen die Themen zurück auf den Konsum. Und sei es nur das Ausgehen und wohin.



Photo: Miriam Woelke
 
Mich reizt an Tel Aviv die Kreativität sowie die Leute, die mit der Kunst zu tun haben. Damit bin ich bei der Einstellung fast immer richtig gefahren. Zumindest trieb es mich auf diese Weise weniger in die Karriereschuppen. Einmal aber konnte ich dem Café Hillel auf dem noblen Rothschild Boulevard nicht entgehen, denn alle anderen Cafes waren überladen. Nur ein kurzer Kaffee und das wars dann auch. Die Atmosphäre nobel, aber nicht koscher. In der Rothschild stört das wenig und der Besucher sollte wissen, worauf er sich einlässt.

Die Angestelltenprominenz aus den umliegenden Banken und Startups konnten noch nicht einmal in der Mittagspause abschalten und hockten am Rondell, was zugleich als Einlogstation für die Laptops diente. Die Bedienung war nett, doch ich kam mir fehl am Platz vor und ging nach ein paar Minuten. Coffee to Go wäre besser gewesen.

Draußen auf dem Rothschildrasen tummeln sich nicht selten die Junkies. Dann, wenn sie im dicht besiedelten Junkie – und Bankenviertel Yad Haruzim kaum mehr Einnahmen erbetteln.

Die Kälte der Stadt und jeder kann sie auf seine eigene Art erleben …

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