B"H
Vor geraumer Zeit schrieb ich schon einmal zu dem Thema, doch wird es gerade in Jerusalem immer akuter. Zumindest dem Anschein nach. Spezifisch auf Jerusalem bezogen betrifft das meist christliche Interesse an einem Synagogengang die Hauptsynagoge in der Keren HaYesod (gegenueber dem SHERATON) sowie die Carlebach Synagoge "Kol Rina" im Stadtteil Nachlaot.
Die Hauptsynagoge gilt schon längst als Touristenort, an dem man halt mal so reinschaut und dann wieder geht. Schwerer dagegen tun sich christliche Touristen in anderen Synagogen, in denen sie nicht unbedingt willkommen sind. Dies geschieht aus vielerlei Gründen.
Zuerst einmal besteht natürlich der Verdacht der Judenmission. Zu recht ! Weiterhin machten wir die Erfahrung, dass wenn an einem Schabbat einem Nichtjuden der Eintritt gewährt worden war, er in der kommenden Woche seine Freunde mitbrachte. So sprach sich das rum und dann musste man die Leute erst einmal wieder loswerden.
Insgesamt jedoch ist eine Synagoge der Ort zum jüdischen Gebet und manchmal sind die Plätze begrenzt und hat aus dem Grund nur für Juden reserviert. Darüber hinaus wollen wir nicht permanent angeglotzt werden wie im Museum. "Ah, ja, das ist also wie die Juden beten. Na, dann ... Komisch schaut das ja alles schon aus mit den Riten und so ..."
Der Sprüche gehen einem mehr als nur auf den Wecker. Es hat nichts damit zu tun, keine Fremden haben oder Fragen nicht beantworten zu wollen. Aber stets kommen die gleichen Sprüche und die häufig angesagte Ignoranz lässt in einem das Grauen aufkommen. Da verliert man schnell die Lust und geht lieber an die Decke.
In deutsch - jüd. Foren sehe ich immer wieder die Anfrage, wie man denn als Nichtjude einmal an einem Synagogeng - ttesdienst teilnehmen kann. Manche Gemeinde haben da ihre eigenen Spielregeln entwickelt und verlangen Anmeldungen und dergleichen. Dies geschieht, meines Erachtens nach, ebenfalls zu recht, denn ich selbst erlebte es, dass plötzlich mehr Christen als Juden in der Synagoge waren und die dann auch sofort meinten, sie seien der Herr im Haus. Also limitiert werden sollten die Besuche schon. Eben aufgrund jener schlechten Erfahrungen. Wobei nicht alle Besucher ueber einen Kamm geschert werden sollen, aber es bleiben halt gerade immer die negativen Erfahrungen in Erinnerung.
Wie also verhalte ich mich als Nichtjude in einer Synagoge ?
In Israel sicher manchmal anders als in Deutschland und bei den Haredim (Ultra - Orthod.) anders als bei den Carlebach - Hippies. Um das einmal etwas salopp auszudrücken.
In Deutschland sollte man sich also schon vorher bei der jeweiligen Gemeinde erkundigen, ob man kommen darf. Und vor allem nicht vergessen, nach den jeweiligen Gebetszeiten zu fragen.
Ein Mann / Junge sollte eine Kopfbedeckung tragen. Wer keine Kipa hat, der setzte sich halt eine Mütze / Hut auf. Eine Frau sollte, wenn orthod., in einem langen Rock erscheinen, welcher zumindest die Knie bedeckt. Die Ärmel sollten bis zum Ellbogen reichen.
Auf christliche Anhängsel wie Kreuze und dergleichen sollte man verzichten. Auch ziert es sich nicht, am Schabbat mit der Kamera daherzukommen und um sich zu knipsen. Das Mitbringen des Neuen Testamentes sowie christl. Gebetbüchern sollte ebenso vermieden werden.
Man gehe einfach ganz normal los. Ohne grossen Aufhebens und weinerliches Holocaust ("Ich fühle mich ja so schuldig") Getue.
Nach dem Eintreten in den Synagogenraum sollte man sich vielleicht erkundigen, wo man sitzen darf. Ob etwas reserviert ist oder Leute ihre festen Plätze beanspruchen. In manchen Synagogen ist dies der Fall.
In Reformgemeinden kenne ich mich nicht aus, aber bei uns Orthodoxen dauert der Service an sich recht lange. ca. drei Stunden. In manchen chassidischen Gemeinden kann der Service auch viel länger dauern.
Geht also davon aus, dass Ihr in einer orthod. Gemeinde mind. drei Stunden lang kein einziges Wort versteht, denn der Service findet in hebräischer Sprache statt. Nicht so schlimm, denn die meisten deutschen Juden haben oft auch kaum eine Ahnung, was da jetzt genau abgeht. Ihr seid also nicht allein.
In den Synagogen liegen Gebetbücher (Sidurim) aus. Teils auf Hebrae. + Deutsch. In Deutschland wird allgemein langsamer gebetet als dies in Israel der Fall ist. Lasst Euch auf alle Fälle nicht von der Länge und Fülle der Gebete abschrecken.
Ihr müsst jetzt nicht krampfhaft dasitzen und auf grosses "Verstehen" machen. Auch wird nicht verlangt, dass Ihr aufsteht bzw. Euch hinsetzt, wann es gerade verlangt wird. Schaut halt, ob die anderen gerade aufstehen, aber seid nicht verlegen, wenn Ihr mal nicht so schnell bei der Sache seit bzw. etwas falsch macht.
Abgesehen vom anständigen Anziehen, setzt Euch hin und schaut es Euch an. Verstehen ? Eher nicht, denn wie gesagt, alles findet auf Hebräisch statt.
Haltet Euch hinterher mit aufdringlichen Fragen a la "Warum erkennen die Juden J. nicht als Meschiach an ?" zurück.
Überhaupt solltet Ihr jetzt nicht fragend losstürmen, denn eines solltet Ihr immer bedenken:
Juden kommen zum Gebet und wollen sich darauf konzentrieren. Auch hinterher bei gewissen Ritualen wie dem Kiddusch (Segnung des Weines). Und gerade am Schabbat steht uns nicht immer der Sinn nach dem Beantworten Tausender Fragen. Das stoert ganz einfach die Schabbatatmosphäre, ohne dass Ihr das beleidigend aufnehmen solltet.
Aber Juden wissen nicht, wer da so kommt und was für Ziele beabsichtigt werden. Ein guter Rat ist immer: Haltet Euch zurück und werdet nicht aufdringlich. Vielleicht ist es eh ratsam, sich vorher schon etwas ueber den jüdischen Ritus zu informieren. Allerdings ist es kein Grund zu verzweifeln, wenn man nicht mitkommt und halt nur so dasitzt.
Links:
Verhaltensregeln beim Gebet
Die Geschichte des Gebetbuches (Sidur)
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