Montag, 19. Oktober 2009

Rosch Katan

B"H

Jobinserate in den Tageszeitungen erwähnen einen "Rosch Gadol".
Wer diese Stelle haben will, der brauche einen "großen Kopf", also einen "Rosch Gadol", was soviel bedeutet wie, der Bewerber sollte mitdenken.

Anfangs fragte ich mich immer, warum der "Rosch Gadol" - Vermerk ausdrücklich in einer Suchanzeige steht. Versteht es sich nicht von selbst, dass jemand, egal, wo er arbeitet, zu einem gewissen Grad mitdenkt ?

Viele Israelis sagen "Ja, klar", doch beim gemeinsamen Arbeiten, erlebt man das Gegenteil.
Ab und zu kommen da schon einmal die Sehnsüchte nach der deutschen Ordnung auf. Nicht zuviel Ordnung, versteht sich, denn irgendwo hat man sich ja schon an das israelische Chaos gewöhnt.

Ich rede hier nicht vom israelischen Fast - Dauerzustand "Ejn Li Koach - Ich habe keine Lust", sondern vom "großen Kopf", der besser öfters immer kleiner wird "Rosch Katan".
"Was man mir nicht sagt, mache ich nicht !" - so lautet die Devise.
In der Bäckerei haben wir nicht gerade ständig, doch oft Personalwechsel. Unten im Laden jobben fast nur Studenten im Verkauf. Für wenig Stundenlohn und ich weiß nicht, wie sie überleben. Jemand sagte mir, dass ja alle von denen Eltern haben, welche die Kinderlein unterstützen.


Erkläre ich heute einem der Verkaufskräfte die Arbeit, muss ich morgen das gleiche tun. Und so setzt sich die Erklärungsprozedur fort.
Viele weigern sich einfach, Verantwortung zu übernehmen, denn da läuft man Gefahr, bei Problemen eines auf den Deckel zu bekommen. Da bleibe ich doch lieber still und mache ausschließlich nur das, was man mir gerade, in diesem Moment, aufträgt. Brachte ich gestern noch den Müllsack nach draußen in den Container, wurde mir gesagt, dass dies mit in meinen Tätigkeitsbereich fällt, so warte ich morgen darauf, dass mir jemand sagt, ich solle den Müll raustragen. Und wenn mir das keiner sagt, ja, dann mache ich das einfach nicht, denn es hat mir ja keiner was gesagt.

Es kommt bei diesem Verhalten weniger auf den Bildungsgrad an, sondern auf ein Gesamtverhalten, was sich vor allem bei jungen Leuten ausbreitet. Tut man mehr als aufgetragen, kommt die Rüge, wieso man das jetzt mache, denn dafür werde man nicht bezahlt, weil es in den Tätigkeitsbereich eines anderen Mitarbeiters falle. Und wenn keiner die auf den Boden gefallenen Kekse einsammelt und in dem Müll wirft, wird halt den ganzen Tag draufrum getreten. Ist mir doch egal, denn es sagt ja keiner was. Und wenn einer was sagt, bin ich in der Raucherpause und habe eh keine Zeit.

Die wenigen Leutchen, die bei uns mitdenken, sind genervt und sagen sich: "Wieso soll ich mich hier kaputt schuften ?"

Manchmal frage ich mich, wie dieses Land überlebt ?

4 Kommentare:

  1. Hallo Miriam,
    ich hab eine Frage, die überhaupt nichts mit deinem aktuellen Blogeintrag zu tun hat, aber ich weiß sonst grad nicht wen ich fragen könnte.
    Kennst du einen online Buchladen der Belletristik im jiddischen Original (zB von Isaac Bashevis Singer) führt und auch nach Deutschland sendet? Irgendwie bin ich bei meiner Suche bisher ergebnislos geblieben. Alle Bücher finde ich immer nur in Übersetzung.
    Gruß,
    Liora

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  2. In der Literaturhandlung gibt es auch Bücher von Singer und vielen anderen in Jiddisch:

    http://literaturhandlung.com/index.php?cPath=15&sort=2a&page=4

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  3. Ohh! Vielen vielen liebsten Dank!! Genau das was ich gesucht habe!

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