Sonntag, 12. Dezember 2010

Wer ist Israeli ?

B"H

Als ich vor etwas mehr als sechs Jahren mit dem Bloggen begann, da befanden sich noch ganz andere deutschsprachige jüdische Blogger aus Israel auf dem Parkett. Eine deutschsprachige Bloggerin berichtete im Detail über ihren Giur (Konversion zum Judentum) in Israel. Ihre Blogbeiträge waren teilweise ironisch, doch vom israelischen Alltag geprägt. Darüber hinaus schrieb sie Kommentare in einem deutschen Forum. Die Bloggerin heiratete einen Israeli, doch plötzlich hörte sie mit der Bloggerei auf. Daran ist nichts ungewöhnlich, denn viele eifrige Blogger haben verspüren auf einmal keine Lust mehr zum Schreiben oder haben einfach zu wenig Zeit.

Das war vor ein paar Jahren, doch neulich erst las ich in einem anderen Blog, wie es besagter Bloggerin anscheinend erging. Nämlich, dass sie allem Anschein nach enttäuscht in ihr Heimatland zurückkehrte (nicht Deutschland, sondern ein anderes deutschsprachiges Land). In dem Blogbericht dazu hiess es, dass diverse Ex - Bloggerin sich in Israel nie als "Israelin" fühlte und stets festgestellt hatte, dass ein Neueinwanderer niemals ganz "Israeli" sein kann.

Beim Lesen fragte ich mich insgeheim, ob das der wahre Grund einer Rückkehr in die alte Heimat sein kann. Wie israelisch sind denn Israelis und wie israelisch will ich als Neueinwanderer sein ? Ich kann doch nicht nur meine Zeit damit verbringen, jetzt total israelisch sein zu wollen.
Was ist "israelisch" ?
Wenn ich Humus mag ? Wenn ich der Landessprache mächtig bin ? Wenn ich ab und an meine Mitmenschen anschreie und auf meine Rechte poche ? Was ?

Ich stelle mir niemals die Frage, wie israelisch ich bin oder nicht. Ich bin ich und selbstverständlich trage ich ein Stück Deutschland in mir, aber auch wesentliche Teile Israels. Ich fühle mich in Israel wohl und jeder Israeli braucht nicht viel Hirn, um festzustellen, dass ich nicht im Land geboren worden bin. Schon allein meines Akzentes im Hebräischen wegen.
Aber ist denn das so wichtig ? Na, und, dann bin ich halt nicht hier geboren und war nicht in der Armee. Dafür aber mache ich andere Dinge und bin Teil der Gesellschaft. Ich habe Freunde, ein Leben, Hobbies und mäkele wie alle anderen auch. Als Aussenseiter fühle ich mich nicht und überhaupt gibt es Tausende Leute im Land wie mich. Ich renne doch nicht obsessiv durch das Land und hechele meiner eigenen israelischen Identität hinterher.

Was ist israelisch ?
Selbst die heutigen Einwandererenkel der Marokkaner behielten ihre eigene Kultur. Die Jemeniten genauso, die Iraker, die Iraner oder die Kurden. Anglos haben ihre Kultur, die Franzosen oder die Südamerikaner. Die Russen sowie die Jugoslawen, Türken oder skandinavischen Juden. Alle zusammen aber sind wir Israelis und jeder trägt einen kleinen Teil dazu bei.
Ist das nicht israelisch genug ? Oder muss jemand ständig die Flagge schwingen, Falafel essen oder einen marokkanischen Akzent im Hebräischen annehmen (wie "Massbia'ah), was bei einem Westeuropäer eh absurd klingt ?

Ich weiss nicht, was ich der Ex - Bloggerin antworten soll, doch meines Erachtens nach liegt alles an einem selber. Wo fühle ich mich wohl und wo will ich leben ? Und dabei spielt das 100%ige israelische Gehabe eine geringere Rolle.

4 Kommentare:

  1. Shalom

    wo will ich leben? Darum gehts nicht, es geht darum wo ich leben MUSS, nämlich da wo Arbeit ist.

    Du weisst es selbst, es gib Leute im Land die haben nie Anschluss gefunden, trotzdem ist es ihnen wichtig im Land zu sein.

    Was genau ist denn DIE israelische Gesellschaft? Viel wird in Israel durch die Armee geregelt, da lernt man Leute und Verbindungen fürs spätere Leben kennen.
    War man nicht in der Armee, ist alles nochmal etwas schwieriger.

    Joshua

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  2. B"H

    Die Leute ohne Anschluss gibt es durchaus und auch das sie in Israel bleiben.

    Es gibt Einwanderer, die leben und lebten seit jeher in ihrer eigenen kleinen Gruppe / Freundeskreis und das war es. Da ich gerade eine Biographie ueber eine solche Dame schreibe und ihren Bekanntenkreis befrage, weiss ich das umso besser. Ich muss sagen, dass ich hierzu sage "Leider", denn ich selbst kann mir diese Abkapselung nicht vorstellen. Aber halt jeder, wie er mag ...

