B"H
Längst nicht alle Holocaust - Überlebenden und ihre Nachfahren zeigen sich vergebungsvoll gegenüber Deutschland. Insbesondere in Israel und einmal in London traf ich auf Überlebende, die bis heute keinerlei Produkte "Made in Germany" kaufen. Der Klang der deutschen Sprache ("raus, schnell schnell") weckt nach wie vor dunkle Erinnerungen. Die Tochter eines aus vor dem Krieg nach Israel eingewanderten Wieners berichtete mir, dass sich ihr Vater zeitlebens weigerte, irgendwelche deutschen Entschädigungszahlungen auch nur zu beantragen. "Sie haben unsere Eltern und Geschwister umgebracht und dafür gibt es keine Entschädigung", so der Vater der Frau.
Deutschland, nein danke !
Es gibt bis heute genügend Juden, auch der jüngeren Generation, die das so halten.
Zu Beginn der 90iger Jahre kam ich einmal aus Israel zurück. Der Flug ging nach London mit Zwischenstopp in Frankfurt / Main. Einige der älteren israelischen Passagiere wussten nichts von dem Zwischenstop in Deutschland, denn erst im Nachhinein waren beide Flüge von der ELAL zusammengelegt worden. Als der deutsche Zwischenstopp bekanntgegeben wurde, kam es fast zu einem Tumult. Man wolle nicht nach Deutschland ! Noch nicht einmal für eine halbe Stunde !
Letztendlich landeten wir dann doch und die Gesichter der "Aufrührer" waren verbissen und schweigend sassen sie da.
Jetzt gedachten ca. 60 Überlebende der Befreiung von Bergen - Belsen und wurden Opfer der Aschewolke aus Island. Was für ein Gefühl ausgerechnte in Deutschland festzusitzen.
Ob man heute noch als Deutscher in Israel dumm angemacht wird ?
Es kann passieren. Meist jedoch nicht unbedingt angemacht, sondern der Gesprächspartner wendet sich ab und lässt einen wortlos stehen.
Ende der Diskussion ! Dies geschah einige Male in einem meiner alten Ulpankibbutzim (Sprachkurs). Eine "Aktion Sühnezeichen" Zivi - Freiwilliger hatte es nicht immer leicht bei seinem Einsatz im Kibbutzaltenheim.
Insgesamt geben sich Israelis freundlich, viele jedoch weiterhin distanziert oder abwartend, was oder wer dort aus Deutschland kommt. Soweit mir bekannt ist, gibt es immer noch Kibbutzim (Beispiel: Yad Mordechai) , die keine deutschen Voluntäre aufnehmen.
Auf der anderen Seite gewöhnten sich nicht wenige deutsche Touristen an, lautstark durch israelische Cafes zu schreien. Ich selbst bin einige Male Zeugen dessen geworden. Unter anderem im Jerusalemer Cafe "Hillel" in der Jaffa Road.
Interessant.
AntwortenLöschenAber irgendwie auch komisch, dass ausgerechnet die Schoah-Überlebenden, die heute in Deutschland leben, keinerlei Probleme dieser Art mit den Deutschen haben.
Aber auch das lässt sich soziologisch leicht erklären.
PS: Ich hoffe doch, dass jüdische Freiwillige aus Deutschland in Jad Mordechai willkommen sind ;)
B"H
AntwortenLöschenGut, dass Du das Thema anschneidest.
Was ich feststellte ist, dass es einen gravierenden Unterschied zwischen Shoah - Ueberlebenden aus Deutschland sowie Osteuropa gibt. Waehrend nicht wenige deutsche Shoah - Ueberlebende wieder nach Deutschland zurueckkehrten bzw. sich dort niederliessen, wollen ungarische Ueberlebende nichts mit Deutschland zu tun haben. Ungarn, Rumaenen, Russen oder Polen. Jene, die in Israel leben.
Die Abneigung gegenueber Deutschland ist bei den ungerischen Ueberlebenden (in Israel wohnend) ganz besonders hoch.
Natuerlich gibt es deutsche Ueberlebende, die ebenso mit Deutschland nichts mehr zu tun haben wollen. Bei einem meiner weniger Besuche in der Nuernberger Synagoge (da reform) lernte ich den einstige Pfoertner kennen. Das war vor vielen Jahren und ich weiss nicht, ob er ueberhaupt noch lebt.
Er jedenfalls hatte eine Auschwitznummer auf dem Arm und ich fragte ihn, warum er in Deutschland lebe. Weil das seine Heimat sei, so lautete seine Antwort.
