Freitag, 5. Juni 2009

Schabbat Schalom

B"H

Der Manager aus der Jerusalemer Bäckerei, in der ich zweimal pro Woche Skalvenarbeit (wie alle anderen Bediensteten auch) verrichte, beschwerte sich gestern bei mir, ich solle nicht immer "nur" über Negatives (Beispiel: Obama) schreiben, sondern auch einmal das Positive im Leben sehen. Einen farbenfrohen Schmetterling, zum Beispiel. Mich an der Natur erfreuen und was gehen uns da Obama und all die anderen Weltgestalten an, die uns an den Kragen wollen.

Als ich Aliyah nach Israel machte dachte ich, dass all die gewohnten Rechtfertigungen endlich ein Ende finden. Nicht, dass ich mich in Deutschland des Judentums (und dann auch noch wegen des ORTHODOXEN JUDENTUMS) rechtfertigen musste. Ehrlich gesagt, fragten mich meine damaligen Arbeitskollegen in der Bank nur nach diversen jüdischen Gesetzen wie Kaschrut (koscheres Essen) und so. Vielerseits jedoch vernahm ich, dass sich nicht wenige Juden in Europa ihren nichtjüdischen Mitmenschen gegenüber rechtfertigen müssen. Die Religion sei einmal dahingestellt, denn heute geht es diesbezüglich wohl eher um die israelische Politik. Aber welcher ultra - deutsche Jude weiß da schon konkrete Fakten samt Selbsterlebtes zu berichten ?

In Israel angekommen, scheint die Rechtfertigung erst richtig loszugehen. Eine ausländische Presse, die Israel überwiegend als den Querulanten sieht. Gar nicht zu reden von dem Herumgehacke auf den orthodoxen Juden, wobei SPIEGEL & Co. noch nicht einmal in der Lage sind, zwischen "orthodox" und "orthodox" zu unterscheiden. In dem Moment fragt man sich, ob es sich lohnt zu kommentieren. Erstens will es deren Leserschaft kaum vernehmen und zweitens befördert man sich selbst ins Abseits und wird für die Außenwelt zum Ultra - Fanatiker.

Gestern abend fuhr ich zurück nach Tel Aviv und vor mir im Bus sass ein deutsches Ehepaar. Dem Akzent zufolge kamen sie aus Stuttgart oder Umgebung. Zuerst fragte die Frau ihren Mann, warum denn diese seltsamen ultra - orthodoxen Juden immer so komische Hüte tragen und ihr Mann begann zu überlegen, ohne auch nur auf die kleinste Antwort zu kommen. Das war noch vor der Abfahrt im Jerusalemer Busbahnhof. Auf der Autobahn angekommen, wurde dann zum Thema "Holocaust" übergewechselt und wie denn die Israelis Deutschland heute noch hassen.

Ich versuchte nicht hinzuhören und des Zurückkommentierens bin ich schon längst zu müde. Vielleicht sollte gerade die jüdisch - orthodoxe Gesellschaft mehr Ansporn in der weltweiten Hasbara (Aufklärung) zeigen, doch die Mehrheit fragt sich: "Wozu das alles ? Wir leben unser Leben und versuchen so zu leben, wie G - tt es von uns verlangt !"

Wer sich länger mit der Hasbara beschäftigt, der kann irgendwann zur Einsicht eines Ignatz Bubis gelangen: "Hat ja alles keinen Zweck !"
Aber ganz so negativ soll es nun auch wieder nicht klingen. Trotzdem nerven Pressedarstellungen, in denen gerade jetzt die israelischen Siedler wieder angegriffen werden. Obama tut sein Übriges dazu und nicht wenige in Israel (mich eingeschlossen) sehen eine Katastrophe anrollen. Iran mit Atombombe und die Palästinenser erklären uns bald für vogelfrei.

Wie soll sich ein Europäer oder Amerikaner mit unseren Gedanken und Sorgen identifizieren ? Während der Nachrichtensendung wird das Hirn auf das lokale Umfeld programmiert und es ist nicht verwunderlich, wenn da jemand aus Oberammergau zum Pazifisten wird. Was weiß man in Neustadt an der Aisch von einem palästinensischen Amokläufer, wenn die Aisch so sorglos romantisch dahinplätschert ? Und dann serviert die Tagesschau des abends ein Bild von einem weinenden palästinensichen Kind und da fliessen auch in die Neustadt schon einmal die Tränen in die Aisch.

Als Jude scheint man der Rechtsfertigunsgwelt nie zu entkommen und manchmal wünsche ich mich dann auf eine einsame Insel. Allerdings besteht die Insel aus einem Zimmer, in welches man sich verschliesst und kein Radio anstellt, sondern versucht, an Natur bzw. farbenfrohe Schmetterlinge zu denken, wie es der Bäckereimanager vorschlug.

Ich wünsche allen Lesern einen tollen Schabbat und nette vorbeifliegende Schmetterlinge. Auf das die Hitze bei Euch weniger ist als die in Israel (mit "nur" 26 Grad heute).

