Montag, 2. Februar 2009

"Big Brother" is watching in Jerusalem

B"H

Jetzt hat der Wahn auch die Jerusalemer Stadtverwaltung erfasst und nach London und all den anderen weltweiten Kameraüberwachungssytemen auf der Welt kommt er auch zu uns: der "Big Brother".
Nicht, dass die Idee so furchtbar neu wäre, denn wird doch schon seit Jahren die Altstadt mit Kameras überwacht. Vom Jaffa - Tor bis hinunter in den arabischen Markt (Schuk). Die meisten Kameras befinden sich, wie könne es auch anders sein, an der Klagemauer (Kotel) und rund um den Tempelberg.

Weitere Kameras sollen nun im Stadtteil Pisgat Ze'ev, am Kikar Safra vor dem Rathaus, im Sacher Park, im Gan HaPa'amon - Bell Park und auf dem Machane Yehudah Markt installiert werden. Zur Sicherheit, wie es heißt, denn die Kriminalität mache auch vor der Heiligen Stadt nicht halt.

Auffallen tut nur, dass fast all diese geplanten Kameraorte viel von Palästinensern aufgesucht werden. Alle, außer dem Sacher Park, welcher an den Stadtteil Nachlaot grenzt. Dort wenigstens kann man noch getrost herumlaufen und sitzen, ohne von Palis dumm angequatscht zu werden.

Nein, Rassismus ist das jetzt nicht, aber wer es nicht glauben mag, der darf sich gerne im arabischen Viertel der Altstadt oder im Park gegenüber des Jaffa - Tores anmachen oder sonst irgendwie anpöbeln lassen. Bei Touristen, besonders bei blonden weiblichen Touristinnen, ist das schlimmer als bei Israelis.

Der Safra Platz vor dem Rathaus wird alltäglich von Hunderten von Palis durchquert, die da aus Ostjerusalem in den Westteil der Stadt laufen oder nur im Rathaus etwas erledigen wollen. Pisgat Ze'ev, ein neu errichteter Stadtteil aus den 90iger Jahren, liegt umgeben von arabischen Dörfern und seit einigen Jahren gibt es sogar eine neue israelische Schnellstraße dorthin. Per Tunnel gelangt man vom French Hill fast direkt nach Pisgat Ze'ev. Auf der alten Landstraße waren zuvor ständig Steine auf israelische Fahrzeuge geflogen und so liess sich die Regierung den Tunnel einfallen.

Pisgat Ze'ev ist jedoch auch bekannt dafür, dass Pali - Jugendliche ihre Cliquentreffs vor Supermärkten abhalten und dort gelegentlich herumpöbeln.
Hauptziel sind dabei weibliche israelische Teens. Hinzu kommt die Einbruchsgefahr sowie der Autodiebstahl. Palästinener brechen ein und verfrachten das Diebesgut sofort gen Ramallah.

Auf dem lokalen Machane Yehudah Markt arbeiten ungewöhnlich viele palästinensische Jugendliche, die eigentlich noch in die Schule gehören und nicht in einen Job mit Mindestlohn. Das Problem hierbei ist, dass palästinensische Eltern aus Ostjerusalem ihre Sprößlinge frühzeitig zum Geldverdienen schicken, damit so die Familie finanzielle Unterstützung findet. Auf der anderen Seite nutzen gerade im Machane Yehudah Markt viele Händler die billigen Pali - Jugendlichen aus. Israelische Sozialarbeiter versuchen dem schon seit geraumer Zeit einen Riegel vorzuschieben, doch mit wenig Erfolg. Die Händler wollen nicht ohne ihre billigen Handlanger und die Palis selbst müssen von zuhause aus Geld verdienen. An die eigene Zukunft ohne Schulabschluss denkt kaum einer von ihnen.

Warum Kameras auf dem Machane Yehudah Markt ?
Die Händler geben an, dass seit dem letzten Attentat im Spätsommer 1997 sowie den Attentaten in der Innenstadt in den Jahren 2001 und 2002 die massenhafte Kundschaft fern bleibe. Die Kameras hingegen könnten das Sicherheitsvertauen wieder zurückgewinnen.


Auf dem Machane Yehudah Markt

Ich bin mir da nicht so sicher, ob dieser Grund wirklich zutrifft. Tatsache ist, dass der Machane Yehudah teilweise im Müll verkommt. Zwar wird abends das Pflaster gewaschen und der Dreck weggeräumt, doch tagsüber liegt der Müll nur so herum, dass man schon das ein oder andere Mal darüber steigen muss. Und die Marktpreise sind auch nicht mehr so billig wie einst.

Seitdem die Israelis vor Jahren ihre Shopping Malls hochzogen, spielt sich das Freizeitleben dort ab und nicht in der teilweise im Dreck versinkenden Jerusalemer Innenstadt. Manchmal wundert es mich tatsächlich, dass es am Markt noch nicht zu Krankheiten gekommen ist, bei all dem Müll, der da bei starkem Wind auf und abfliegt. Die Müllcontainer stehen ausgerechnet vor unserer Bäckerei und was sich da stapelt: vergammelter Fisch, Fleisch, zertretene Orangen. Nachlaot ist schon fast das Paradies der fettesten Ratten der Stadt.

Und da wundern sich die Händler, wenn die Kundschaft lieber in den sauberen gepflegten Malls verschwindet. Dort gibt es alles unter einem Dach ganz ohne perversen Geruch. Zwischendurch auch einmal ein Tässchen Kaffee und etwas Unterhaltung. All das bieten die Malls.

Der Machane Yehudah rüstete nach und "Cafe Mizrachi" war das erste seiner Art, welches in einem der Mittelgänge eröffnete. Mit großem Erfolg und kurz darauf zogen andere nach. Mittlerweile wurden einige noblere Bekleidungsgeschäfte im Markt eröffnet und nebendran, in der Agrippas Street, boomt die kleine, gemütlich und nach italienischem Stil eingerichtete Pizzeria "Toppolino".

Wäre der Markt aufgeräumt und gebe es mehr Attraktionen bzw. mehr Cosmopolitan Flair und kein begrenztes Kleinstadtdenken kurdischer Händler, der Markt könnte boomen. Und das ohne jegliche Überwachungskamera.

Im nicht weit gelegenen Sacher Park würde ich mich von Kameras belästigt fühlen und ich bin der Meinung, dass die üblichen Polizeistreifen ausreichen. Wer will sich schon gern beim Geniessen der Natur oder beim Sonnen filmen lassen ? Sitzt man etwas länger auf einer Bank, kann dies theoretisch schon verdächtig wirken.
Ich bin viel zu sehr Individualist als dass ich mich all der Big Brother mässigen Überwachung hingeben will und die Frage ist doch, ob all das tatsächlich eine Abschreckung vor Straftaten bedeutet.

Dem einen Yeshiva Studenten, der da im Sommer vor zwei Jahren erstochen worden ist, halfen auch die Kameras nichts mehr. Kein Polizist verfolgte den Mord auf dem Bildschirm und das, obwohl der Tatort arabische Altstadt hieß.

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