Deutschland, die Kultur oder die Sprache hatten etwas, was es den Ueberlebenden oder Immigranten schwer machte, sich anderswo in der Welt zurechtzufinden.
Ich las einmal ein Buch von einem dt. ausgewanderten Juden, der sich partout nicht in Israel zurechtfand und nach Deutschland zurueckkehrte. "Nicht gemacht fuer Israel", oder so aehnlich, hiess das Buch.
Zum Kibbutz:
Normalerweise ist es so, dass ein potentieller Volontaer sich bei dem Kibbutz Office in Tel Aviv (Frishman Street) einfindet. Dort bekommt er Angebote und es wird Dir nicht verkuendet, dass der oder der Kibbutz keine deutschen Volontaere aufnimmt. Du bekommst sie ganz einfach erst gar nicht angeboten, denn die Angestellten im Kibbutz Office wissen um die Ideologie des Kibbutzes.
Naja, aber die Menschen, die man heute in Abgrenzung zu den Zuwanderern als "deutsche Juden" bezeichnet, sind in der Mehrheit selbst osteuropäische Juden, die in den DP-Camps hängen geblieben sind oder ähnliches(so trifft es auf meine Familie mütterlicherseits zu. Väterlicherseits sind alle Jeckes ;)). Vermutlich blieb ihnen nichts anderes übrig, als zumindest nach außen ihren Frieden mit Deutschland zu machen.
AntwortenLöschenZum Kibbutz:
Mit diesem Procedere habe ich auch schon so meine Erfahrungen gemacht ;) Ich werde ab dem Sommer ein paar Monate in Sde Boker sein. Da ich dort Freunde habe, wollte ich unbedingt dort hin, aber erstmal sollte ich das über Tel Aviv klären. Aber naja, letztendlich haben wir es als privaten Besuch geregelt ;)
Mir ging es aber darum, dass es doch merkwürdig wäre, deutsche JUDEN nicht bei sich haben zu wollen ;)
B"H
AntwortenLöschenUps, das hatte ich tatsaechlich vergessen zu erwaehnen:
Deutsche Juden duerfen in ALLEN Kibbutzim volontieren. Nur deutsche und vielleicht auch oesterreichische (?) Nichtjuden sind von einigen wenigen Kibbutzim mit einer hohen Anzahl von Holocaust - Ueberlebenden ausgeschlossen.
In Sde Boker war ich ein einziges Mal. Aber noch Ende der 80iger Jahre mit meinem damaligen Ulpan aus Revivim.
Ist doch ganz nett dort und am Grab von Ben Gurion samt Ehefrau Paula waren wir auch. Allgemein ist aber nicht viel los mitten in der Wueste.:-)
Interessant, nur deckt sich dass nicht mit meinen Erfahrungen. Es mag ja reiner Zufall sein, dass meine Erlebnisse vöölig andere sind, aber irgendwie bin ich jetzt irritiert.
AntwortenLöschenEs hätte mich nicht gewundert, wenn mich in Israel jemand beschimpft hätte. Dafür hätte ich Verständnis gehabt und solche Erfahrungen habe ich als Heranwachsender auch in den Niederlanden schon gemacht. Das Gegenteil war jedoch der Fall. Überall wo Israelis in dem Plattdeutsch, mit dem ich mich mit meiner Frau unterhielt, einen deutschen Dialekt erkannten, wurden wir nach unserer Herkunft gerfragt und sehr freundlich behandelt.
Was osteuropäsiche Juden betrifft, so kommen doch die meisten z.Zt. in Deutschland lebenden Juden aus Rußland. Wenn der Hass auf alles Deutsche dort noch so groß ist, kann ich mir nicht erklären, wieso sie ausgerechnet nach Deutschland auswandern. (Im Grunde kann ich überhaupt nicht verstehen, wieso ein Junde in einem anderen Land leben möchte, als in Israel.)
Schöne Grüße
Dieter L.
B"H
AntwortenLöschenIiihhh, Plattdeutsch.:-)
Vielleicht dachten ja manche, es sei Jiddisch oder man hatte zuviel Ohnsorg Theater geschaut.:-))))
Die Niederlaender sowie einige New Yorker gehen sicherlich anders mit den Deutschen um. Es kann schon einmal zu Schreien kommen. In Israel ist das eben, wie beschrieben, kaum der Fall. Dafuer kann es passieren, dass man gemieden wird bzw. derjenige Israeli nicht mit dem Touristen spricht. Der Tourist seinerseits muss das gar nicht bemerken, dass da Abstand genommen wird.
