Montag, 22. Februar 2010

Sicherheitsdenken

B"H

Mein Bruder ist der perfekte "Sicherheitstyp". Alles muss geregelt sein. Job, Finanzen, Wohnung, Möbel, selbst die Gänge zum Markt.
Wer in Deutschland Abitur macht oder die Schule beendet, der sucht sich eine Stelle als Azubi oder studiert.

Als ich das erste Mal nach Israel kam und in einem Kibbutz volontierte, befand ich mich gerade mitten im Studium an einer deutschen Uni. Im Kibbutz traf ich auf unzählige Australier, Amerikaner, Briten und sogar Schweizer, die vor oder während der Uni / des Jobs eine Auszeit nahmen. Mehrere Monate oder ein Jahr. Sie reisten und als ich sie auf die Finanzen ansprach, meinten sie, dass sie halt ihr erstes Ticket irgendwohin zahlen und sich dann in dem entsprechenden Land einen Job suchen. Kellnern oder Englisch unterrichten. Einer, der in Neuseeland reiste und mehrere Monate dort verbrachte, pflückte Kiwis auf einer Plantage. So kam er zu Geld und Unterkunft gab es umsonst.

Als ich all die Leute sah, die so lebten, dachte ich mir, dass viele Deutsche im Grunde genommen etwas verpassen. Raus aus der Schule und rein in die Arbeits - Uniwelt. Ein nahtloser Übergang. Rumfahren und die Welt sehen kann man auch im Urlaub.
Das klingt nicht wie "leben", sondern schon tot.

Ich sprach meinen Bruder darauf an und der kriegte, wie erwartet, seinen Sicherheitskoller. Was, wie, Wohnung aufgeben ? Und einfach so Job suchen in einem fremden Land ? Wo schlafen, wo wohnen, wo das Geld hernehmen ? Und was, wenn man nach Deutschland zurückkehrt ? Wo dann wohnen und wie einen neuen Job finden ?
Nee, nee, das sei man alles viel zu unsicher. Und er habe ja erst den neuen DVD - Player und Computer gekauft. Wohin damit ?

Diese Art des Denkens sichtet man nicht selten bei eingefleischten Deutschen im Ausland. Wo wohnen, wo arbeiten, und und und.
In der Zwischenzeit habe ich mich so sehr an gewisse internationale Lebensweisen gewöhnt, dass mit solch ein Gequake mächtig auf den Keks geht. Außerdem bin ich einigermassen religiös und weiss daher, dass wer sich anstrengt, etwas zu tun, G - tt auf seiner Seite hat. Wir befinden uns auf dieser Welt um zu leben und wo bleibt das "Leben", wenn ich nur nach meinen Gedanken / Sorgen lebe ?

5 Kommentare:

  1. Meine Tochter will nach Kanada. Soll sie ruhig. Sie hat noch nicht dieses von dir beschriebene typisch deutsche Sicherheitsbedürfnis. Bin mal gespannt, was sie nach ihrer Rückkehr zu berichten hat und vor allem, wie sie sich danach entwickelt hat. (Hoffe nur, dass sie sich dort nicht verliebt und dableibt.)

    Dieter L.

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  2. B"H

    Vielleicht bleibt sie ja auch so dort.:-)))

    Wenn die Kinder reif genug und einigermassen normal sind, finde ich es schon gut, wenn sie einige Zeit in einem anderen Land verbringen.

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  3. Verständlich ist das Denken wenn man in Deutschland aufgewachsen ist. In Deutschland wird alles komplett geplant und verplant, Arbeiten hat absolute Priorität. Fragt jemand was man so macht, ist das eine Frage nach dem beruflichen Erfolg.
    Sicher, man muss von etwas leben, besonders wenn man Familie hat, aber das Denken dreht sich fast nur um die Arbeit.

    Wenn Dein Bruder alleinstehend ist, sollte er sich Aliyah wirklich überlegen, was hat er denn gross zu verlieren? Seine Sachen kann er mitnehmen und Kontakte hat er ja auch in Israel durch Dich.

    Es ist eben schwer die Galut-Mentalität loszuwerden.

    Joshua

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  4. B"H

    Mein Burder faehrt nirgendwohin ausser nach Daenemark oder so. Kein Flugzeug, kein nichts.

    Auf den Beruf bezogen, sind Amerikaner genauso.

    Einmal rief mich eine ehemalige Schulkameradin an (da war ich gerade in Deutschland) und lud mich zum Klassentreffen ein. Ich sagte, ich haette keine richtige Zeit und sie wollte halt in meiner Abwesenheit einen Vortrag ueber die Abwesenden halten.
    Was war ihre Frage ?
    "Was machst Du so beruflich ?"

    Ich fragte sie, ob sie nun wissen wolle, wer ich heute bin und was ich mache, aber anscheinend ordne sie die Leute nur nach ihrem Job ein.

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  5. Wenn ich mich nur über meinen Beruf definieren würde, wäre mein Selbstbewußtsein aber jetzt ganz schön im Eimer. :-) Verglichen mit meiner bisherigen Tätigkeit befinde ich mich nämlich gewissermaßen im Vorruhestand. Die Gesundheit macht nun mal nicht alles mit. Entgegen allen Pauschalierungen werde ich, zumindest in meinem Freundeskreis, nicht anders behandelt als vorher.

    Dieter L.

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