Schabbat Schalom

4 Kommentare:

  1. Hallo Miriam,

    das ist zwar richtig, daß wir aus der Ferne diese Dinge nicht aus eigener Erfahrung beurteilen können. Aber warum versorgst du uns dann übrhaupt noch mit Informationen über Israel auf Deutsch, wenn ja deiner Ansicht nach doch nur Fehlurteile dabei herauskommen können? Des is doch a Gschmarri.

    Übrigens: Wer von deinen Lesern kennt denn schon Neustadt an der Aisch. Du hättest besser Nürnberg oder Fürth als Beispiel genommen.

    Grüße von
    einer Nürnbergerin

    AntwortenLöschen
  2. naja liebe miriam, ganz unrecht hat dein sklaventreibender-manager ja nicht ...

    hin und wieder was positives wär schon nicht schlecht. aber das scheint mir noch so ein wenig rest-deutsch zu sein hier haben sie das jammern ja erfunden ...

    AntwortenLöschen
  3. Schalom Miriam,

    es macht mich immer wieder betroffen, wenn du über Deutschland berichtest und wenn ich zwischen den Zeilen lese, dann spüre ich auch etwas Verbitterung, nicht nur über die Deutschen, sondern alle Menschen, weil die meisten eben auf der anderen Seite stehen, nämlich gegen Israel und für die Palis bzw. jetzt wieder für Obama, der wie ein Messias gefeiert wird und alle Menschen mit ihren Religionen vereinen will für ein friedliches Leben, was er leider nicht schaffen wird, da er nicht der Messias ist.
    Vielleicht ist er aber derjenige, der es schaffen wird, das Land G-ttes zu teilen. In Joel 4,1-2 steht: “ Denn sieh, in jenen Tagen und zu jener Zeit, da ich Jehuda und Jeruschalaim wiederherstelle, da sammle ich alle Nationen und führe sie hinab zum Tal Jehoschafat und rechte dort mit ihnen wegen meines Volkes und meines Erbes Jisrael, das sie unter die Völker verstreuten, mein Land aber teilten sie auf...“ Es steht, dass G-ttes Land aufgeteilt wurde. Da G-tt alle Dinge weiß, befürchte ich, dass es letztendlich so kommen wird. Das bedeutet aber nicht das Ende für Israel, sondern G-tt wird eingreifen und sein Volk retten. Es wird ein Gericht kommen für die Völker die gegen Israel ziehen, und das messianische Zeitalter wird danach beginnen.
    Ich verstehe aus eigener Erfahrung, dass die jüdischen Menschen nach soviel Ablehnung misstrauisch geworden sind, und auch Dawid sagte, dass er lieber in G-ttes Hände fallen will, aber nicht in die Hände der Menschen. Die Habsucht der Menschen, die Götzendienst ist, macht sie so unberechenbar. Und trotz allem hat G-tt sich immer Menschen gesucht, die auf seiner Seite sind, Juden wie auch Nichtjuden.
    Du schreibst über deinen Alltag, und manches ist nicht einfach. Nach G-ttes Torah zu leben bedeutet für dich nicht Entsagung, denn wer gerecht lebt, der hat den Frieden G-ttes im Herzen, und das ist viel wichtiger als jeglicher Besitz.
    Deshalb wünsche ich dir G-ttes Segen.
    B.K.

    AntwortenLöschen
  4. B"H

    @Nuernbergerin

    Das Beispiel "Neustadt an der Aisch" war von mir absichtlich gewaehlt worden. Wobei ich die dortigen Bewohner nicht abwerten will.:-)

    Wieso soll man niemanden mit Infos versorgen ? Bubis gab nie auf und stellte fest und ich gebe nicht auf und stelle fest ?
    Wobei sicher nicht alle ueber einen Kamm zu scheren sind und genau deswegen macht man weiter. Selbst wenn es sich dabei nur um einen Einzigen handeln sollte.


    @Enrico

    Nein, gejammert wird in Israel ! Niemand jammert soviel wie wir hier.:-)))
    Aber ich wollte nicht jammern, sondern nur ironisch klingen. Eigentlich geht es mir in der Baeckerei recht gut.


    @ B.K.

    Wie ich andererweitig schon erwaehnte, vor allem bezueglich der Thora Codes" auf Hamantaschen, bin ich nicht derjenige, der in den Propheten nach Antworten sucht und saemtliche heutige Personen in Prophezeihungen hineininterpretiere. Wenn in den Thora Codes einiges ueber Obama zu finden ist, okay, das verleugne ich nicht. Dennoch habe ich genuegend G - ttvertrauen und mache mich nicht selbst verrueckt. Was kommt, das kommt halt.

    Nein, Entsagung bedeutet es fuer nicht nicht und normalerweise sollte es dies fuer niemanden anderen tun. Es kommt immer darauf an, was man als Entsagung empfindet...

    AntwortenLöschen