B"H
Wie bekannt (oder auch nicht) beginnt heute (Mittwoch) abend in Israel der nationale Holocaust - Gedenktag "Yom HaSchoah". Morgen früh ertönt ein zweiminütiger Sirenenton, bei dem gewöhnlich alles stillsteht. Selbst der Straßenverkehr.
Jeder Yom HaSchoah ist gekennzeichnet mit vielen Zeugenaussagen von Holocaust - Überlebenden. Die Zeitungen sind voll und auch im Radio kommen alle zu Wort. Die zentrale Gedenkveranstaltung findet heute abend gegen 20.00 Uhr im Jerusalemer Holocaust - Museum "Yad VaShem" statt.
Der Holocaust wird in Israel nach wie vor ernst genommen, trotzdem es jedesmal wieder die neuen / alten Diskussionen gibt. Warum stehen viele Haredim (Ultra - Orthod.) beim Sirenenton nicht still ? Was bedeuten uns heutzutage die Holocaust - Überlebenden ? Wie schaut deren Alltag aus, wenn die Regierung nur zögerlich die Renten erhöht ?
Am Gedenktag selbst geraten unzählige Überlebende in eine mentale Krise und die Help - Lines sind vollbesetzt. Bei AMCHA (einer Organisation zur Betreuung von Überlebenden) werden extra Telefonschichten gefahren.
Da die Überlebenden immer seltener werden, laden große Veranstaltungen immer wieder zu Erlebnisberichten und Vorträgen ein. Mit deutschen Holocaust - Überlebenden habe ich in meinem israel. Leben kaum etwas zu tun gehabt. Die mir bekannte Mehrheit kommt aus Polen und Ungarn. Wobei die Ungarn besonders unversöhnlich sind.
Was deutsche Nichtjuden immer interessiert ist, wie die heutige israelische Gesellschaft auf das Thema reagiert bzw. wie Deutsche in Israel aufgenommen werden. Die Problematik hängt jedoch immer davon ab, wo man sich befindet und mit welchen Israelis man zu tun hat. Verallgemeinerungen wie "man hat uns vergeben" oder "wir sind immer noch schuldig" gibt es daher nicht. Alles hängt vom Individualfall ab. Ich kann auf Leute treffen, bei denen der Holocaust nicht unbedingt eine große Rolle spielt oder ich treffe auf Leute, bei denen es das sehr wohl tut. Allgemein sei vielleicht gesagt, dass Haredim in vielen Fällen besonders empfindlich reagieren. Viele von ihnen haben ihre Familien in der Schoah verloren und zeigen sich unversöhnlich. Der Umgang mit Deutschen ist ihnen generell unangenehm und ich finde, dass man dieses als Deutscher akzeptieren sollte und sich nicht aufzudrängen hat. Komischerweise verspüren manche dt. Touristen oft den Drang zu beweisen, wie toll und unschuldig sie doch heute seien. Das dieses manchmal als penetrant oder nervig aufgefasst wird, scheint bei vielen keine Rolle zu spielen.
Bestes Beispiel hierfür geschah am letzten Pessach; also erst vor wenigen Tagen.
Ein deutscher Volontär aus einem christlichen Hospiz in Jerusalem wollte unbedingt an einer jüdischen Pessach - Seder teilnehmen. Nun sind relig. Juden gewiss nicht darauf erpicht, Nichtjuden zu einem Sederabend einzuladen; noch dazu, wenn jemand aus einem christlichen Hospiz kommt. Als der Volontär dann von einer chassidischen Familie erfuhr, wollte er unbedingt dabei sein. Man teilte ihm jedoch mit, dass der Ausrichter der Feier als einziger den Holocaust überlebte und alles andere als nichtjüdische Deutsche bei seiner Seder haben will.
Am Sederabend tauchte der Deutsche aber auf, was ich und einige andere ziemlich geschmacklos fanden. Ignorant und dumm. Auf Gefühle wurde keine Rücksicht genommen. Nein, man warf ihn nicht hinaus, sondern behandelte ihn freundlich. Das allerdings schien den Volotär munter zu Weiterem zu bewegen, denn gleich darauf schleppte er noch zwei weitere Gestalten aus seinem Hospiz mit an. Einen weiteren Deutschen, der ohne jegliche Kopfbedeckung auftauchte sowie eine Ungarin.
Schade nur, dass die Drei am letzten Pessachabend nicht mit dabei waren als es um den Holocaust ging und der Gastgeber eine lange Rede hielt. Hierbei kam noch ein weiterer Gast, auch Überlebenden, zu Wort und er trug alte chassidische Städtl - Lieder vor. Lieder aus einer Vergangenheit, die heute niemand mehr richtig nachvollziehen kann. Eine Städtl - Vergangenheit, die ausgelöscht worden ist.
Irgendein deutsch - jüdischer Blog gab einen Link zu einem Artikel einer großen deutschen Tagezeitung, wo es um kinderreiche israelische Familien ging. Da ich alles nur mehr oder weniger überflog, kann ich mich weder an den Namen des Blogs noch an den Namen der Tageszeitung erinnern. Das Gefährliche ist jedesmal, wenn sich deutsche Journalisten auf Themen einlassen, von denen sie keinerlei Hintergrundkenntnisse besitzen. Da wird mal kurz durchs Internet gesurft oder mit drei vier Leuten geredet und schwupps habe ich meinen Artikel fertig. Unwissende Leser mögen das Dahingeplätscher glauben, für mich hingegen klang es mal wieder das, was es war: keine Ahnung und davon recht viel.
Ein wichtiger Grund, warum gerade haredische Familien auf Kinderreichtum setzen, hat nicht immer etwas mit fehlenden Verhütungsmittels zu tun. Wobei fehlende Verhütungsmittel ein etwas dreist daher geholtes Argument ist.
Besonders bei haredischen Familien geht nach wie vor der Alptraum der Schoah um। Generationen wurden von den Deutschen vernichtet und nicht wenige Haredim verspüren den manchmal sogar psychopathischen Drang, diese verlorenen Generationen wieder auferleben zu lassen. Und daher oft der Kinderreichtum.
In meinen beiden relig. Blogs Hamantaschen sowie Jerusalem Backyard gehe ich dieser Tage näher auf die jüdische - religiöse Welt und den Holocaust ein.
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