Sonntag, 6. Dezember 2009

Gastbeitrag: Die Swiss Connection vs. Resteuropa

Die Schweiz hat per Volksentscheid gewählt. Wie damals, als es darum ging, die europäische Währung mitzutragen. Und wie damals durfte das Volk der Schweiz entscheiden und wie auch damals schlagen auch jetzt wieder die Wellen hoch, denn die Regierung der Schweiz vertritt wirklich die Formen einer modernen Demokratie – sie lässt das Volk direkt entscheiden. War es damals das europäische Unverständnis auf die Ablehnung der künstlichen Währung namens „Euro“, so ist es heute das schiere Entsetzen über den Volksentscheid, der den Bau weiterer Minarette in der Schweiz schlichtweg untersagt. Natürlich haben beide Fälle inhaltlich nichts miteinander zu tun, zeigen aber, das die Wahrung der Werte einer Demokratie nicht heisst, es allen Nachbarn gleichzutun und mit gleich den Wölfen mitzuheulen – nein, es heisst vielmehr, auch unbequeme Entscheidungen zu forcieren, ohne von der eigenen Linie abzuweichen.


Zurück zum Thema – die Muslime dieser Welt sind entsetzt über solch eine offensichtliche Islamophobie und natürlich fordert unter anderem der türkische Ministerpräsident Erdogan seine Glaubensbrüder bereits auf, alles Geld aus der souveränen Alpenrepublik abzuziehen. Die Uno-Menschenrechtskommissarin Navi Pillay hingegen redet offen von einer deutlichen Art der Diskriminierung und ich frage mich an dieser Stelle öffentlich, warum? Warum darf ein demokratischer Staat in der heutigen Zeit eigentlich nicht das Ergebnis einer Abstimmung publik machen, das gegen die Vorstellungen der islamischen Welt ausgefallen ist?


Vorab: Ich bin römisch-katholischer Konfession, aber aufgrund eines regen Interesses für Religion und Geschichte auch sehr an der Geschichte des Judentums und des Islam interessiert und das die Historien dieser drei monotheistischer Weltreligionen sich nicht immer (oder mittlerweile fast nie) auf einen Nenner bringen lassen, sollte jedem klar sein. Wir Christen wurden in den Anfängen unserer Religion verfolgt und massakriert und führten später die Kreuzzüge, die ab Ende des 11. Jahrhunderts den nahen Osten für fast 200 Jahren in ein Meer des Blutes getaucht haben – auch wenn Werte eines Mannes wie Saladin gezeigt haben, das der Islam nicht das Feindbild war, das die Kirche des Mittelalters zu vermitteln versuchte. Das Judentum wurde über Jahrhunderte diskreditiert und diskriminiert – vom Mittelalter bis hin zur deutschen Schande und des Holocausts des 20. Jahrhunderts, die ein jeder Deutscher niemals vergessen sollte.


In Anbetracht all dieser Vergangenheit finde ich es persönlich relativ infam, von einer „Diskriminierung des Islam“ zu sprechen. Wieso diese Entrüstung, dieser Aufschrei des Entsetzens, nur weil eine Regierung innerhalb Europas selbst entscheidet, was auf Ihrem Land gebaut wird und was nicht? Was würde passieren, wenn in einigen islamischen Ländern Kirchen oder gar Synagogen gebaut werden würden? Da gäbe es keinen Volksentscheid, sondern aller Wahrscheinlichkeit nach eine schlichte Lynchjustiz und das Thema wäre vom Tisch – und wenn wir einmal ganz ehrlich sind, kann man der Schweiz nur gratulieren, weil sie mit 57%iger Mehrheit das entschieden hat, was auch eine Mehrheit der Deutschen hier denkt!


