Sonntag, 3. Januar 2010

Ohne ein Wort des Abschieds

B"H

Eine ältere Bäckerin (T.) bei uns in der Bäckerei kündigte schon vor Monaten an, sie wolle jetzt demnächst in Rente gehen. Jeden Monat kündigte sie neu und keiner nahm es mehr ernst. Beliebt war sie nicht, denn lästerte sie jedem hinter dem Rücken nach. In der Nachschicht spielte sie sich zusammen mit ihrem Sohn (er ist auch Bäcker) auf wie die Queen. Im Sommer kam der Einbruch, denn unser Boss begann, seine halbe Sippe im Unternehmen einzuquartieren. Damit begann das Ende der friedlich faulen Mittwoch - Donnerstag - Nachtschicht. So wurde von 4.00 - 6.00 Uhr früh nicht mehr am Tisch gesessen und gefrühstückt bzw. danach auf dem Holzbacktisch gepennt. Jetzt musste so richtig gearbeitet werden und das passte der Bäckerin am allerwenigstens in den Kram. "Control Freak", so nannten wir sie, aber damit war es endgültig vorbei.

Unzählige Mitarbeiter liefen ihr davon. Sie selber backte Pizzas (Fukatschot) oder Teig mit Humus - oder Gemüsefüllungen (Sambussakim) sowie Pitot. Dazu benötigte sie eine zweite Person, denn allein war die Arbeit nicht zu schaffen. Sämtliche Mitarbeiter liefen ihr davon und sie stöhnte bei jedem Treppenschritt über Schmerzen im Knie. Natürlich nur dann, wenn jemand in der Nähe war und sie bedauern konnte.
Kurz gesagt, sie ging uns auf die Nerven.

Am Ende bekam sie einen französischen Neueinwanderer zum Anlernen und man wollte einen zweiten Mann suchen, denn die T. kündigte einmal wieder ihren Abschied an. Die zwei Neuen arbeiten richtig und sind pflegeleicht; ganz im Gegensatz zur Bäckerin, die da jahrelang meinte, ohne sie ginge nichts und die Kundschaft liebe nur ihre Produkte.

Mittwoch nacht erschien sie nicht, obwohl sie noch zwei Arbeitstage vor sich hatte. Morgens lästerte mir eine Angestellte unten aus dem Laden, dass T. am Vortag einen kräftigen Streit mit dem Franzosen vom Zaume gerissen hatte, der da nicht so wollte wie sie. Eine Lapalie, doch T., die Bäckerin, packte ihre Klamotten. Ohne ein Wort oder Abschiedsparty verschwand sie nach Hause.

Seither ist es ruhig. Kein Gekeife mehr, sondern es wird gearbeitet. Die zwei Neuen werden zwar noch einige Zeit brauchen, um sich endgültig einzugewöhnen, doch das wird schon noch. Der Knackpunkt jedoch bleibt die Nachschicht von donnerstag auf freitag, denn T. kündigte mir Stunden vor ihrem Abmarsch an, sie wolle dann auf Besuch vorbeischauen. Ein Telefonat oben an ihren Sohn und der schliesst ihr die Türe auf. Ich sehe sie schon, wie sie dem Franzosen alles besser wissen will und dann knallt es.

So sehen Leute ohne Lebensinhalt aus und ich beneide T. weiß G - tt nicht. Bedauern tue ich sie dennoch nicht, nach all der Lästershow, die sie seit Jahren abzog. Wesentlich mehr Ruhe ist jetzt schon eingekehrt.

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