Donnerstag, 10. Juli 2008

Wie im Iran …

B"H

Am späten gestrigen Nachmittag stattete ich einmal wieder der haredischen (ultra - orthod.) Stadt Bnei Brak (bei Tel Aviv) einen Besuch ab. Vom Azrieli - Tower in Tel Aviv nahm ich die Buslinie 54 nach Bnei Brak. Auf dem Fahrplan an der Haltestelle sah ich, dass die 54 am Kiryat Vishnitz endet. Kiryat Vishnitz ist der Stadtteil der chassidischen Gruppe Vishnitz mitten in Bnei Brak. Wow, stellt man sich da vor, da mag es ja zugehen. Iranmässig und so, alles vermummt und nur "wilde" Orthodoxen.
Wider Erwarten war dann die Linie 54 alles andere als religiös. Jeder sass, wo er wollte und viele zählten noch nicht einmal zur haredischen Bevölkerung.

Bis zum Kiryah wollte ich allerdings nicht weiterfahren, denn immerhin war es schon 17.00 Uhr und ich beabsichtigte durch die zwei Einkaufsstraßen (Rabbi Akivah und Chazon Ish) der Stadt zu schlendern. Außerdem wollte ich mir die lokale Buslinie 1 anschauen, von der ich gehörte hatte, dass sie über eine absolute Geschlechtertrennung verfüge.

Geschlechtertrennung - Männlein und Weiblein - sitzen auch in anderen Bussen getrennt, doch sei es in der Linie 1 ganz extrem. Dort hänge nämlich eine Art Vorhang in der Busmitte und man könne die andere Seite nicht einsehen. Praktisch gesehen fragte ich mich, wo ich denn da einsteigen soll. Normalerweise steigen selbst in nach Geschlechtern getrennten Bussen die Frauen vorne beim Fahrer ein. Schließlich muß man ja irgendwo zahlen.
Wie aber läuft es in der 1 ab ?

Leider fand ich die Linie 1 dann nicht und ich suchte auch nicht groß herum. Beim nächten Mal aber garantiert, denn es interessiert mich, was das für ein Gefühl ist als Frau irgendwo im Hinterteil eines Busses hinter einem Vorhang zu sitzen.

Die Mehrheit der orthodoxen Juden ist gegen eine Geschlechtertrennung in israelischen Bussen. Wer von wilden Protesten und Forderungen einiger Haredim (Ultra - Orthod.) hört, die da so auf Geschlechtertrennung pochen, bekommt einen falschen Eindruck. Bei all dem Aufruhr möge man glauben, dass alle Haredim so sind. Dies wiederum entspricht ganz und gar nicht der Realität. Erstens ist einmal zu beachten, dass es bei vielen haredischen Forderungen vordergründig um Machtproben geht.
Zweitens halten sich viele Haredim an die bestehenden Geschlechtertrennungen in den Bussen selber nicht. Man pfeift drauf und sitzt, wenn verheiratet, mit seiner Frau irgendwo in der Busmitte zusammen. Kaum jemand regt sich bei Mißachtung auf. Dies kann ich von den Egged - Bussen in die haredische Stadt Beitar oder Kiryat Sefer nur bestätigen. Und selbst in den Bnei Brak - Bussen, wie der Linie 2, plaziert sich jeder, wo er will.

Bnei Brak ist bekannt für seine Strenge, doch lernt man, wenn man sich oft dort aufhält, viele Dinge einfach zu schätzen. Dinge, die einem ansonsten gar nicht so auffallen. Da ist zum Beispiel Israels einiziges Frauenkaufhaus, in welchem eben nur Frauen zugelassen sind. Erstaunen tut dies schon lange niemanden mehr, denn im Jerusalemer Mea Shearim sowohl als auch in Bnei Brak hängen vor vielen Läden Schilder aus, dass hier nur "anständig" angezogene Leute bedient werden.

Klingt das nach Iran oder undemokratisch ?
Mag sein, aber wenn mir derlei Vorschriften nicht passen, dann gehe ich von vornherein gar nicht in solche Stadtteile bzw. kaufe nicht in derlei Geschäften ein. Als ob es keine anderen Läden gebe.

Zum Frauenkaufhaus ist zu sagen, dass nicht nur relig. Frauen es vorziehen, dort einzukaufen. Endlich einmal shoppen ohne manchmal lästige Männerblicke oder das Gemäkele des Gatten, man solle sich doch endlich einmal beeilen. Das Kaufhaus kommt jedenfalls gut an.

Das Schlimmste in Bnei Brak könnte in der Zukunft Realität werden. Unbekannte Fanatiker haben es schon ausprobiert; in Bnei Brak genauso wie in Beit Shemesh. Männer und Frauen sollen getrennte Gehsteige benutzen. Jede Straßenseite für ein anderes Geschlecht. Inoffizielle Schilder hingen schon aus, doch niemand kümmerte sich weiter darum, außer der chaotisch um sich greifenden Polizei. Geschieht soetwas, dann rennt die Presse Sturm; die Haredim selber läßt das kalt, denn sie wissen sehr genau, welcher chaotischen Gruppe / Strömung sie dies wieder zu verdanken haben. Oder besser gesagt, wer sich mit idiotischen Erlässen wichtig machen will. So, what ?

Ein Chassid hingegen sagte mir, dass der Geschlechtertrennung in Bussen die Zukunft gehöre. In Bnei Brak, Beit Shemesh und Jerusalem. Jedenfalls in haredischen Stadtteilen.

Ich selber lebte schon in solch einem Stadtteil und in unserem Linienbus gab es eine inoffizielle Trennung nach Männlein und Weiblein. Männer vorn und Frauen hinten. Manchmal störte mich dies gewaltig, denn waren fast nur Männer im Bus, machten sie es sich auch auf den Frauensitzen bequem und ich hatte keinen Platz. Für derlei Situationen ist das beste Rezept, sich als Frau einfach neben einen Haredi zu setzen. Der springt dann in Sekundenschnelle auf, flüchtet und so hat man den Sitz für sich allein.

Zugegeben, es mag nach Iran klingen und ich bin gegen die Geschlechtertrennung. Andererseits sehen vor allem viele Frauen die Vorteile. Man wird halt nicht mehr dumm angemacht und so.

Insgesamt betrachtet kann man sich stundenlang zum Thema auslassen und kommt zu keinem Ergebnis. Es gibt Vor - und Nachteile und wer in diese Busse einsteigt, wie die Linie 402 von Bnei Brak nach Jerusalem (und umgekehrt), die Linie 472 von Jerusalem nach Kiryat Sefer, die Linie 417 von Jerusalem nach Ramat Beit Shemesh oder die Linie 185 nach Beitar, sollte wissen, was ihn erwartet. Geschlechtertrennung ist dort angesagt. Manchmal mehr und manchmal schert sich niemand darum. Man muß halt wissen wie …

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