Dienstag, 13. April 2010

Stolz auf sein Land

B"H

Den gestrigen "Yom Hashoah" haben wir "überstanden". An alles habe ich während des zweiminütigen Sirenentones um 10.00 Uhr früh gedacht, nur nicht an den Holocaust.

Wochen zuvor hatte ich mir auf Youtube einige Auschwitz Videos angeschaut, und um nicht an die Bilder denken zu müssen, starrte ich beim Sirenenton auf ein Buch und fragte mich, ob es nicht sinnvoller sei, Thora zu lernen oder Tehillim (Psalmen) zu sagen, anstatt einfach so zu stehen.

Die Nation bereitet sich mit Vollgang auf die nächste Woche vor. Am Sonntag abend bzw. Montag ist "Yom Hazikaron - Gedenktag für gefallene Soldaten". Ein Tag, mit dem fast jeder Israeli aktiv etwas anzufangen weiss, denn wer kennt keine Familie oder Angehörigen, die in den Kriegen des Staates Israel oder bei Terroranschlägen ums Leben kamen. Da kann sogar ich mithalten.
Ein furchtbarer Tag; ebenso mit Sirenenton und diesmal sogar zweimal. Einmal am Sonntag abend und dann am Montag morgen.

Montag abend springt die Stimmung von Trauer abrupt auf Freude um. Dann nämlich beginnt mit dem Einbruch der Dunkelheit der israelische Unabhängigkeitstag "Yom Ha'azma'ut". Von den Tränen rein in die Parks und ran an den Grill (Mangal). Auf diese Weise wird die Geschichte des jüdischen Volkes dargestellt. Trauer, Freude, Trauer, Freude ….

Und so sehen wir sie wie jedes Jahr an den Kreuzungen stehen: Jugendliche, die Israelflaggen zum Anstecken ans Auto verkaufen. Steht die Ampel auf rot.. laufen die Jugendlichen auf und ab und versuchen ihre Fahnen an die wartenden Autofahrer zu verscherbeln. Ein Tipp: Im Laden sind die Flaggen billiger und die großen Tageszeitungen geben in ihren Unabhängigkeitstag - Ausgaben, Flaggen als Beilage aus. Umsonst !

Unsere Straßen und Autobahnen wurden schon vor Pessach stark beflaggt. Israel ist stolz auf sich und die Bewohner sind patriotisch. Zumindest die Mehrheit. Israel hat etwas erreicht, auch wenn nichts perfekt scheint und fast alle der Meinung sind, in keinem Land gehe es so dämlich zu wie bei uns. Wir lassen alle rein (Gastarbeiter) und sind so doof, die aufzunehmen. Wir lassen uns zuviel von den Palis gefallen und die USA hätten da schon längst mit denen Tabularasa gemacht. Nur unsere Regierungen sind immer zu doof. "Ha Aretz Ha Mefageret Hasoti - Dieses dämliche zurückgebliebene Land". Nur hier geht es so zu und das kotzt uns an, doch wir machen alle mit. Schimpfen ist der Hauptsport in unserem Land. "HaChaim baSewel - Das Leben ist im Abfall", doch kriechen wir auch weiterhin durch den Dreck. Trotzdem legen wir am Unabhängigkeitstag begeistert das Steak auf den Grill und strecken uns im Park auf der Liegewiese aus. Soweit das möglich ist, bei all den Hunderten von Massen drumherum, die auch da liegen und grillen. "Jeder auf seinem kleinen Territorium", so erklärte es mir ein Arbeitskollege.

Der Mangal (Grill) hat Kultstatus und "Al HaEsch - Auf dem Feuer (Grillen)" ist nicht nur Prolosport. Am Unabhängigkeitstag braucht man nur wenige Dinge: Einen Fernsehen, um morgens das traditionelle Bibelquiz zu schauen, an welchem jüdische Jugendliche Persönlichkeiten aus der Thora identifizieren. In diesem Jahr geht es spannend zu, denn der jüngste Bibi Netanyahu Sohn, Avner Netanyahu, kam in die Endausscheidung. Danach schreitet der Israeli zum Grill. Holzkohle, Feuer, Steaks oder Würstchen drauf und dann wird sich hingelegt und Unabhängigkeit gefeiert. Ein Tag frei und die Sonne scheint. Die Luftwaffe bietet Flugshows über Jerusalem oder dem Tel Aviver Strand und das Land ist stolz.

Ich grille nicht und lege mich auch nicht wie eine Sardine in einen der Parks, wo der Nachbar neben mir orientalische Musik von Kobi Peretz dudelt. Nein, ich gehe an den Strand und hoffe, dass mir die Masse nicht ihren Müll aufs Handtuch wirft. Niemand malt sich die Abfallberge aus, welche die Müllabfuhr am Tag danach zu beseitigen hat. Israelis und ihr Müll, das ist nach wie vor ein kleiner Problem.

Tel Aviv bietet viel, Jerusalem lässt ein Konzert am Zion Square steigen. Dazu die Jerusalemer Spezialität des Sprühschaumes. Meist junge Leute sprühen aus den Spraydosen auf alles, was sich bewegt. Früher wurde sich gegenseitig mit einem Plastikhammer auf den Kopf geschlagen, heute dagegen hat sich der Hammer in ein großes aufblasbares Etwas verwandelt. Aber wer braucht noch den Hammer, wenn es den Schaum gibt ?

Klingt seltsam ? Woher diese Traditionen kommen, wissen heute viele nicht mehr zu sagen, doch am Unabhängigkeitstag müssen Hammer und Schaum her, sonst ist der Tag nichts.

Tel Aviv feiert am Kikar Rabin vor dem Rathaus. Mit allem Pomp, Politikern, Sängern und heimischer Prominenz. Wenn ich Glück habe, stehe ich in der zwanzigsten Reihe und schaue dem Treiben samt Feuerwerk zu. Wer nicht dabei ist, der kann die Show life im israelischen TV verfolgen. Ob Punker oder Nationalreligiös, wir sind stolze Israelis. Selbst dann, wenn am folgenden Tag "sich das Leben wieder gen Abfall bewegt".

2 Kommentare:

  1. Ich finde diese Macken und Sitten, die Du beschreibst sehr sympathisch. Der Stolz, die Selbstverlebtheit aber auch die übermäßige Selbstkritik und Zweifel machen ein lebendiges und demokratisches Land aus. Ich finde man kann Euch nur lieben, wie in einer guten Beziehung, wo auch nicht immer alles glatt läuft und man den Partner trotzdem sehr lieb hat. Weiter so Israel, auf die nächsten 62 Jahre!

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  2. B"H

    Naja, wir laestern ueber unser Land, Kritik wird mehr als genug geuebt, doch irgendwie finden wir am Ende fast alle zusammen und zeigen Stolz.:-)))

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