Sonntag, 10. Oktober 2010

Wie weiter nach der Aliyah nach Israel ?

B"H

Israel ist und bleibt ein Land der Neueinwanderer und man braucht sich nicht lange umzuschauen, um einen der Neueinwanderer ausfindig zu machen. Ein Neueinwanderer, egal woher, ist keineswegs etwas Besonderes, denn schliesslich kamen fast alle Israelis einmal irgendwo her.

Heutzutage treffe ich in meiner näheren Umgebung zumeist auf amerikanische oder kanadische Neueinwanderer. Das absolute Zentrum der Juden von Kanada ist Toronto; amerikanische Juden hingegen leben in den USA verstreut. Bestes Beispiel: Neulich traf ich eine Neueinwanderin aus Phoenix / Arizona.

Franzosen, Briten, Kanadier und Amerikaner haben es bei der Aliyah nach Israel wesentlich leichter als Juden aus anderen Ländern, denn die Aliyah - Organisation "Nefesh be'Nefesh" hilft ungemein weiter. Nicht nur beim Papierkrieg, sondern, und das vor allem, finanziell. Wer mit Nefesh be'Nefesh kommt, den erwarten viele Tausende Schekel auf die nächsten Jahre verteilt. Des Weiteren organisiert NBN Wohnungen und ggf. Jobs. Wer heute allein mit der "Jewish Agency" Aliyah macht (wie deutsche Juden), der hat das große Nachsehen. In den USA ist mittlerweile allein NBN für die Aliyah nach Israel verantwortlich. Wobei ausgerechnet "Nefesh be'Nefesh" nicht ganz unumstritten ist, denn sie erhalten Spendenzuschüsse der fanatischen evangelikalen Christen, die da jeden Juden in Israel wissen wollen, um somit das zweite Kommen des falschen Meschiach J. hervorzurufen.
NBN ist das egal, denn sie nehmen allein das Geld. Den Juden ist es ebenso egal, denn missionieren lassen sie sich nicht und woher die Gelder kommen, ist ihnen letztenendes Schnuppe. Wie sagte mir die Frau aus Phoenix: "Hätte ich kein Nefesh be'Nefesh und die damit verbundenen Gelder, wäre ich niemals imstande, Aliyah zu machen".

Vor einigen Monaten verfasste ich einen Artikel zu Nefesh beNefesh und schrieb die Organisation an, ob man mir nicht Daten zur Verfügung stellen kann. Daten der Anzahl von Neueinwanderern, die selbst mit Nefesh be'Nefesh scheitern. Neueinwanderer, die nach wenigen Monaten oder einem Jahr wieder in ihre Heimatländer zurückkehren, weil sie mit dem Leben in Israel nicht zurecht kamen. Oft hapert es an der fremden Mentalität, der Jobsuche, der fremden Sprache oder einfach am fehlenden Gesellschaftskreis. Nefesh be'Nefesh betreibt Werbung mit Erfolgsstories, denn darauf beruht ihr System. Von Neueinwanderern, die scheitern, ist niemals öffentlich die Rede und so erstaunte es mich nicht, von NBN keinerlei Antwort zu erhalten. Durch die Blume jedoch erfuhr ich, dass eine hohe Anzahl der NBN - Neueinwanderer wieder in die USA, etc. zurückkehren.

Wer sich als Neueinwanderer in Jerusalem, Tel Aviv, Rishon LeZion, Beersheva, Ra'anana oder in anderweitigen recht grossen Städten niederlässt, den erwartet ein buntes kulturelles Programm und ausserdem leben dort viele Anglo - Neueinwanderer. Selbst wer des Hebräischen nicht gleich mächtig ist, findet aufgrund von Englischkenntnissen Anschluss. Was aber, wenn sich der Neueinwanderer für ein Leben in Nordisrael entscheidet ? NBN bietet dazu ein weitreichendes finanzielles Hilfsprogramm an. Dies nur nebenbei, doch auf Deutsche trifft NBN nicht zu. Genauso wenig auf Schweizer oder Österreicher.

Wer sich im Norden eine Existenz aufbauen will, den erwarten oftmals nicht allzu viele Englischkenntnisse der nahen Umgebung. Übrigens ist Deutsch sowieso kaum vorhanden. Falls etwas, dann Englisch.

Wer in einen kleinen Yishuv (Siedlung) im Norden zieht, der sollte schnellstens die Landessprache erlernen. Aber nicht nur das bildet die einzige Herausforderung: Nicht selten scheitern Neueinwanderer am fehlenden Gesellschaftskreis wie Freunden. Wie sich einen Bekanntenkreis aufbauen, wenn die Landessprache nur holpri hervorgestottert wird ? Dies betrifft vor allem die Siedlungen auf dem Golan, die Stadt Tiberias oder fast das gesamte Gebiet im oberen Galiläa. Die Infrastrukturen sind eh nicht besonders positiv, doch wenn dazu noch gesellschaftliche Komplikationen auftreten, kann schnell eine Krise des Neueinwanderers erfolgen. All das muss bei der Aliyah berücksichtigt werden. Trotz aller Vorteile kann dennoch schnell der Einbruch vor der Türe stehen.

Mittlerweile machen sich lokale Einrichtungen im Norden auf, allmählich Verbindungen zwischen den Neueinwanderern verschiedener Sprachen herzustellen. Alles geht zaghaft voran und vielerseits hakt es dann wieder am eigenen Arrangement. Das Internet bietet nach wie vor die hilfreichste Infoquelle.

Eine erfolgreichen Aliyah mit Geld, Wohnung und Job sind letztendlich noch lange keine Garantie für ein zufriedenes Leben in Israel. Wenn kein Freundeskreis zustande kommt oder man von den israelischen Nachbarn ausgeschlossen wird, kommt nicht selten die Depression auf. Israelis untereinander cliquen gerne. Sie reden über ihre Armeezeit, Schulzeit, Jobwelt und benutzen ihre Mentalitäten und ihren Wortschatz. Ein Neueinwanderer ist da oftmals verloren oder tut sich schwer.

Kurz gesagt, eine Aliyah, trotz aller finanzieller Rechte, ist nicht immer auf Rosen gebettet. Freunde sind wichtig. Freunde, und nicht Bekannte. Ansonsten kann das Leben in Israel sehr einsam sein.

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