Freitag, 26. Juni 2009

Freitagshelden

B"H

Wer jüngereren Semesters ist, der denkt nicht daran, wie es ihm im Alter ergehen könnte. Aber je näher wir altermässig fortschreiten, desto mehr ziehen wir es vor, den Gedanken von uns zu schieben. Alters - oder Pflegeheim ? Nee, ich doch nicht.

Seit ca. zehn Jahren hat sich in Israel eine Altenpflegebranche der besonderen Art aufgetan. Dabei sind es keine Israelis, die sich in den Job der Seniorenbetreuung stürzen. Wer will das denn machen ? Windeln wechseln und ggf. Körper in die Badewanne hieven ? Da sucht man sich lieber einen bequemeren und besser bezahlten Job. Und sei es "nur" als Kassiererin, aber im Supermarkt wird wenigstens keine Sch….. geräumt.

Um den Personalbedarf in der privaten Altenpflege Herr zu werden, kam man hierzulande auf die Idee, die als freundlich und fürsorglich bekannten Asiaten ins Land zu holen. Zuerst junge Leute von den Philippinen und zwischenzeitlich werden auch Nepalesen engagiert. Tausende dieser Fremdarbeiter in der Altenpflege bevölkern mittlerweile das Land. Den Philippinas kann es nur Recht sein, denn in Isreal verdienen sie eine Stange Geld und sind so in der Lage, Geld an die Verbliebenen auf den Philippinen zu entsenden.

Immer mehr soziale Probleme tun sich damit auf. Rassismus gegenüber Asiaten, zum Beispiel. Heutzutage braucht man nur einem von ihnen auf der Straße begegnen und schon ist einem von weitem klar, dass derjenige in der Altenpflege jobbt. Wenn die Philippinas nicht gerade mit im Haus ihres Pflegefalles wohnen, dann bestimmt privat in einer Behausung mit anderen Asiaten. Israels Fremdarbeiter bleiben unter sich und hegen keine engeren Kontakte zur Gesellschaft des Landes. Die israelische Gesellschaft wiederum sucht auch keinen Kontakt zu ihnen. Man bezahlt sie und das wars. Es sei denn, irgendein Typ kommt auf den Gedanken, mit der Philippina in "die Kiste zu springen". Asiatische Frauen sollen so ja ihre Reize haben.

Sonntags ist der freie Tag der Philippinas, denn im Normalfall sind sie alle christlicher Religion. Und so sieht man ganze asiatische Gruppen am ersten Tag der Woche durch die Innenstädte ziehen. Gemeinsam und unter sich bummeln sie durch die Geschäfte oder sitzen in Cafes. An Wochentagen trifft man sich arbeitsbedingt, was bedeutet, dass eine Philippina mit einem älteren Herrn oder eben einer Dame spazierengeht, sie sich auf eine Bank setzen und eine zweite Philippina kommt ebenso dazu. Dann unterhalten sich oft die älteren Israelis, die Pflegebedürftigen der Philippinas genauso wie die beiden Asiatinnen eben.

Der Freitag ist allgemein ein Tag, dem ich eine ganz besondere Routine widme. Dazu gehört, dass ich mich in einen bestimmten Tel Aviver Park setze und die Tageszeitung durchblättere. Tel Aviv ist einzigartig mit seinen rot blühenden Bäumen und ich liebe es, diese anzuschauen.

Auch in "meinem" Park sitzen bei meinem Eintreffen schon einige Philippinas mit ihrem Altenclientel. Die Alten sitzen zusammen und die Philippinas genauso. Eine Frau sitzt im Rollstuhl und ich bin mir nicht sicher, wieviel sie von ihrer Umwelt noch wahrnimmt. Jedenfalls ist das Einzige, auf das sie schaut ein kleines Handtuch, welches sie dazu im Kreis herumdreht.

Ich setze mich jedesmal gleich neben die Gruppe; nicht, weil ich es unbedingt so plane, sondern weil fast immer alle anderen Parkbänke schon besetzt sind. Meist kommen weitere Besucher; eine VHS - Gruppe, die brasilianische Tänze lernt und neben ihrem Gebäude im Park proben. Wenn dies geschieht, dann geraten die Alten stets außer Rand und Band. "Oh, Musika", sagen sie dann und freuen sich. Alle klatschen mit, selbst die Philippinas. Alle, außer der alten Dame mit ihrem Handtuch.

Ebenso zu der Freitagsszenerie gehört eine weitere ältere Dame, die sich abseits hält. Anscheinend geht sie ihrem Morgenfitness nach, was bedeutet sie geht im Kreis durch den kleinen Park. Viele Male und immer dann, wenn sie unsere Gruppe passiert, schaut sie mit besonderem Interesse auf uns. Beschwingt geht sie vorbei und zeigt kein Anzeichen von Alterschwäche. Modern gekleidet und mit ihrer eintätowierten Auschwitznummer auf dem Arm joggt sie fast an uns vorüber, wobei sie niemals vergisst, uns eindringlich zu mustern.
Manchmal habe ich das Gefühlt, dass sie auf die Altengruppe schaut und denkt, dass es man gut sei, dass sie da nicht dazugehöre. Zur Musik klatschen und von einer Philippina heimgeschoben zu werden. Ein Dank an G - tt, wenn man zu all dem noch allein in der Lage ist, sich zu versorgen und auf niemanden angewiesen ist.

Aber vielleicht bilde ich mir ihre Gedanken auch nur ein, denn insgeheim überlege auch ich, was geschehe, wenn ich einmal da im Rollstuhl sitze und "mein Handtuch herumdrehe". Jeder mag sich das fragen und es sind letztendlich die Alten, die uns zeigen, dass auch sie sich immer noch des Lebens freuen. Mag sein, dass wir Parkbesucher die Altengruppe ungemein bewundern, die da trotz allem Lebensfreude versprühen.

Heute ist Freitag und ich mache mich nachher wieder auf im Park in den Park. Hoffentlich ist die Volkstanzgruppe auch wieder da !

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