Samstag, 26. November 2011

Zeig dein Geld nicht in Jerusalem

B”H 

 “Jerusalem ist voller Parasiten !” Das jedenfalls sagen viele meiner Freunde aus Tel Aviv und sogar aus Jerusalem. Nicht, dass damit ultra – orthodoxe Juden gemeint wären, von denen einige nicht arbeiten, sondern tagsüber im Kollel den Talmud lernen. Wer mit der Aussage gemeint ist, das sind die stinknormale Bewohner, die tagtäglich zur Arbeit gehen oder auch nicht. 

Sobald ich in Jerusalem aus dem Bus steige, schlägt es mir entgegen: Die Armut. Das Stadtsäckel ist leer und die Leute haben kein Geld. Die Arbeitslosenquote liegt hoch, die Mieten und Lebenshaltungskosten steigen und damit auch die Depressionen. Vielen Jerusalemer sieht man es nicht unbedingt auf den ersten Blick an, dass sie keinen Cent im Portemonnaie tragen. Immerhin sind diese Leute anständig angezogen, haben einen festen Wohnsitz, da die Sozialhilfe springt ein. Was Jerusalem von Tel Aviv unterscheidet ist, u.a., die Kleidung der Bewohner. Nicht jeder Tel Avivi ist top gekleidet, aber welcher Anblick mich in Jerusalem erwartet, übersteigt oftmals alles. 

Vor zwei Wochen befand ich mich daheim in Tel Aviv auf der Suche nach neuen Turnschuhen. Feste bequeme Schuhe und länger halten sollen sie auch. Von daher musste ein Markenprodukt her. Wahrscheinlich machte ich den Fehler in der Innenstadt zu suchen. Dizengoff Center, wo die Preise eh unverschämt sind. Im Center jedoch gab es kaum Angebote und so landete ich nebendran im NIKE Center. Das billigste Paar Schuhe kostete 500 Schekel (100 Euro). Ausschuss oder so gab es gar nicht. Was es dagegen massig gab waren die neuesten NIKE editions zu 700 Schekel (140 Euro). 

Bei allem Geld der Welt schaffe ich mir Sneakers zu 500 oder 700 Schekel an. Und dann auch noch in knalligem orange. Freunde hatten mir einen Sportladen in der nahegelegenen Bugrashov empfohlen und das war meine letzte Station. Sonderangebot von 290 Schekel (58 Euro): Ein paar sehr gute Schuhe des deutschen Herstellers aus Herzogenaurach. Da weiss man wenigstens, was man hat. 

Kurz darauf fuhr ich auf einen Tag nach Jerusalem und vorher überlegte ich tatsächlich, ob ich denn jetzt meine neuen Schuhe anziehe oder nicht. Neue Schuhe in Jerusalem, die da mehr als 100 Schekel kosten … Zu viele kommen da auf den Gedanken, dass derjenige Geld haben muss. Und schon beginnt das Parasitentum viel zu vieler Bewohner der Hauptstadt. 

Der Blick fiel immer zuerst auf die Schuhe und als ich die Bäckerei besucht, in der ich bis vor einem Jahr arbeitete, begrüsste mich eine Kundin und verlangte kurz darauf, ich solle ich doch ein Gerste – Buchweizenbrot kaufen. 

“Ach ja, neue Schuhe ? Und Du wohnst in Tel Aviv ?” 

Ständig die immer wiederkehrende Frage als ob Tel Aviv gleichbedeutend mit einem nicht enden wollenden Geldfluß sei. Ich muss für mein Geld auch arbeiten und nichts fällt mir in den Schoß, doch Tatsache ist, dass es in Jerusalem zu viel Schmarotzertum gibt. Arbeitslose, die nicht arbeiten wollen und sich tagsüber in mindestens zwei Suppenküchen die Bäuche vollschlagen. 

Ich lernte schnell (und lerne immer noch) mich nicht mit solchen Leuten einzulassen. Kein Mitgefühl zu zeigen und jede Antwort auf irgendeine dumme Anspielung zu vermeiden, denn sonst hat man die Leute wie Leim an sich kleben. Sehen sie einen im Café sitzen, kriechen sie an und fragen penetrant, ob man ihnen denn auch einen Café zahle. Falls ja, dann aber auch mit dickem Kuchen und noch einer zweiten Tasse. Bloß nicht sein Portemonnaie in Jerusalem zeigen und zu Freunden meinte ich sarkastisch, dass ich das nächste Mal mit zerrissenen Klamotten komme. Dann lassen mich die Leute hoffentlich in Ruhe. 


Photo: Miriam Woelke

Kaum mit dem Bus in Tel Aviv angekommen, begab ich mich zur Haltestelle meines Stadtbusses. Der Fahrer glotzte auf meine Schuhe und fing an: 

“Ah, neue Schuhe ? Welche Marke, was haben die gekostet und wo hast Du die gekauft ?” 

Ich kaufe mir bald gar nichts mehr und suche mir meine nächsten Schuhe verdreckt und durchlöchert aus einer Mülltonne. Sozusagen meine Tarn – und Quatsch mich bloß nicht um Geld an – Kleidung.

2 Kommentare:

  1. *lol*
    Das klingt allerdings schon ehr drastisch? Was ist los mit der Wirtschaft? ist Israel auch ein Opfer des Neoliberalismus geworden?

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  2. B"H

    Nein, in Jerusalem ist das immer so. Deswegen behaupte ich auch wiederholt, dass man gewisse Mentalitaeten im Land kennen lernen sollte und nicht nur aus der Touristenperspektive spricht.:-))))

    Allerdings beschaeftigt sich Israel schon mit der Verschuldung Europas, denn wer weiss wie der Einfluss dabei auf uns ausschaut.

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