Der Unterschied zu uns? In Deutschland hat man nach den Schrecken der jungen Vergangenheit und dem damit verbunden historischen Erbe schlichtweg Angst, offen seine Meinung über diverse Dinge zu offenbaren. Stimme ich als Deutscher gegen den Bau eines Minaretts, bin ich rechtsradikal. Verurteile ich den Bau einer Synagoge, bin ich rechtsradikal und judenfeindlich – und genau dieses Denken herrscht noch in den Köpfen aller vor – ob in Deutschland oder im benachbarten europäischen Ausland, aber das ist eine andere Geschichte, denn darum geht es hier nur um Rande.


Ich muss zugeben, das auch ich, der eigentlich versucht, die Aspekte aller Religionen zu verstehen, eine gewisse Befremdlichkeit verspürt gegenüber der Anzahl der Moscheen hier in Deutschland – 46 Moscheen allein im Grossraum Berlin sprechen hier schon eine deutliche Sprache. Natürlich ist nicht jeder Besucher einer Moschee gleichzusetzen mit einem Dschihad-Kämpfer und nicht jeder Türke ein Extremist, der tagsüber sein Döner verkauft und nachts am eigenen Sprengstoffgürtel bastelt. Doch das Bild, das uns der Islam der letzten zwei Jahrzehnte vermittelt, ist kein friedliches und daran muss gearbeitet werden – ebenso wie an der eigenen Integration. Eine verpasste Integrationspolitik bedingt durch die eigene Abschottung ist nämlich einer der Gründe, warum die Abstimmung in der Schweiz so ausgefallen ist.


Die Vorurteile gegenüber Religionen sind immer der Anlass für Unverständnis und Angst – Angst, die es zu entkräften gilt, Unverständnis, das in Verständnis umgewandelt werden muss. Möchte der Islam sich gleichberechtigt behandelt fühlen, muss er weg von den alteingesessenen archaischen Ansichten hin in das 21. Jahrhundert gehen, wo „Aufklärung“ ein Credo ist. Und er muss realisieren, das die Scharia nicht in jedem Land bedingungslos durchzusetzen ist und sich der Neuzeit öffnen – denn das reine Recht des Schwertes ist heute nicht mehr zeitgemäss.


Das Ziel sollte also Aufklärung und nicht die beleidigte Reaktion eines Herrn Erdogan sein, der sich in seiner Funktion als (bereits in Europa häufig aneckender) türkischer Ministerpräsident auch noch als europäischer Grossmufti verstanden werden möchte. Wenn eine Demokratie mehrheitlich entscheidet und wählt, ist ihrer Funktion entsprochen worden – das muss der Rest von Europa – ganz gleich, worüber abgestimmt wird – endlich anerkennen. Die Schweiz ist hier nur einmal mehr Vorreiter und ein Paradebeispiel für Resteuropa, was hinter der fadenscheinigen Maskerade der Toleranz einfach nicht den Mumm hat, den Entscheid der Schweiz zu unterstützen!
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Kontaktadresse des Autors:


oliver.pifferi@me.com

10 Kommentare:

  1. Es ist tatsächlich unsachlich, das lange Leid der Juden in Europa der Juden mit der Situation der Muslime zu vergleichen, wenngleich es in Europa ganz stark nach übertriebener Islamophobie riecht.

    Wie dem auch sein, zum Volksentscheid sei dies gesagt:

    Nur weil sich ein politischer Entscheidungsfindungsprozess nach den demokratischsten Richtlinien schlechthin richtet, heißt das noch lange nicht, dass die Entscheidung selbst auch dem Geiste der Demokratie entspricht.
    Ich erinnere hierbei an das Schächtverbot im 19.Jh., das von antisemitischen Parolen begleitet wurde.

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  2. B"H

    Nur so ein Gedanke:

    Warum unterscheidet dann Europa ueberhaupt noch zwischen Europaern und Auslaendern, wenn jeder neu Hinzugekommene seine eigene Gemeinde (ganz wie daheim) aufbauen kann ?

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  3. Das lange Leiden der Juden in Europa kann selbstverständlich und in der Tat nicht mit der aktuellen Situation der Muslime verglichen werden, denn letztere haben mehr Freiheiten, als es Juden in Europa über all die Jahrhunderte hatten.

