Montag, 21. Juli 2008

Welcome Back, Diana Campuzano


4. September 1997, 14.00 Uhr nachmittags.
Diana (von links nach rechts), Sherri Wise, Gregg Salzman vor einem Jerusalemer Cafe. Dies ist das letzte Photo von Diana vor dem Attentat. Minuten später ging die Bombe hoch.




B"H

Diana Campuzano und ich lernten uns vor fast genau zwölf Jahren in einem jüdischen Hostel (Heritage House) in der Jerusalemer Altstadt kennen. Ich war dabei, in Jerusalem Fuß zu fassen und suchte nach einer passenden Yeshiva (relig. Schule) und Diana war einfach nur Touristin. Eine Touristin aus Manhattan, welche dort in einem Schickimicki - Laden oder soetwas arbeitete.

Damals Ende August 1996 waren wir eine ganze Clique im Heritage House und jede von uns suchte nach etwas in ihrem Leben. Nach was genau, das wußten eigentlich nur die Wenigsten.

Wir schliefen in den hostelüblichen Doppelbetten. Unter mir schlief eine Engländerin namens I. Sie war dabei, relig. zu werden und hatte gerade all ihre Jeans ihrer Schwester überlassen. Fast alle säkuleren Klamotten bekam die Schwester; fast alle, außer I's DocMartens.

I. wollte damals Mitglied der chassidischen Gruppe Chabad werden, war sich jedoch nie so richtig über ihren Lebensweg sicher. Zwei Jahre später besuchte ich sie in London und selbst da war sie sich nicht sicher. Ihre DocMartens hatte sie allerdings da schon ausrangiert. Leider verloren wir irgendwann den Kontakt.

Dann gab es L. aus den USA, die Aliyah machte und keine relig. Schule suchte, sondern einen Mann zum Heiraten. Nach langer Krankheit fand sie M. aus Florida und die beiden leben heute glücklich in Beit Shemesh.

K. gab es auch noch. Amerikanerin und auf irgendeinem Wiedergeburtstrip. Sie nahm an einer Kissenparty in der Altstadt teil. Dort sollten alle Teilnehmer ihre eigene Geburt nochmals erleben, indem sie sich durch die Geburt stöhnen oder so. K. kam total begeistert ins Hostel zurück und fühlte sich wie neugeboren. Der Typ, der diese Kurse veranstaltete, wurde im Laufe der Jahre wegen irgendeines Deliktes verhaftet. K. blieb noch einige Monate in Israel; jobbte in einem vegetarischen Restaurant, machte einen Ulpan (hebr. Sprachkurs) und zog dann in die Nähe von Boston. Dort kam sie auf den idiotischen Gedanken, konservative Rabbinerin zu werden. Ein gemeinsamer Freund aus Jerusalem, ein Chabad - Rabbiner, rief mich entsetzt an und sagte, ich solle K. sofort anrufen und ihr den Unsinn mit Rabbinerin und so ausreden. Aber, wie wir K. alle kannten, hielt sie das "konservative" Leben eh nicht lange aus und zog nach Kalifornien, um auf Flower Power zu machen.

Tja, und dann war da noch Diana, deren Namen ich voll nenne, denn sie ist überall im Internet zu finden und steht ab und an in der New York Times oder anderen Medien.

Als Diana ins Hostel eincheckte, dachte wir alle sie sei jüdisch geboren; wahrscheinlich israel. Eltern, die sie nur in New York aufzogen. Diana sprach fließen Hebräisch und war halt das, was man eine typische New Yorkerin nennt. Direkt und zielbewußt. Persönlich kenne ich sie nur die drei Tage, an denen sie im Hostel verbrachte. Danach hörte ich nichts mehr von ihr und vergaß sie fast.

Ein Jahr später war ich auf einer Yeshiva und lebte in einem haredischen Stadtteil. Zum Chabad - Rabbiner hatte ich nach wie vor sehr guten Kontakt und fuhr oft am Schabbat zu seinen arrangierten Schabbatot.

Ende August 1997 hatte ich eine schwere relig. Krise, die mich ein halbes Jahr später vorerst wieder nach Deutschland führte. Ich war dabei oder besser gesagte ich plante, Mitglied einer extremen chassidischen Gruppe zu werden und alles kam irgendwie zusammen. Krise und meine Gedanken wanderten nur noch um eine Lösung, die nicht aufzufinden war.

Außerdem volontierte ich für die Hilfsorganisation für Holocaust - Überlebende "Amcha". Und eine Fahrt zu Amcha war es dann auch, die alles fast veränderte.

Einmal im Monat trafen sich alle Volontäre in den Büros von Amcha in der Jerusalemer Innenstadt zum Erfahrungsaustausch. Unser Bus befand sich fast in der Jaffa Road als abrupt der Verkehr stockte. Staus sind nichts Ungewöhnliches in Jerusalem, denn wann immer irgendwo eine Tasche oder anderes verdächtig herumstehendes Objekt gesichtet wird, gibt es unverzüglich Bombenalalrm und alles wird in sekundenschnelle gesperrt. Wir steckten also fest im Bus und warteten. Kurz darauf jedoch dröhnten die Sirenen der anrollenden Ambulanzen und im Radio wurde durchgegeben, dass sich mehrere Pali - Selbstmordattentäter in der Ben Yehudah in die Luft gesprengt hatten. Mein Weg sollte durch die Ben Yehudah führen und eigentlich war ich spät drangewesen. Daheim hatte ich zuviel getrödelt und erst noch geduscht. Dies ging mir kurzfristig durch den Sinn.

