Sonntag, 22. Juni 2008

Gefahr verbindet




B"H

Ein Bekannter hatte zur Neueröffnung einer Yeshiva samt Synagoge gebeten und am letzten Freitag mittag fuhr ich mich einer Freundin zur Feierlichkeit. Rabbi Yosef Yedidiahu Klausner hatte alles groß angekündigt und viel Zeit, Mühe, Nerven und Geld investiert.

Vor ungefähr einem Jahr erstand Rabbi Klausner, ein gebürtiger Amerikaner, ein vierstöckiges Haus in der nationalrelig. Siedlung Efrat (nahe Jerusalem). Er ist nicht der Einzige, der hinaus aufs "Land" zieht, weil in den Siedlungen (Yishivum) alles viel billiger ist. Von der Miete über den Grundstückskauf bis zur Arnona (der Grundsteuer).

Zusammen mit T. machte ich mich also auf den Weg zum Busbahnhof in Jerusalem. Sie war gerade erst aufgestanden und ich hatte an dem Tag schon Einiges hinter mir, war ich doch eigens aus Tel Aviv angereist. Wir gingen aufs Geratewohl zum Busbahnhof und zu unserem Glück sollte der Egged – Bus nach Efrat in fünf Minuten abfahren. Um 11.15 Uhr.

T. brachte ihre Digitalkamera mit und schon auf der Fahrt wollten wir einige Photos machen. Wir stiegen mit einigen wenigen anderen in die Linie 167, zahlten unsere sechs Schekel (etwas mehr als einen Euro) und plazierten uns gleich hinter dem Busfahrer. Dort wenigstens hatten wir gut Sicht durch das Frontfenster; die Sicht durch die alle anderen Fenster blieb uns versagt, da alle Fensterscheiben aus dreifachem schußsicherem Glas bestanden. In der Vergangenheit und auch heute ist es keine Seltenheit, dass israel. Busse von Palästinensern beschossen oder mit Steinen beschmissen werden. Wenn es denn ganz Dicke kommt, fährt der Bus auch schon einmal auf Sprengstoff und fliegt in die Luft. Daher sind einige der Egged – Busse mit schußsicheren Fenstern und anderem Material ausgerüstet.

Vom Busbahnhof fuhr der Bus über die Shopping Mall Malcha nach Gilo und danach in Richtung Gush Etzion (Hebron, Kiryat Arba). Dann wurde abgebogen und es ging, an einigen Pali – Dörfern vorbei, nach Efrat. Wir passierten einen Checkpoint, wurden jedoch nur durchgewunken und nicht kontrolliert. Untergwegs gab es eine tolle bergige Landschaft zu bewundern, welche an den Straßenseiten von Betonmauern verschandelt war. Betonwände an den Straßenseiten, die ebenso mit einer Art Betondach ausgestattet waren. Sollten Steine von dem auf einer Anhöhe liegenden Pali – Dorf auf einen Bus krachen, so werden diese von den kleinen "Dächern" auf den Mauern abgehalten. Des Weiteren fuhren wir durch zwei Tunnel. Viele Orte außerhalb Jerusalems sind fast nur noch per Tunnel zu erreichen, denn die werden teilweise bewacht und man während der Fahrt nicht beschossen.

Es gibt mehrere Gründe für mich, nicht in eine der Siedlungen zu ziehen. Zuerst einmal sollte man sich im Falle eines Umzuges ein Auto zulegen, denn die ewigen Busfahrten sind recht nervig. Immer vom Bus abzuhängen, der da einmal pro Stunde ins Kaff hinausfährt, ist mir zu nervenaufreibend. Dann die Fahrten vorbei an Stacheldraht, Sicherheitszäunen und Wachtürmen. Weiter eingezäunte streng bewachte Siedlungen. Das Leben im Hochsicherheitstrakt ist nichts für mich. Dagegen halten einige Freunde, die da meinen, dass ja in der Stadt auch alles nicht ganz so anders sei. Polizei, Armee, Anschlagsgefahr. Ein richtiges Entkommen gebe es ja nun wirklich nicht.

