Samstag, 8. November 2008

Die Positionen sind neu verteilt


Kurz vor der heute abend stattfindenden Gedenkveranstaltung auf dem Kikar Rabin.
Photo: Ynet


B"H

Am 4. November jährte sich die Ermordung des einstigen Ministerpräsidenten Yitzchak Rabin zum 13. Mal.
Am Montag, dem Datum folglich des hebräischen Kalenders, findet eine familiäre Gedenkveranstaltung auf dem Friedhof des Jerusalemer Herzl - Berges statt, auf dem Rabin beerdigt liegt.

Heute abend nun, am Mozzaei Schabbat (Schabbatausgang) des 8. November, fand die übliche Gedenkveranstaltung für die Masse statt. Ort: Der Kikar Rabin (Rabin Platz) vor dem Tel Aviver Rathaus.
Der Ort, an dem am 4. November 1995 eine große Friedensdemo lief, nach der Rabin vor der Hintertreppe des Rathauses von dem Jurastudenten Yigal Amir erschossen wurde.

Seither wiederholt sich jedesmal die Veranstaltung, nur dass es ums Rabingedenken geht.
Einem Bekannten aus Tel Aviv sagte ich, dass ich auf die Veranstaltung gehe. Nicht, dass ich mit all dem sich dort Abspielenden einverstanden bin. Aber immerhin bin ich neugierig und zweitens will ich darüber im Internet einiges berichten. Mein Bekannter meinte, dass nicht nur alle Teilnehmer fanatische Linke sein werden, die da die Friedenspfeife mit der Hamas rauchen wollen. "Du triffst da auf ganz unterschiedliche Leute", sagte er.
Also machte ich mich auf den Weg.

Fast sommerliches Wetter und der Platz war schon gefüllt (100.000 Besucher) als ich ankam. Kurze Sicherheitskontrollen in den Nebenstraßen und dann sah ich auch schon das, was ich eigentlich erwartet hatte. Hunderte Jugendliche in ihren blauen Uniformen. Die linke Jugendorganisation "Noar Lomed ve'Oved". Nebenbei gab es mit weißen T - Shirts und der Aufschrift "Shalom Achschaf - Peace Now", einen Politstand der linksextremen Meretz - Partei sowie einen weiteren Stand von "Chadash", der arabischen Knessetpartei zu begutachten. Na, wer sagts denn ? Keine Linken, oder was ?

"Peace Now" scheint mit dem Friedensschiff einmal nicht in Gaza angelegt zu haben, sondern man trudelte auf dem Rabin Platz ein. Beim Passieren des arabischen Politstandes überhörte ich das Wort "Kivusch - Besetzung". Die israelische Armee besetzt also und die armen Palis müssen so leiden. Es gibt Momente, in denen man sich Jerualem zurückwünscht und nicht das linke Einheitsgesülze. Meretz - oder arab. Politstände ?
Na, da täten in Jerusalem schnell die Fetzen fliegen.
Nicht wegen irgendwelcher Religiösen, sondern wegen vieler traditioneller Leute. Jerusalem - eine Stadt, in der fast jeder einmal Zeuge eines Terrorattentates war, jemanden darin Verwickeltes kennt oder sonst irgendwie damit zu tun hat. In Jerusalem erzählt man nichts von Solidarität, wenn vielerseits Steine auf Israelis fliegen. Die heile Welt kann man in Tel Aviv vermitteln, aber nicht in einer terrorgebeutelten Stadt wie Jerusalem.

Wer wollte, der konnte von "Peace Now" Propagandaplakate bekommen. Es ging mal wieder gegen die Siedler. Als ob die Siedler etwas mit der Ermordung Rabins zu tun hätten. Aber bei solch einem Event scheinen viele Mittel recht zu sein, nur nicht die Realität.
Die Veranstaltung wurde mit der Rede Rabin, welche er kurz vor seinem Tode eben auf jenem Platz hielt, eingeleitet. Danach folgten abwechselnd je eine Rede und danach ein musikalischer Beitrag. Unter anderem traten Ran Danker und der "Ich bin Superstar" Harel Skadd auf. Die Sängerin Efrat Gosh machte einen total zugedopten Eindruck und wir litten durch ihr Lied, von dem sie selber gar nichts mitzubekommen schien.