    Der (grobe) Vergleich sollte vielmehr aufzeigen, welche Verbrechen im Rahmen der Religion in der Vergangenheit begangen wurden und weswegen sich jetzt hier aufgeregt wird - demokratische Entscheidungsfindung hin oder her. Das eine Entscheidung mit 57% noch 43% unzufriedene Demokraten hinterlässt, ist logisch - wenn dann aber wieder das Stichwort "Islamophobie" auf den Tisch kommt (wobei der Mensch meistens die "phobos" vor all dem hat, was er nicht kennt!), frage ich mich: Wieso ist das so?

    Diese Frage kann nicht von Europa beantwortet werden, weswegen ich hier einfach auch von Aufklärung gesprochen habe. Angst kann sich nur legen, wenn die Gründe dafür hinterfragt und erklärt werden.

    Ich habe nichts gegen die Religionsfreiheit, dann aber gleiches Recht für alle in allen Ländern und da ist - das muss man zugeben - der Islam leider noch sehr, sehr intolerant!

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  4. Einen interessanten Link habe ich von einem Leser des Beitrags per Mail zugesandt bekommen - dieser zeigt eine interessante Sache aus Schweizer Sicht:

    http://www.weltwoche.ch/ausgaben/2009-45/artikel-2009-45-minarette-kontra-grenzen-der-religion.html

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  5. Nun ist der Islam ja nicht nur eine Religion, sondern eben auch eine Weltanschauung. Damit stellt sich dann die Frage ob eben diese Weltanschauung, die ja auch ihre eigenen Gesetzte hat, überhaupt mit der Demokratie zu vereinbaren ist.

    Einerseits bin ich sehr für Religionsfreiheit und für die offene Diskussion der Religonen untereinander. Andererseits bin ich auch überzeugter Demokrat und habe starke Zweifel an der Demokratiefähigkeit des Islam. Wenn also der Islam mich davon überzeugen kann, dass er Religionsfreiheit auch in Ländern mit islamischer Mehrheit garantiert und dass er unsere Demokratie auf Dauer nicht gefährdet, bin ich gerne bereit, den Bau weiterer Moscheen zu akzeptieren.

    Diese Einstellung bedeutet jedoch keineswegs, dass ich mich jedem Moslem gegenüber ablehnend verhalte, denn als Christ ist für mich nicht die Umma das Maß aller Dinge, sondern jedes Individum hat seinen Wert als Geschöpf G´ttes.

    Dieter L.

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  6. Und genau diese Ablehnung entsteht durch Unwissenheit - ein jeden Muslim vorzuverurteilen, sollte nicht das Mittel sein, um diese Unwissenheit zu überwinden.

    Ein guter Freund von mir ist Muslim - sie glauben gar nicht, wie oft und lange wir über Themen wie dieses (sachlich) diskutieren. Auch da lohnt es sich, die Kehrseite der Medaille zu betrachten. Das Christsein macht mich nicht besser als all die anderen Geschöpfe G-ttes und ist schon gar kein Freibrief zum Seelenheil oder zur Unfehlbarkeit, ganz im Gegenteil!

    Die Frage, ob und inwiefern das Wertesystem des Islams mit einer modernen Demokratie zu vereinbaren ist, ist für mich einer der Kerne der Sache - schön, das Sie das so ansprechen!

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  7. So, Architekt hat Baugesuch fertig. Mal sehen, ob die Behörde mir das Minarett auf dem Dach genehmigt. (Sollte sie mir das Minarett verweigern, werde ich natürlich vor das Bundesverfassungsgericht gehen. Ist doch logisch.)

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  8. Die Schweiz hat nie den Euro abgelehnt, da eine Einführung des Euro in der Schweiz nie zur Diskussion stand.

    Ich nehme an, du meinst die Abstimmung, wo die Schweizer Stimmbürger den Beitritt zum EWR (nicht EU) abgelehnt hat.

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