Nach ca. 20 erreichten wir Efrat. Die Siedlung erinnert mehr an eine Kleinstadt und mich als Jerusalemer oder ehemaligen Jerusalemer an den Stadtteil Pisgat Ze'ev. Neue Häuser, neu errichtete Spielplätze, Grünanlagen und zwei oder drei Pali – Dörfer weiter weg, aber in Sichtweite. Der Bus führte uns direkt vor das Haus von Rabbi Klausner. Vier Stockwerke hat er und als wir ankamen, leitete er gerade die Hakafot (Tanz) mit der neuen Thorarolle. Viele Nationalrelig. hatten sich versammelt und nur ganz wenige Haredim (Ultra – Orthod.) darunter.

Der Rabbi hatte mit Freitag einen denkbar ungünstigen Tag gewählt, denn freitags geht man, außer abends am Schabbatbeginn, nicht gerne aus. Stattdessen ist jeder busy mit den Schabbatvorbereitungen. Dazu kam, dass Efrat einen Tag zuvor sein 25 – jähriges Bestehen feierte und wenn dann schon gefeiert wurde, dann täten garantiert weniger bei Klausner auftauchen. Und genau das trat ein. Relativ wenig Leute (ca. 60), aber dafür gute Stimmung in seiner kleinen Synagoge im Erdgeschoß.

Eine Catering – Firma sorgte mit Huhn, Wassermelone, Kuchen, viel Geschnetzeltem und Salaten für das leiblliche Wohl. Und genau das ist es, was in Israel Leute anzieht: das Essen.
Nach ca. einer halben Stunde war das Bufett futsch. Kalte Getränke gingen weg wie warme Semmeln, denn wir standen meistens in der prallen Sonne bei über 30 Grad. Der Caterer verpasste es, Zelte oder Dächer aufzuspannen und so kloppten sich fast alle um die wenigen Stühle bzw. Plätze im Schatten.

Beim Essen kam ich dann auch schnell mit einigen Anwesenden ins Gespräch und es stellte sich heraus, dass viele gar nicht aus Efrat waren. Jerusalem war dabei und neben mir saß eine Familie aus einer kleineren Siedlung nördlich von Ramallah. Ob das denn nicht zu gefährlich sei, fragte ich. Und wieder die gleiche Antwort. Es sei überall gefährlich im Land, egal wo man lebe.

Ich bin alles andere als jemand der in einer Kleinstadt geschweige denn auf dem Dorf lebt. Ich brauche die Großstadt und Efrat war mir schon nach weniger als einer halben Stunde zu langweilig. Und so fragte ich die neben mir platzierte Familie, was sie denn an ihrer Siedlung, außer den billigen Wohnungen, so mögen. Ob es nicht zu langweilig sei ?

Die Palis stören sie nicht, aber in ihrer nationalrelig. Siedlungen haben sie alles gefunden, was sie gesellschaftsmäßig suchen. In der Siedlung kennen sich alle und jeder sei für jeden da. Als Stadtmensch war natürlich mein Einwurf, dass es nicht immer besonders vorteilhaft sei, wenn jeder jeden kannt. Ist man mit einem verkracht, dann ist man zwangsläufig auch mit vielen anderen verkracht. Mein Gesprächspartnerin stimmte dem zu, machte aber dennoch nicht den Eindruck als sei dies das große Problem in ihrer Siedlung.

Nach zwei Stunden machten wir uns auf den Rückweg in die Stadt. Unterwegs sprachen wir zu Dritt über ein eventuelles Leben in einer Siedlung. Meine zwei Freunde T. und S. wollen einmal unbedingt aufs Land ziehen und die Landschaft sowie die Ruhe geniessen. Ich kann mir das absolut nicht vorstellen. Und als wir in den Bus nach Jerusalem stiegen, hatte der zwar diesmal keine gepanzerten Scheiben, doch bruchsicheres Glas. Fast alle Fenster im Bus wiesen Sprünge auf, welche von fliegenden Steinen gegen den Bus stammten.

Und Efrat mit seinen mittlerweile 25.000 Einwohnern gilt da noch als relativ sicher.


Photos folgen selbstverständlich noch !!!



25 Jahre Efrat

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