Ich hatte mir einen wunderbaren Stehplatz ergattert und konnte alles überblicken. Gleich vor der Haupttribüne, neben dem VIP - Eingang. Dieses Mal ging die Polizei keine Risiken ein; selbst die VIPs und die Presse wurden durchgecheckt. Securitychecks anhand von elektronischen Durchleuchtungen wie am Flughafen oder dem Jerusalemer Zentralen Busbahnhof. Nichts mehr da mit einem Yigal Amir, der unbeobachtet herumstehen konnte.

Die Sprecher des abends waren Präsident Shimon Peres, der Tel Aviver Bürgermeister Ron Chulda'i, Verteidigungsminister Ehud Barak und die frischgewählte Kadima - Vorsitzende Zipi Livni.
Während Peres Rabin hinterherjammerte (seinem großen ehemaligen Konkurrenten) war es der linke Ehud Barak, der eines beim Namen nannte. Ausgerechnet er und niemand der anderen Sprecher verlor auch nur ein einziges Wort darüber. Nämlich das wir vom Frieden weit entfernt sind. Der Iran sowie die Hizbollah bedrohen uns und in Gaza herrscht die Hamas. Und dann sei da auch noch der entführte Soldat Gilad Shalit. Hinter mir schrie jemand Barak entgegen: "Und wieso tust Du nichts, um ihn freizubekommen ?"

Als der Name Gilad Shalits fiel, kam ein riesen Beifall auf. Alle Achtung, dass wenigstens einer es wagte, seinen Mund aufzumachen. Obwohl Ehud Barak sich hinterher in konfusen Siedlerkonspirationen verlor, immerhin brachte er wichtige Punkte zur Sprache. Und diese lauten, dass wir heute, im Gegensatz zur Vergangenheit vor 13 Jahren, völlig woanders stehen. Schon lange wissen wir, dass Rabins Oslo - Abkommen scheiterte. Beim Attentat in der Jerusalemer Yeshiva Mercaz HaRav benutzte der Terrorist eine Waffe, welche durch das Rabin - Abkommen in die Pali - Hände fiel. Überhaupt, wer betrachtet heute noch die ehemaligen oder aktuellen Friedenspläne als real und durchsetzbar. Wer glaubt an den Frieden ? Sind wir nicht viel zu sehr von der Realität gebeutelt ? Jerusalem soll geteilt werden und Zipi Livni ist bereit alles aufzugeben.
Gut, dass Rabin das nicht mehr miterleben muß. War es doch er, der niemals auf den Golan oder Jerusalem verzichten wollte. Und was stellen seine Erben in seinem Namen an ?
Was ist mir Sderot, wo es wieder Kassam - Raketen aus Gaza hagelt ?

Man wundert sich, warum die relig. Bevölkerung nie an der Gedenkveranstaltung teilnimmt.
Eben weil man diese Realitäten tagtäglich vor Augen hat. Nicht, weil sich plötzlich alle mit Yigal Amir identifizieren, sondern weil man einen Gilad Shalit, ein Jerusalem oder ein Sderot wahrnimmt. Weder die Hamas, noch Abu Mazen, noch die Hizbollah lassen sich durch Landabgaben zum Frieden treiben. Wer das heute immer noch glaubt, der hat nichts gelernt und ist einfach dumm. Aber was soll die Linke machen, wenn sie nichts anderes zu bieten hat ?

Zipi Livni begann ihre Rede fast mit einer Entschuldigung. Damals, zur Zeit der Ermordung Rabins, war sie ja noch im Likud und deren damaliger Vorsitzender Benjamin Netanyahu wird bis heute beschuldigt, die Massen zum Mord an Rabin aufgewiegelt zu haben. Eine etwas obskure Anschuldigung.
Zipi meinte, Rabin sei auch ihr Premier gewesen, auch wenn sie ihn nicht gewählt habe. Sie wolle seinen Weg fortführen und ein Land für alle müsse her. Demokratisch, frei und ohne relig. Einflüsse und Rabbiner.
Ob sie das wohl auch dem ehemaligen sephardischen Oberrabbiner und jetzigem geistigen Führer der haredischen SHASS - Partei vor wenigen Tagen so sagte ? Da nämlich kroch sie zu Rabbi Ovadiah Yosef und bedeckte sich sogar ihr verheiratetes Haar; ganz nach jüdischer Halacha. Rabbi Yosef wird interessiert zugehört haben und lacht sich ins Fäustchen, denn Livni braucht ihn für eine Koalition.

