Dienstag, 8. Juli 2008

Kibbutz - Der israelische Dorfmief

B"H

Dieser Tage startet auf Kanal 10 des israel. TVs eine neue Serie. Ich kann sie leider aus zweierlei Gründen nicht anschauen. Erstens habe ich kein TV und zweitens habe ich keine Zeit. Über die Serie las ich heute früh in der Zeitung und gebe kurz den Inhalt wieder. Der Titel der Serie lautet: "Le'ehov et Anna - Anna lieben".

Es geht um einen 50 - jährigen Witwer in einem Kibbutz, der durch das Internet die junge schöne Russin Anna kennen lernt und sich in sie verliebt. Sie kommt ihn in seinem Kibbutz besuchen und niemand, einschließlich seiner Kinder, versteht die Liebe der Beiden. Weiter heißt es im Artikel, das die Serie vorwiegend die kleinkarierte Mentalität eines Kibbutzes darstellen soll.

Kibbutz - das bedeutet bis heute Dorfidylle, Ernte, Vieh und Voluntäre. Ich selbst war in drei verschiedenen Kibbutzim, einmal als Voluntär und zweimal im Hebräischkurs, dem Ulpan. Aus meiner Erfahrung heraus kann ich die Dorfidylle bestätigen, genauso wie die Ernte, die Viecher und die Voluntäre. Obwohl mich ein Kibbutz einmal offiziell fragte, ob ich Mitglied werden wolle, lehnte ich sofort ab. Nein, der Dorfmief ist nichts für mich und ich liebe die Stadt. Außerdem will ich nicht jeden Kibbutzhansel fragen, wo ich zu arbeiten habe und ob ich dies oder das in einem extra Kurs lernen darf. So ist das nämlich im Kibbutz: Kostet etwas Geld und ich will Kurse bzw. die Uni besuchen, dann finden erst Abstimmungen statt. Nein, danke.

Im Kibbutz herrschen eigene Mentalitäten genauso wie in jedem anderen Ort und jeder Gesellschaftsform. Da ich ein Stadtmensch bin, sehe ich gerade die Kibbutzmentalität als kleinkariert. Obwohl man sich tolerant zeigen will, gibt es dennoch Vorurteile. In einem kleineren Kibbutz, in dem ich voluntierte, war ein Lesbenpaar erlaubt, eine Synagoge oder Relig. waren jedoch unerwünscht. Das Essen wiederum war dagegen koscher.

Ein Kibbutz ist ein Dorf und somit herrscht überwiegend jene Mentalität. Jeder weiß alles und kennt jeden. Verhält sich ein Mitglied wider der Norm, gibt es Diskussionen und Abstimmungen. Diese Thematik will die neue Serie aufführen. Das Unbekannte, das Fremde außerhalb des Kibbutzlebens. Fremdes ja, denn Kibbutznik fahren in die Städte und arbeiten sogar dort. Daheim im Kibbutz aber will man seine Ruhe haben und ganz Kibbutznik sein. Soll das Fremde bzw. das Chaos man nur in der Stadt bleiben, wo es hingehört. Im Kibbutz wollen wir das mal nicht.

Obwohl der Kibbutz im Wandel ist und immer mehr Leute von außerhalb Wohnungen dort anmieten, ohne je Mitglied oder anderweitigen Anschluß zu haben, wollen die Kibbutzniks untereinander bleiben und niemand darf ihre Ruhe stören. Wer fremd ist, wird begafft und ausgefragt.

Aber nicht nur im Kibbutz herrscht diese Art der Mentalität. Jeder von uns kennt dies aus jedem anderen Dorf auch und in Israel fällt mir sogar eine Stadt ein, in der es ebenso kleinkariert zugeht: Jerusalem.

Nein, nicht die Religiösen Jerusalems, da dies wieder eine ganz andere Welt für sich ist; vielmehr die einfachen Jerusalemer und hier besonders die ältere sephardische Bevölkerungsschicht. Verhält man sich nicht so oder so, sagt man nicht dies oder das …. Dann ist man irgendwie anders. Nicht, dass man das unbedingt zu spüren bekommt. Keine negativen Reaktionen, sondern eher die "Nicht - Reaktion" ist zum aus der Haut fahren.

Neulich sagte ein ehemaliger Arbeitskollege zu mir, dass man in Tel Aviv eines gewiß haben kann und das sei absolute Freiheit und ein Recht auf Individualität. Blaue Haare, grüne Haare, halbnackt, wen kümmere das denn da ? Keiner schaut Dich an. Was jedoch fehle, sei die "Ichpatiut - das sich umeinander kümmern und sorgen". Ich kann das soweit nicht ganz bestätigen und vielleicht ist es gerade diese Ichpatiut, die einem Kibbutz den gewissen Touch gibt.

Was aber ist mehr wert ? Zu tun und zu lassen, was man will, ohne ständig beobachtet oder kontrolliert zu werden ? Ichpatiut ? Oder das Finden von guten Freunden ?

Alles zusammen natürlich, doch wäre mir die Enge eines Kibbutzes zuwider. Eine Enge, die Vorurteile aufkommen lassen kann und wir werden sehen, wie sich der Serieninhalt entwickelt. Wird die Beziehung der beiden Gegensätze halten oder kann eine Gesellschaft alles kaputt machen ?

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