Sonntag, 4. Januar 2009

Der Preis der Faulheit

B"H

Nein, es ist gewiss nicht angenehm, im eisigen Winter Jerusalems obdachlos herumzuirren. Die Stadt liegt verhältnismässig hoch in den Bergen, was besonders in der Sommerhitze ein paar angenehme kühle Brisen verspricht, im Winter jedoch das Gegenteil verursacht. Wer es als Obdachloser bequemer will, der "ziehe" nach Tel Aviv. Am Strand kann man immer pennen und Duschen sind dort auch reichlich vorhanden. In Jerusalem hingegen sind die Leute manchmal hilfreicher und mehr Suppenküchen zur Armenspeisung sind ebenso vorhanden.

Eine meiner Jerusalemer Cliquen hat sich fast aufgelöst. Nicht, dass nur diese eine Clique besteht, doch ist es stets interessant mitzuverfolgen, wie sich die Leute, manchmal wider Willen, doch noch weiterentwickeln und ihrer eigenen neuen Wege gehen. Fast alle scheinen es geschafft zu haben; einer lebt in New York, einer zog nach Deutschland, wieder einer erscheint gar nicht mehr auf der Bildfläche, sondern widmet sich der Karriere, ich zog nach Tel Aviv und wieder einer kam ganz abhanden, und wir machten uns schon Sorgen. Sorgen deswegen, weil wir wissen, dass er auf der Straße landete. Sein Lebenslauf ist schnell berichtet: Einwanderung aus Rumänien, Armeedienst bei der Grenzpolizei, Arbeit als Security - Guard vor unterschiedlichen Institutionen und dann kam der Bruch. Keinen Bock mehr auf Arbeit und stattdessen nur überzogene Forderungen. Immer wieder flog er aus den Jobs, bekam Stütze, dann wieder eine Arbeitsbeschaffungsmassnahme (in Israel lautet dies "Wisconsin - Plan") und dann knallte es erneut. Seine ABM - Massnahme war ein Zeitarbeitsunternehmen, welches sich auf den Sicherheitsdienst spezialisierte. In Israel läuft soetwas gut, denn nirgendwo ist der Terror so rentabel wie in unserem Land.

Nur sollte man bei derlei Firmen immer vorsichtig sein, denn schnell wird man um einen Teil seines Lohnes betrogen, da die Stunden häufig nicht korrekt abgerechnet werden. Unser Freund T. war happy, doch dann stahl man von ihm 1500 Schekel (ca. 300 EURO) von der Lohnabrechnung und da mochte T. nicht mehr vor einem Supermarkt sitzen und die Taschen der Kundschaft kontrollieren oder vor einer Schule aufpassen, dass nichts geschieht. T. lief davon, zahlte keine Miete mehr und wurde nach sechs Wochen vom Vermieter ausgesperrt, der da einfach das Schloß ausgewechselt hatte. Bei Nacht und Nebel sozusagen und T. stand auf der Straße.

Er ging zu seinem städtischen Sozialarbeiter fragen, ob es keine Unterkunft gebe. Der Beamte wiegelte ab und ob T., denn nicht bei Freunden unterkommen könne. Laut Gesetz stehen Sofortunterkünfte nur Drogenabhängigen oder Alkoholikern zur Verfügung.

Der Winter 2007 stand vor der Tür und T. fand eine Lösung, die da Chabad hieß. Er schloß sich der chassidischen Gruppe an, eben weil sie ihm ein Bett und etwas zu Beißen gab. Als Gegenleistung sollte T. von nun an glauben, dass der letzte Lubawitscher (Chabad) Rebbe der Meschiach sei. T. machte ein wenig mit und jammerte uns ständig die Ohren voll, was das für ein Humbug sei. Aber, naja, er habe ja nichts anderes. Job suchen wollte er niht und so nahm alles seinen Lauf.

Nach neun Monaten Chabad flog er dort auch. T. schlief in Synagogen, liess sich gehen, wusch sich nicht mehr und als jemand indirekt meinte, dass es ja hier so übel rieche, war er ganz verschwunden. Vorgestern nun erfuhr ich, wo T. abgeblieben ist.

Der Winter 2008 stand vor der Tür und irgendjemand kam auf den "genialen" Einfall, der Sozialarbeiter solle T. diesmal zum Junkie (hebräisch: Narkoman) schreiben. Der Trick funktionierte, T. hat sein Essen und eine Unterkunft, doch in einer Sozialstelle für Narkomanim. Dort kann er nun nicht weg, denn er ist an die Heimregeln gebunden. In seiner Akte ist "Junkie" vermerkt.
Der Rest der Clique nennt dies "den Gipfel der Faulheit".

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