Trotz aller berechtigter Trauer um Rabin lieferten die Politiker eine friedliche unrealistische Scheinwelt ab. Der Gipfel kam mit einem amerikanischen Obama - Abgesandten, der da typisch amerikanisch behauptete, dass Rabin Obama geliebt hätte.
Wer um alles in der Welt lud diesen Typen zu der Veranstaltung an ?
Ein Yitzchak Rabin hätte niemals ohne Konditionen mit dem Iran verhandelt, Geld von der Hamas angenommen und Jerusalem geteilt. Was um alles laberte der amerikanische Obama - Idiot daher ?
Viele machten sich dann auch schon auf den Abmarsch, darunter auch ich.

Wer nicht da war, hat nichts verpaßt und im nächsten Jahr werde ich mir die Teilnahme ersparen.

Bleibt noch ein kleiner Nachtrag:
Nicht aus lauter Sensibilität wurde das aktuelle Interview mit dem Rabin - Mörder Yigal Amir vom Kanal 10 sowie dem 2. TV - Kanal gestrichen. Vielmehr ging es darum , dass Amir behauptete, er habe nur einmal auf Rabin geschossen und der Winkel, aus dem der zweite Schuß kam, sei gar nicht seine Position gewesen. Mit anderen Worten, Yigal Amir gab neuen Stoff für die alte Konspirationstheorie, nach der Amir Rabin zwar anschoß, Rabin selber aber kurz darauf auf dem Weg ins Krankenhaus von Shabak - Angestellten (Geheimdienst) erschossen worden war. Bis heute ist der Fall nie ganz geklärt worden.

2 Kommentare:

  1. Hallo Miriam,

    bin ein Fan von Dir, lese nahezu täglich in deinen Blogs, Hamantaschen, Leben in Jerusalem, beide hochinteressant, sind meine Favorits.

    Auch wenn ich persönlich nicht mit allen Deinen Darstellung in politischer Hinsicht übereinstimme, so akzeptiere ich selbstverständlich Deine Überzeugungen, mach mir meine eigenen Gedanken.

    Nur eines, dass Du hier absurde Verschwörungstheorien weiter verbreitest, finde ich ablehnungswürdig, und - es untergräbt leider Deine Glaubwürdigkeit.

    Alles Liebe

    Jim

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  2. B"H

    Hallo Jim,

    vielen Dank fuer das Kompliment.

    Zu deinem zweiten Teil:
    Ich weiss nicht, was Verschwoerungstheorien Du meinst.

    Falls dies in Bezug auf Rabin sein sollte, so gebe ich lediglich die Meinung einer nicht zu unterschaetzenden israel. Masse wieder. Die Theorien kursieren immer wieder und es wurden innerhalb der letzten Jahre in Israel so einige Buecher darueber verfasst.

    Ich sage nicht, dass ich damit uebereinstimme. Ehrlich gesagt befasse ich mich mit dem Rabin - Fall gar nicht, denn wir haben andere Probleme. Und ein Fakt sollte nicht uebersehen werden:
    Yigal Amir ist heutzutage mehr in den Schlagzeilen als Rabin.

    Nicht, dass Amir so ungemein populaer sei, aber unser Land hat nie gelernt, mit dem Rabin - Mord umzugehen und ihn zu verarbeiten. Alles ging seinen gewohnten Gang weiter, nur die Rabin - Familie, damals noch Lea Rabin, suchte ihren Weg in die Oeffentlichkeit. Allerdings nur mit Anklagen gegen Netanyahu und andere.

    Gestern gab der Sohn Rabin, Yuval, im 2. TV - Kanal bekannt, dass er Netanyahu nichts nachtrage. Seine Schwester, Daliah Rabin - Pelosoff, hingegen schon.

    Was die Verschwoerungstheorien, der Shabak habe letztendlich Rabin ermordet angeht, so wird sich diese Denkweise auch noch in Zukunft erhalten. Vielleicht sogar nicht ganz unberechtigt, denn sowohl Amir als auch sein Helfer Avishai Raviv, waren einige Zeit fuer den Shabak als Informanten taetig.

    Im Ausland scheint das alles absurd, aber in Israel ist halt alles moeglich.

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