Die im Bus sitzenden Haredim (Ultra - Orthod.) holten sofort ihr Tehillim (Psalmen) - Buch heraus und begannen zu beten. Der Busfahrer öffnete die Türen und sagte, die Fahrt sei zuende. Wir stiegen aus und ich versuchte die Ben Yehudah zu umgehen, um doch noch zu Amcha zu gelangen. Auf dem Weg dorthin stand vor mir ein junges deutsches Paar und der Typ meinte zu seiner Freundin, dass wenn sie zehn Minuten eher gekommen wären, sie ein richtiges Bombenattentat live miterlebt hätten. Ich überlegte mir ernsthaft, dem Typen so richtig in den Hinter zu treten, ließ es aber bleiben. Leider.

Bei Amcha lief nichts und wir standen nur oben am Fenster. Alle waren geschockt, denn eine neue Welle des Terrors hatte begonnen.

Mehr als einen Monat später traf ich auf den Chabad - Rabbiner und der fragte mich, ob ich Diana Campuzano kenne. "Nein", war meine Antwort. Die Diana aus dem Heritage House war mir gänzlich entfallen. "Zu schade, meinte der Rabbi, denn sie sei in der Ben Yehudah explodiert und er sei gerade auf dem Weg zu ihr ins Krankenhaus".

Ein paar Tage oder auch Wochen, ich weiß es nicht mehr genau, ging mir ein Licht auf. Diana ? Das war doch die aus dem Heritage House. Dazu beigetragen hatte auch ein Typ (Gregg Salzman), der mit Diana zusammen explodiert war und nun beim Chabad - Rabbi mit uns allen am Schabbattisch saß. Netanyahu habe an seinem Bett gestanden und ihm sein Handy gegeben, um daheim anzurufen. Und nun gehe er zurück in die USA, wolle aber berichten, dass Jerusalem nicht nur ein BLAST war.

Mittlerweile war Diana nach New York zurückgekehrt und ich konnte sie nicht mehr besuchen. Schwerverletzt, und bis heute ist sie noch in Behandlung. Einer der Terroristen hatte sich vor ihrem Tisch im Cafe (siehe Photo oben) in die Luft gesprengt. Eigentlich sollte Diana gar nicht dort sein und mit Freunden Kaffeetrinken, Zufällig kam sie vorbei und die Freunde winkten sie herüber. Nach der Explosion hatte sie ein Tennisball großes Loch in der Stirn, Verbrennungen, zwei geplatzte Trommelfelle, mehrere Rippenbrüche und und und.

Niemand ahnte, dass sie sich in einem New Yorker orthox. Konversionskurs zum Judentum befand; auch ihre ursprünglich aus Südamerika stammenden ultrakatholischen Eltern nicht. Die wußten noch nicht einmal, dass Diana in Jerusalem ist und glaubten erst, es handele sich um einen Scherz als man sie aus Israel anrief. Sofort wurden sie eingeflogen und ihr Vater verfluchte mitten im Hadassah - Krankenhaus alle Juden samt den anwesenden Chabad - Rabbi. Diana zum Judentum konvertieren ? So eine Todsünde für eine Christin und das sei nun ihre Strafe. Sie werde in der Hölle landen.

Bis heute kriegt sie das von ihren Eltern zu hören.

Zurück in New York ging Diana ihren Krankenhausleidensweg. Hier Behandlungen und da. Sie wurde depressiv, denn die einst so toll aussehende Frau fühlte sich entstellt. Sie begann von Selbstmord zu reden und der Chabad - Rabbi rief mich wieder einmal an. Ich solle Diana Mails schreiben und sie bloß aus ihrer Krise holen. "Wir kennen uns doch fast gar nicht richtig", meinte ich.
"Egal, sagte der Rabbi, schreib ihr".

Und so schrieb ich ihr. Monatelang hatten wir tiefgehende e - mail Konversationen und sogar eine Fürther Freundin von mir (die Moni, die das jetzt liest) schrieb an Diana. Irgendwie erholte sich Diana wieder, lernte dann jedoch den falschen Mann kennen. Einen deutschen Nichtjuden aus Hamburg, den sie plante zu heiraten.
Und wieder rief mich der Chabad - Rabbiner an und ich solle Diana das alles ausreden. Mit dem Ausreden war es nichts, denn schnell kam sie allein darauf, dass der Typ zu abgefackelt für sie war. Von Hamburg nach New York, wo sie einen Israeli kennen lernte. Dann verloren wir uns aus den Augen und schrieben nur noch Feiertagsgrüße. Zufällig fand ich sie im Internet wieder und wir nahmen den alten Kontakt wieder auf. Sie ließ mich wissen, dass sie am Sonntag abend (gestern) in den Flieger nach Israel stieg. Zum ersten Mal seit dem verhängnisvollen September 1997. Ich schlug ihr vor, dass wir uns irgendwo treffen und hoffe, es kommt zustande. Ob sie die Ben Yehudah betreten wird, weiß ich nicht. Lange Zeit glaubte sie, dazu nicht mehr in der Lage zu sein.

Das Cafe gibt es nicht mehr und gegenüber steht ein kleiner Brunnen als Mahnmal.


Links:

Innocent Target

1 Kommentar:

  1. B"H

    Es schaut so aus als ob ich Diana heute abend noch in Jerusalem treffe. Wird bestimmt ein grosses Wiedersehen nach all den Jahren und Ereignissen.:-)

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