Mittwoch, 20. Februar 2008

Offene Gesellschaft

B"H

Nachdem es gestern gefallenen Schnee einregnete, schmolz dieser schnell dahin. Schon am Nachmittag waren alle Straßen von ganz allein geräumt. Der Dauerregen aber hielt an und ließ die Hochzeit, auf welche ich abends eingeladen war, fast untergehen.

Man hatte mir geraten nicht unbedingt pünktlich bei einer Hochzeit anzukommen, was ich gestern abend auch nicht tat. Ich kam später und hatte nichts verpaßt. In der Großen Synagoge in der King George schlugen sich die mehreren Hundert Gäste unentwegt am Bufett herum. Freunde berichteten kurz nach meiner Ankunft, es gebe Hühnerschnitzel und Salate als Vorspeise. Bevor wir am Bufett überhaupt erst ankamen, umarmte mich die Mutter des Bräutigams, während der Vater und Sohn emsig nach der Ketubah (dem Hochzeitsvertrag) suchten. Die Ketubah war einfach nicht mehr auffindbar und alle herumstehenden Koffer wurden akribisch auseinander genommen. Die junge Braut sass wenige Meter entfernt. Eine Bekannte meinte, wir sollen alle zu ihr gehen und einen Segen empfangen. Einen Segen von der Braut und alle unsere Wünsche gehen in Erfüllung.

Irgendwie stiegen wir dann aber doch nicht über die umgeschütteten Koffer zur Braut, sondern begaben uns proletarisch in Richtung Bufett. Dort fragte mich eine ältere Amerikanerin, wieso ich da so rumstehe. Ich gehöre wohl nicht zu den Gästen. Sprachs und schaute mich misstrauisch an. Erst verstand ich nicht, was sie meinte, aber als sie einfach fortfuhr mit "Naja, macht ja nichts, ich bin auch einfach nur so gekommen", ging mir ein Licht auf. Als sie sah, dass ich doch zu den Eingeladenen gehörte, verschwand sie schnell.

Rabbi Mordechai Machlis hatte zur Hochzeit seines Sohnes Moshe geladen und alle kamen. Geladen oder nicht, Juden und Nichtjuden, der Rabbi hatte es geschafft, alle anzuziehen. Zum Schluß waren garantiert 1000 Leute anwesend.

Als die Ketubah endlich gefunden wurde, war es schon 1,5 Stunde über die angekündigte Chuppah (Baldachin) - Zeit. Um 19.00 Uhr hätte das Brautpaar unter der Chuppah stehen müssen und nun war es 20.30 Uhr als es losging. Das Paar war es dann auch, welches darauf bestand, die Chuppah draußen aufzubauen, denn die gesamte Zeremonie sollte unter dem Sternenhimmel stattfinden.

Alles bewegte sich mit Schirm bewaffnet nach draußen, wo die Chuppah schon mächtig ins Schwanken kam. Die Leute drängten und der Regen ließ das Wasser nur so von den Chuppahleinen tropfen. Nach ein paar Minuten stand das Brautpaar nicht nur unter der Chuppah, sondern auch unter zwei Regenschirmen. Nach ca. 20 Minuten war alles vorbei und dann ging es zum Bufett. Nicht zum vorherigen, sondern zu einer riesen Feier im Erdgeschoss.
Für meine Begriffe waren zuviele Leute da, was die ganze Feier etwas unpersönlich erscheinen ließ.

Schnell hatten meine Freunde und ich einen Tisch gefunden und okkupierten ihn standhaft. Genau das war nicht einfach, bei der Menschenmenge. In der Saalmitte stand eine weiße Trennwand (Mechitzah), die Männlein und Weiblein aus Anstandsgründen voneinander trennte. Nicht immer jedoch wurde der Anstand eingehalten.

Das Essen kam per Kellnerin und eine Flasche Wein wurde auch gleich geköpft. Unsere Runde begann feuchtfröhlich, ging aber irgendwie verloren. Nach dem ersten Gang wollten sich schon viele entfernen.
Mit einer Freundin blieb ich bis zum zweiten Gang und ob ein dritter folgte, haben wir nicht mehr mitbekommen. Beim Hinausgehen machte sie Photos vom Brautpaar samt Families und ich stand wieder nur da. Wenigstens kam die Frau nicht mehr auf mich zu, um mich zu verdächtigen, dass ich mich ja wohl nur eingeschlichen habe.

Stattdessen erblickte ich einen Bekannter, der bei der staatlichen Radiostation Reshet Aleph arbeitet. Emisg zog er ein Tonbandgerät aus der Tasche, um mich zu interviewen. Aufgrund des Weines verstand ich erst einmal nur Bahnhof, doch er drehte an ein paar Knöpfen und fragte, warum soviele Leute zu den Machlis - Hochzeit gekommen sind. Nun wird mein Gestammel irgendwann auf Reshet Aleph zu hören sein.

Umstehende Gäste schauten auf und fragten sich, ob sie mich kennen. Wenn einer interviewt wird, dann muß das jemand Wichtiges sein. Der Radio - Bekannte war weg und ich stand da mit ein paar Typen, die mich nun auch etwas fragen wollten. Was, habe ich nicht mehr vernommen, denn ich machte klar, dass ich doch jetzt dringend gehen müsse.

Photos gibt es demnächst zu bestaunen.

Bleibt nur noch, dem jungen Paar Cheftzi und Moshe Machlis "MAZAL TOV" zu wünschen !!!

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen