Sonntag, 14. September 2008

"Vision for Jerusalem"

B"H

So ganz ungezwungen sollte das Treffen wirken. Man saß auf einem Steinrondell im Halbkreis und mehrere Redner waren eingeladen. Gleich auf dem Platz zur Agrippas hinaufführend hinter dem "Melech HaFalafel - König der Falafel". Erst dachte ich, es handele sich um eine Verkaufsveranstaltung als ich mit meiner gerade erstandenen Falafel umherirrte und einen schattigen Sitzplatz suchte.
Aber nichts da, denn einige Redner verschiedener Parteien sowie Bürgerinitiative schwangen lebhaft das Mikrophon. Als ich mich setzte, um endlich meine Falafel zu essen, begann ein Redner Oppositionsführer Benjamin Netanyahu zu preisen. Und es sei ja wohl er, der hier die nächsten Wahlen gewinnen werde.
Verhaltener Beifall und einige Buhrufe.

Der nachfolgende Redner war ein Student von Meretz, der linksextremern Partei.

Es gab keine offizielle Bühne und die Redner standen allesamt auf dunkelgrünen Plastikkisten. Man ist halt in Jerusalem und rustikal.

Der Meretz - Typ legte los, dass Meretz alle liebe.
Das Publikum liebte ihn weniger und er wurde ausgebuht. Eine Passantin rief ihm zu, dass es sich bei Meretz um die Hasser Israels handele und sie sollen man lieber nach Gaza abhauen, wo sie hingehören.
Der Meretz - Typ reagierte gereizt und meinte abermals, Meretz liebe alle und sei patriotisch.
Das nahm ihm niemand ab und er hatte verloren.

Nächster Redner: Bürgerinitiative Erziehung und Kultur.
Jerusalem soll eine bessere Schuldbildung finanziert bekommen. Wir seien ja hier nur der Abklatsch des Landes. Und ein jeder solle sich in unserer Stadt wohlfühlen und überall frei herumlaufen können.
Schnarch. Mehr als die Hälfte der Zuhörer begann das Gähnen als der Redner Sokrates und Rilke zitierte.

Eine Veranstaltung wie diese ist wirklich nur in Jerusalem möglich. In einer Stadt, in der wir unsere Stadt zerreden.

Sind es die am 11. November bevorstehenden Bürgermeisterschaftswahlen ?

"Leute geht wählen", so lautete die Devise. Was, wenn ein Me'ir Porush oder ein vorbestrafter wie Aryeh Deri die Wahlen gewinnen ? Wird unsere Stadt dann zur haredischen Hochburg ? Und was geschieht mit den Säkuleren ? Befinden sich alle unter der haredischen Thoraknute ?

Die Stadtverwaltung startet nun offiziell ein brandneues Projekt. Wieder einmal, denn jährlich ziehen Tausende Jerusalemer aus der Stadt fort. Dies hat unterschiedliche Gründe, obwohl nicht wenige hetzen, dass daran die Haredim (Ultra - Orthod.) schuld seien. Die wollen hier alles bestimmen und wer halte das denn aus ?

Nein, in Jerusalem drückt ganz woanders der Schuh. Unter anderem auch die ständig steigenden Mieten ? Wer kann sich denn heute noch alleine eine Wohnung leisten ? Man lebe ja nur noch in WGs.
Und welcher gerade aus der Armee entlassene junge Soldat kann noch eine Familie gründen und sich eine Wohnung kaufen ?
Da kommen die reichen amerikanischen oder französischen Neueinwanderer mit den Geldscheinen dahergewackelt und kaufen uns Bürgern alles unter dem Hintern weg. Unseren Soldaten, die da in der Armee dienten und ihre Köpfe hinhielten. Und was tut so mancher Neueinwanderer ? Nichts.

So klangen auch die Stimmen vieler israelischer Redner auf der am letzten Freitag stattfindenden Veranstaltung am "Melech HaFalafel". Die Stimmung ist gereizt; nicht wenige Israelis haben die Nase gestrichen voll von all den Neueinwanderern, die daherkommen und mit unseren Steuergeldern in Saus und Braus zu leben scheinen.
Äh, wieviel Cash kriegt man doch gleich als Oleh Chadash (Neueinwanderer) ? Die Stimmungen wanken und wer heute einwandert, der muß sich schon auf den Hosenboden setzen und etwas für sein neues Land tun um von der Gesellschaft anerkannt zu werden. Allein mit den Klunkern klimpern zählt schon lange nicht mehr.

Jerusalem braucht wieder mehr "normale" Bürger, so das Motto der Stadtverwaltung. Wenn es nicht gelingt, der säkuleren Intelligenz die Stadt attraktiver darzustellen, dann lautet die Prognose, dass im Jahre 2012 die Stadt eine fast haredische Einwohnermehrheit besitzt; nämlich 44 %.

Die Stadtverwaltung treibt die Panik und nun wird sich in die neue Aktion "Vision for Jerusalem" gestürzt.

Bei all der Panik, ich glaube kaum, dass ein Aryeh Deri (sephardisch - haredische SHASS - Partei) oder Me'ir Porush von der haredischen Yahadut HaTorah das Rennen machen werden. Und falls doch, so what, dann sind eh wieder alle mit jedem zerstritten, was nichts Neues wäre. Jerusalem ist und bleibt ein heißes Eisen und hoffentlich gehen die Bürgerdiskussionen in dieser Woche weiter.

Übrigens sichtete ich auch Ayalah Sabag, die radikale Kämpferin für die Rechte aller und besonders für sich selbst.

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