Mittwoch, 6. Februar 2008

Die Angst vor der eigenen Schwäche

B"H

Wie der jüdische Philosoph Gershom Scholem beschäftige ich mit allem, was das Judentum hergibt. Egal, ob das die Thora, der Talmud, die Kabbalah, jüdische Philosophie oder Geschichte betrifft. Aus vielerlei Gründen lerne ich derzeit ausgesprochen viel jüdische Geschichte und Soziologie. Wobei Letzteres mehr vom relig. Aspekt zu bewerten ist.

Während meiner Zeit der relig. Studien, welche allerdings bis heute anhalten und weitergehen, lernte bzw. lerne ich unzählige verschiedene Religiöse aller Sparten kennen. Eines haben sie alle gemein: Sie selber unterteilen sich in mehrere Gruppen innerhalb ihrer eigenen Gesellschaft.

Da sind jene orthod. Religiösen, die sich neben den regulären Yeshiva - Studien (relig. Schule) auch mit dem akademischen Judentum beschäftigen. Heißt, nicht nur die Augen verschliessen und alles glauben, was viele Rabbiner vorschreiben bzw. sie Texte interpretieren. Andererseits gibt es jene, die stumm dasitzen und alles glauben, was ihnen ihre eigene Gesellschaft erzählt und vormacht.

An der Uni lernte ich viele Haredim (Ultra - Orthod.) kennen, die eine akademische Offenheit an den Tag legten, welche sie in ihrer eigenen Gesellschaft niemals offen zeigen dürften. Da werden akademische Thesen oder Doktorate verfaßt, die man in keiner gewöhnlichen relig. Buchhandlung angeboten bekommt. Das Schlimmste ist für mich, wenn orthod. Männer auf der Straße den Frauen schnell den Rücken zu drehen. Nur nicht die Frau anschauen, denn die könnte negative Eigenschaften in mir hervorrufen. Außerdem hat die Frau eh eine andere Aufgabe im Leben. Vornehmlich den Haushalt um den Zusammenhalt der Familie zu gewährleisten.

Wenn Haredim so denken, dann habe ich hierfür noch irgendwo ein gewisses Verständnis. Bei den Nationalrelig. dagegen ist bei mir in diesem Punkt der Ofen aus. Was bildet sich ein Nationalrelig. ein, der in kurzen Hosen daherkommt, Sandalen ohne Socken trägt und den Frauen erzählen will, sie sollen sich gefälligst anständig anziehen ?

Viele nationalrelig. junge Männer gehen direkt weg von ihrer Schule (Noam) in die Armee. Nicht direkt in die Armee, denn oft schließen sie sich dem "Hesder - Programm" an. Hesder bedeutet halb Armeedienst und halb Yeshiva.

Hesder - Studenten sind mir persönlich ein Dorn im Auge, denn deren Mentalität ist mir unbegreiflich. Kann sein, dass ich zu sehr in der haredischen (ultra - orthod.) Welt bin als in der nationalreligiösen an sich.

Vor ein paar Jahren arbeitete ich im Büro eines Hesder - Vereinigung. Außenstehende meinen, die Nationalrelig. seien überwiegend radikale Siedler, aber immerhin offen und nicht zu verschlossen wie die Haredim. Meiner Erfahrung nach ist jedoch oft das Gegenteil der Fall, was obskur wirkt. Aber vielleicht sollte ich zuerst klarstellen, dass nicht alle Nationalrelig. auf der radikalen Siedlerschiene fahren.

Die angeblich so offene Hesder - Gesellschaft dagegen gleicht in vielen Fällen einem frauenfeindlichen Club, der sogar Mea Shearim bei Weitem in den Schatten stellt. Die Hesder - Soldaten kapseln sich von der Weiblichkeit in der israel. Armee vollkommen ab. Überhaupt sollten Frauen eh nicht in der Armee dienen, so Hesder.

Frauen dienen in der Armee oftmals als Ausbilderinnen und auch diese werden von Hesder abgelehnt. Egal, ob die Frau bildungsmässig geeignet ist oder nicht, sie muß weg. Gerade wurden vier Hesder - Soldaten zu 21 Tagen Militärknast verurteilt, weil sie in einem Kurs die weiblichen Ausbilder ablehnten und aussteigen wollten. Die Vorgesetzten sahen die Ablehnung als total übertrieben an.

Täglich komme ich mit Religiösen in Kontakt, aber ein Fundamentalismus wie bei Hesder kommt mir selten unter. Ich rede mit Chassidim von Dushinsky, Vishnitz, Belz und allen fast nur denkbaren chassidischen Gruppen, aber nie erlebte ich diese Mentalität eines Fanatismus mit Sandalen und Socken.

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