Montag, 7. Februar 2011

Hinter der Fassade

Photo: Miriam Woelke


B"H

Ich kann jene Leute nicht ausstehen, die immer nur von sich reden und sobald sie mit ihrer Umgebung kommunizieren, sich stets nur auf ein Thema konzentrieren: Auf SICH selbst. Alles muss sich um sie drehen und wenn ihnen die Umgebung nicht willig folgt, verabschieden sie sich und ziehen eilig davon. Ich sehe gerade diesen letzten Akt der Verabschiedung als Erlösung für die Umgebung an. 
Aus vielen unterschiedlichen Erfahrungen heraus habe ich gelernt, jene Mitmenschen, denen ich begegne, genauer anzuschauen. Genauer hinschauen und sich nicht nur nach dem “Mir geht es gut” erleichtert zurückzulehnen, dass jemand nichts von mir will. Um keine Hilfe jammert oder das ich ihm jetzt unendlich lange zuhören soll. Hinter die “Mir geht es gut” – Fassade zu blicken erfordert einiges an Selbsterfahrung und nach einiger Zeit fällt einem die Realität des Mitmenschen schon von Weitem auf. 
Die Jerusalemer sind fast immer die besseren Schauspieler, denn dort wird weniger tiefgehendes Privates geplaudert. Jedenfalls nicht dem ersten Kennen lernen zufolge, sondern es dauert eine Weile. In Deutschland vergleichbar mit der kühlen Zurückhaltung der Nordlichter. In Tel Aviv dagegen wird eher geplaudert. Vielleicht, weil hier in der Stadt die verschiedenen Menschenvariationen vielseitiger sind als im Einheits – Jerusalem.

Heute früh trank ich kurz einen Kaffee und überhörte neben mir ein Gespräch zweier Männer, die sich zwar kennen, aber sich nicht unbedingt als gute Freunde betiteln täten. Eher oberflächliche Bekannte und ich weiss das daher, weil ich beide kenne.
Der eine von Beiden gestand seinem Gegenüber, dass heute seine Miete fällig sei und er sie nicht einzahlen könne, da er erst vor einem Monat einen neuen Job fand und der Arbeitgeber das Gehalt lediglich in 2 – 3 Tagen auszahlt. “Da sitze ich jetzt allein in der Wohnung, was ganz besonders schlimm ist. Nach der Arbeit sitze ich da und das Alleinsein ist das Schlimmste. Vielleicht kommt der Vermieter vorbei und klingelt wie wild an der Tür. Immer diese Gedanken, dass es gleich klingelt oder der Handyanruf mit der Forderung nach der Miete erfolgt. Das alleine Wohnen fällt mir besonders schwer, aber daran läßt sich wohl kaum etwas unternehmen, es sei denn, ich ziehe in eine WG”.

Das Gegenüber erwiderte kaum ein Wort. Spendete nicht erhofften Trost, denn er, genau wie wir alle drumherum, dachte offenbar nur eines: “Hoffentlich bleibt uns dieses Schicksal erspart”.

2 Kommentare:

  1. Das klingt irgendwie traurig...

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  2. B"H

    Das ist richtig, doch muss ich Dir sagen, dass meine Erzaehlung eine Wiederspiegelung des israelischen Alltags ist. Und dazu gehoeren eben auch viele traurige Dinge.

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