Montag, 18. Januar 2010

Die Frustrierten

B"H

Abends begann der Regen. Heute morgen hat sich der Himmel  aufgeklärt und der riesige Guß fand vorerst ein Ende.

Im Monat Januar scheint die halbe Belegschaft unserer Bäckerei Geburtstag zu haben. Ständig wird Geld für ein weiteres Geschenk eingesammelt und ich weiss nicht mehr, was ich in den letzten zwei Wochen investierte habe. Da ewiger Belegschaftswechsel unten im Laden herrscht, kommen zusätzliche Geburtstage hinzu und einen Teil der Verkäufer kenne ich gar nicht mehr.
Seit Jahren verzichte ich auf ein Geburtstagsgeschenk und hoffe, dass mich keines im nächsten Monat ereilt. Seitdem ich einen rosaroten Schlafanzug Pompoms bekam, reicht es. Diejenige, die für die Geschenke zuständig ist, hat eine Mentalität wie eine 10 - jährige. Selbst ihr Klingelton am Handy schreit "Mama, Mama". Sie selbst überstand gerade ihren 39igsten Geburtstag und morgen abend richten wir ihr eine Party aus.

Dass sie 39 Jahre alt ist, verschweigt sie lieber. Irgendwie will sie religiös sein und dann wieder nicht. Offiziell fand sie ihren relig. Weg, dennoch kommt sie täglich mit neuen Ideen daher. Einmal wie sie Breslov, dann wieder Chabad, dann einen reichen Amerikaner, dann einen Israeli. Morgen einen Nationalrelig. und heute einen Haredi (Ultra - Orthod.). Übermorgen dann will sie doch säkuler leben.
Das ganze Hin und Her bringt sie, relig. betrachtet, nicht weiter, denn gerade in der jüdisch - relig. Gesellschaft wird geheiratet. Besagte Person war schon bei unzähligen Schidduchim (Blind Dates), aber nie konnte (wollte) sie sich entscheiden. Jetzt hängt sie teilweise frustiert da und jammert wegen ihren 39 Lebensjahre. Eine Veränderung aber ist nicht in Sicht.

In Deutschland erlebte ich diese Singlefrustration weniger. Man war halt Single, auf der Suche bzw. auf einer richtig ernsthaften oder gar keiner Suche. Eine Bekannte (ursprünglich aus Polen) hatten einen Freund nicht weil sie ihn liebte, sondern damit sie nicht allein war. Die Angst vor Einsamkeit hingegen war in meinem deutschen Bekanntenkreis fast schon tragisch verbreitet. In Israel erlebe ich das weniger, denn man kennt sich halt. Geborene Israelis verfügen gewöhnlich über einen weitreichenden Bekanntenkreis. Viele Neueinwanderer aber haben dieses Einsamkeitsgeklebe an sich. Sie wollen nicht allein sein und heften sich an andere Leute, sobald diese ihnen nur einen freundlichen Blick zuwerfen.

Einerseits habe ich Verständnis für derlei Verhalten, andererseits auch wieder nicht. Ich muss doch nicht ständig jemanden um mich haben, nur damit ich mich nicht einsam fühle. Ich bin gerne allein; mit einem guten Buch, einer Tasse Kaffee oder einfach nur so.
Bei anderen wiederum kommt in dem Moment die Panik auf und sie greifen zum Handy. "Wen kann ich anrufen und wer hat Zeit ?"

Das Allerschlimmste ist, dass solche Leute absolut nichts allein unternehmen. Ich hingegen gehe allein ins Kino oder an den Strand. Einen ganzen Clan muss ich nicht dabeihaben. Manchmal rufen mich Bekannte zu den ungewöhnlichsten Zeiten an. Wenn sie wissen, dass ich nachts in der Bäckerei arbeite, stehen sie auf der Matte und ich bin gezwungen, sie regelrecht rauszuschmeissen. Schließlich muss ich arbeiten und bin keine Einsamkeitstherapie.
Mittlerweile habe ich mir angewöhnt, diverse e - mailanfragen abzuwimmeln und die Wahrheit zu sagen: Nämlich das ich arbeiten muss. Oftmals herrscht dann Sendepause, denn sobald eine entsprechende Person dies liest, ist sie noch dazu beleidigt.
Wenigstens habe ich dann meine Ruhe !

Und morgen geht es kurz auf die Party, wo wir die Kollegin erneut aus ihrer Frustrationsphase bringen wollen. Bis zum nächsten Geburtstag dann …

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