Mit den osteurop. Juden verwechselst Du etwas:
Ich meine damit jene Holocaust - Ueberlebenden, die gleich nach der Staatsgruendung nach Israel kamen und nicht die heutigen Russen.
Es gibt in Israel sehr grosse Ueberlebende - Gemeinden aus Ungarn , Rumaenien, Tschechien, Polen oder Litauen.
Wir wurden bei keinem unserer Israel-Besuche dumm angeredet (obwohl ich es insgeheim erwartet und auch Verständnis dafür gehabt hätte). Im Gegenteil. In einem Geschäft half mir ein israel. Student etwas zu finden, das ich suchte (er hörte mich "leise" deutsch reden).
AntwortenLöschenIn Yad Vashem sprach mich ein Israeli an, der mich der Sprache wegen als Deutsche erkannte. Zuerst war ich etwas erschrocken, weil ich glaubte, von ihm vielleicht beschimpft zu werden. Aber er wollte sich mit mir über das jetzige Deutschland unterhalten. Das taten wir lange und ausgiebig.
Außerdem waren wir (2 Familien)an einem Abend bei einer ehem. deutschen Familie eingeladen, die der Shoah gerade noch entkommen war. Es war ein sehr netter, lebhafter, aufschlußreicher Abend für alle (einschl.Briefkontakt). Zum Abschied bekamen wir hilfreiche Tipps zur Benutzung eines Taxis in Israel, die uns bis heute gut geholfen haben.
Ich kann nur von positiven Eindrücken berichten, die ich auch u. a. in meine beiden Romane verarbeitete.
Margot
B"H
AntwortenLöschenWie gesagt, die eigentlichen "Abneigungen" werden meist nicht offen gezeigt, sondern eine Unterredung wird unterbrochen und nicht fortgesetzt.
Man ist freundlich doch distanziert.
Vielleicht nicht bei den Gelegenheiten, die Margot beschreibt, doch es gibt auch andere Erfahrungen, die einem auf den ersten Blick gar nicht so bewusst werden.
Ich denke mir doch, dass zumindest die Leute die hier im Blog schreiben, solche Reaktionen sehr wohl bemerken würden, denn wer sich mit Israel und dem Judentum beschäftigt, müßte eigentlich dafür sensibilisiert sein. Es mag ja sein, dass Margot und ich deswegen diese positiven Erfahrungen gemacht haben. Auch hier gilt ganz sicher: "Wie man in den Wald schreit, so schallt es heraus." Nach dem Besuch von Yad Vashem meinte ein israelischer Taxifahrer z. B. mich beruhigen zu müssen und erklärte mir recht lange, dass meine Generation nicht für die Taten verantwortlich währe, sondern dafür, dass sich so etwas nicht wiederholen kann.
AntwortenLöschenUnd mach mir mein Plattdeutsch nicht schlecht, sonst komme ich nach Jerusalem. Wer mich sieht, bekommt einen solchen Schreck, dass dagegen der plattdeutsche Tonfall ein Kinderspiel ist. (Schließlich hat man in Ostfriesland extra Gräben neben der Straße, damit wir Ostfriesen beim Gehen unserer Arme ausstrecken können.)
Dieter L.
"Interessant, nur deckt sich dass nicht mit meinen Erfahrungen. Es mag ja reiner Zufall sein, dass meine Erlebnisse vöölig andere sind, aber irgendwie bin ich jetzt irritiert."
AntwortenLöschenSie decken sich mit den wenigsten Erfahrungen. Als wir deutsch geredet haben, kam man uns zb. B. sogar ohne Bitte auf deutsch zur Hilfe, als wir etwas suchten.
Auch sonst kenne ich keine negativen Erfahrungen, eher das Gegenteil, wie z.B. im Kibbutz in denen es auch Überlebende gab. Nie ein böses Wort oder Ablehnung. Auch hier eher das Gegenteil.
Ich habe heute noch engen Kontakt zu Israelis.
B"H
AntwortenLöschenEs kommt halt immer darauf an, wenn man trifft.
Die plattdeutsche Morgenandacht im niedersaechsischen Radio ist furchtbar. Wer soll denn das verstehen ?
Die arabischen Händler in der Jerusalemer Altstadt versehen es jedenfalls nicht. Somit eignet sich diese "Geheimsprache" hervorragend dazu, sich diese aufdringlichen Typen vom Hals zu halten.
AntwortenLöschenAber eigentlich hat das ja nichts mehr mit dem eigentlichen Thema zu tun.
Loat die dat goet gaan. (Laß es dir gut gehn, bzw. alles Gute.)
Dieter L.