    Das mit der Armee ist ebenso richtig. Dennoch gibt es Einwanderer, die sich auch dort nicht zurecht finden.

    Wenn Du es ganz krass haben willst:
    Die meisten kennen sich schon aus dem Kindergarten und der Schule.
    Allerdings darf man als Neueinwanderer nicht aufgeben, suche sich einen israel. Bekanntenkreis und somit kommen dann auch einige Beziehungen.
    Dies habe ich stets besonders ueber Arbeitskollegen erfahren. Wenn ich etwas nicht weiss, frage ich einen geborenen Israeli und der sagt mir genau wie ich wo hin komme und was dann geschieht.

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  3. Miriam, diese Bloggerin hat mich mehrmals recht aggressiv angepflaumt, weil ich nicht konvertiert bin, und hat behauptet, wer nicht konvertiert (auch wenn es nur eine Schein-Konversion ist, also um einen Schein zu bekommen), der kann sich nie einleben. Sie hat behauptet, daß mir sowieso niemand hier traut etc. - lauter Dinge, die mir seltsamerweise nie aufgefallen sind und die meiner Erfahrung komplett widersprachen.

    Kurz, sie hatte das Patentrezept fürs Einleben in Israel. Sie selbst ist nach ziemlich kurzer Zeit aber schon wieder unter Protest weggegangen.

    Das hat meine Ansicht bestätigt, daß es nichts nützt, sich durch Scheine und Papiere anpassen zu wollen, wenn man innerlich nicht dazu bereit ist, auch mit Schein immer fremd zu bleiben. Ich habe nie den Versuch gemacht, mich 100% anzupassen, und lebe damit, daß ich immer fremd bleiben werde. So wie ich auch in Deutschland immer fremd sein werde, nach mehr als der Hälfte des Lebens in Israel.

    Wer sich umtopft, der muß damit leben, daß das Spuren an den Wurzeln hinterläßt. Das ist doch nichts Negatives.

    Ich liebe Israel und das jüdische Volk und fühle mich hier sehr wohl. Ich fühle mich nicht als Außenseiterin, im Gegenteil - ich liebe Israel gerade so, weil es aus lauter potentiellen Außenseitern besteht und fast jeder ein Stück Fremdheit mit sich herumträgt - ob in seiner eigenen Person oder seiner Familiengeschichte.

    Für mich waren die wichtigsten Elemente meiner Integration in den Kibbuz die alten Jeckes im Kibbuz mit ihrem trockenen Witz und ihrem Interesse an allem und jedem - die Schwiegerfamilie, die mich sofort und bedingungslos aufnahm und zu der ich mich ebenso gehörig fühle wie zu meiner Geburtsfamilie - die Liebe zu meinem Mann, in dem ich Israel verkörpert sehe - die Arbeit, bei der ich mich vollkommen integriert fühle - und natürlich die Kinder, die mich ganz hier binden.

    Jeder geht seinen eigenen Weg, und keiner weiß vorher, ob er am Ende wirklich damit glücklich wird. Aber ich liebe Israel auch dafür, daß es nie von mir verlangt hat, mich zu verbiegen. Israel ist ein sehr tolerantes und offenes Land.

    Ich fühle mich hier komplett wohl und am richtigen Platz. Es gibt keine Patentrezepte, um sich irgendwo einzuleben.

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  4. B"G

    @ Lila

    Das glaube ich Dir. Ich kenne Leute, die konvertiert sind und die sich nie einleben konnten und nach einiger Zeit wieder nach England, Deutschland, Oesterreich oder sonst wohin zogen.

    Ich muss ganz ehrlich zugeben, dass es oftmals eine Sache der Familie ist. Du bist verheiratet und hast in IL Kinder grossgezogen. Das allein macht schon einen Unterschied, denn Du wirst ja zwangslaeufig mit den anderen Eltern konfrontiert und und und. Dann warst Du im Kibbutz, was alles eh etwas einfacher macht, denn dort wird halt eher anerkannt als das vielleicht woanders der Fall sein mag.

    Ich habe dt. Freunde (genauer gesagt, sollte ich mich dort nach Jahren wieder melden :-)), wo die Frau reform konvertierte und der Mann gebuertiger Jude ist. Mit Mutter in Auschwitz gewesen und all dem, aber dennoch immer noch in Norddeutschland lebend. Die Familie begann erst nach der Geburt der Kinder, die Frau anzuerkennen. Weniger als Juedin, doch als Mutter der Enkel.
    Auch das Ehepaar war vorher im Kibbutz (jetzt in Jerusalem) und da war alles anders a la Anerkennung und so. Total tolerant und man wollte mich, den "armen" Volontaer stets von rechts nach links umbiegen. Hat jedoch nie so recht geklappt.:-)))
    Trotzdem sind wir gut befreundet.

    Jeder muss irgendwo seinen Platz finden und bei uns ist es eh anders, denn wir arbeiten. Besagte Bloggerin, sass, soweit mir bekannt ist, daheim.

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