Freitag, 18. Dezember 2009

Schabbat Melancholie

B"H

Tel Aviv steht unter Wasser, was soll ich sagen. Seit der vergangenen Nach ergiesst ich alles, was im Himmel ist, auf Israel. Zum Glück und endlich einmal wieder. Gestern war ich für wenige Stunden in Jerusalem, um eine Kindergruppe zu unterrichten und hätte mich dort fast totgefroren. Sieben Grad Unterschied zwischen Tel Aviv und dort. Obwohl es momentan in Tel Aviv in Strömen giesst, ist es dennoch mit 18 Grad verhältnismässig angenehm. Ich darf gar nicht erst an heute nachmittag denken, wenn ich zum Schabbat in Jerusalem lande. Brrrr …

Auf meinem Heimweg mit dem Bus gestern abend bekam ich ein munteres Gespräch zwischen dem Fahrer und einer 65 - jährigen Frau zu hören. Neben privaten Details schnitten die das Lieblingsthema älterer Israelis an: Wie sich mit der Zeit alles verändert habe und wie die Zeit dahinrast.
Als ich im Sommer 1987 zum ersten Mal nach Israel kam, fand ich schon damals ein völlig anderes Land vor. Sicher wurde mehr auf Ideale gesetzt, obwohl die Politik schon immer ein mieses Geschäft war und die Bestechung mit Staatsgründung begann. Nur nicht so offensichtlich und primitiv wie heutzutage. Die Mentalität war noch nicht auf Kaufrausch programmiert und der Suff gehörte den Kibbutzvolontären. Mit Internet war nichts und wer Nachrichten aus Deutschland wollte, der begnügte sich mit der oftmals genug rauschenden Deutschen Welle im Radio. Oder man kaufte am Dizengoff Center in Tel Aviv eine deutsche Zeitung.

Handys waren unbekannt; heute hingegen gibt es kaum einen Israeli und fast kein Kindergartenkind ohne. Immerhin sind die Israelis vom aktuellen I - Phone weniger angetan und der Verkauf weist nicht gerade überwältigende Zahlen auf. Trotz all dem Fortschritt und der SMS - Generation, nicht wenige sehnen sich nach Altbewährtem zurück. Einfachheit; ohne großes Brimborium um seine Person und wie toll man doch sei.

Ganz besonders sephardische Juden haben interessante Stories zu erzählen. Von ihrer Einwanderung und dem nicht seltenen Fussmarsch von Marokko oder sogar aus dem Jemen. 50, 60 Jahre ist das bei vielen her und wen interessiern diese Stories in einer Industrie - Ich bin wichtig - Gesellschaft
noch ? Mittlerweile aber veröffentlichten viele Familien ihre Aliyahstories. Wie es war in Kurdistan und die ersten schweren Jahre im Land Israel. Von Kriegen, der Wasserknappheit und dem Anstehen nach Wasser in Jerusalem, dem Hunger und dem teilweise stattfindenden Hass von der aschkenasischen Bevölkerung.

Der Busfahrer war Kurde und hielt die alte Dame, die sich im Nachhinein marokkanischer Abstammung erwies für eine Chalawi aus Syrien. Wie doch die sephardischen Aussprachen im Hebräischen täuschen können.
Die "neue" hebräische Literatur zur sephardischen Aliyah ist wunderbar zu lesen und wer dies als heutiger Neueinwanderer tut, der kommt sich gegenüber der Vergangenheit so ziemlich mickrig vor. Die bequeme Aliyah für Cash - Verwöhnte und die Aliyah der Sepharadim in den späten Vierziger, Fünfziger und Sechziger Jahren, die keinerlei Hilfe bekamen und ALLES selbstaufbauen mussten. Wer ein klein wenig Falir davon haben will, der besuche in Nachlaot (am Machane Yehudah Markt) die kleinen sephardischen Synagogen. Incl. der Syrischen.
Der esse sephardisch auf dem Markt und unternehme einen Trip durch die kleinen Gassen mit beschilderten Häuser in Nachlaot. Der lerne die Lieder der Familie Bannai kennen und den Baum, den einer der Söhne in einem seiner Lieder besang und der heute zur Attraktion israelischer Tourigruppen durch Nachlaot gehört.

Neben israelischen Romanen lese ich selr viel Politisches und Historisches zum Land. Verfasst von Kennern und nicht jedem Journalisten,d er meint, er habe etwas zu sagen. Ein ganz heißer Tipp von mir sind die Bücher von Ronen Bergmann zur israelischen Sicherheit. In seinem Buch "HaMedina Asta Et HaKol - Das Land tat alles" beschreibt er die schwierigen Verhandlungen des Gefangenenaustausch israelischer Soldaten. Ein brilliantes Buch mit unvergesslichen Insights und Fakten. Derzeit für 40 Schekel (ca. 8 Euro) bei "Zomet HaSefarim" oder der Buchhandlung an der Kreuzung Jaffa Street / King George, Strauss zu haben.

"Schabbat Schalom" an alle Leser !

2 Kommentare:

  1. Zum Thema totfrieren. Hier im Norden Deutschlands haben wir ganz aktuell gerade -12°C. 11°C oder gar 18°C kämen mir gerade sehr gelegen.

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  2. B"H

    Na, bei -12 koennte ich nicht mehr leben.:-))) Uebrigens war es am Freitag als ich nach Jerusalem kam, total kalt, aber immerhin trocken. Gestern klarte es auf und die Sonne schien. Genauso wie heute bei 17 Grad in Jerusalem und 22 in Tel Aviv. Ab morgen soll es wieder kalt werden und regnen.:-)

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