Sonntag, 4. November 2007

Das überflüssige Monster

B"H

Warum wir ausgerechnet in Jerusalem solch ein unförmiges weisses Monster brauchen, habe ich nie verstanden. Nicht nur ich, sondern es entstand eine eigene Bürgeninitiative, welche den Monsterbau verhindern wollte. Ohne Erfolg.

Seit vielen Monaten wird gebaut. Zuerst wurden riesige Löcher auf beiden Strassenseiten der Zalman Shazar, der Einfahrtsstrasse nach Jerusalem, gegraben. Jetzt sieht man einen gigantischen Kran, der die häßlichen weissen Bauteile umherschiebt.

Die Rede ist von der neuen Brücke, welche Jerusalem neben San Francisco und der Brooklyn Bridge zum Wahrzeichen der Welt machen soll. Auf der Skizze des Architekten war eigentlich alles ganz nett anzuschauen. Als ich jedoch die weissen Bauteile sah, dachte ich vor Schreck, daß es sich bei ihnen bestimmt nur um ein Provisorium handele. Wie ekelhafte lange Schläuche ziehen sich die Bauteile durch die Luft.

Es kann ja durchaus sein, daß zum Schluß alles ganz toll aussehen mag, aber bis dahin rechnet uns die Anwältin Schlomit Rubin die Kosten für den Steuerzahler vor. In ihrem Bericht ist die Rede von einem unvorhergesehenen Kostenanstieg und die damit verbundene Verschwendung von Steuergeldern. Innerhalb der letzten fünf Jahre haben sich die Kosten von den ursprünglich vorgesehenen 71 Mio Shekel (14 Mio Euro) auf 246 Mio Shekel (ca. 50 Mio Euro) verdreifacht. Und noch ist kein Ende in Sicht.

Und was passiert, wenn die Brücke fertiggestellt ist ? So wie es aussieht, ist sie ausschließlich für Fußgänger gedacht, welche die Shazar dann in Richtung Zentralen Busbahnhof und Sderot Herzl überqueren können. Der Vorteil wäre, daß die bisherigen schrecklichen drei Ampeln auf den verdienten Müll geworfen werden könnten, denn um diese zu überqueren, muß man schon gut zufuß sein und die Straße im Laufschritt überwinden.

Aber wozu braucht ausgerechnet unsere Stadt solch ein Wahrzeichen ? Haben wir nicht schon genügend andere ? Die gesamte Altstadt incl. Kotel (Klagemauer) ist doch schon Wahrzeichen genug. Keine andere Stadt auf der Welt kann da mithalten. Sogar Disneyland dachte darüber nach, unsere Altstadt im Vergnügungspark originalgetreu nachzubauen.

Jahrelang tat sich gar nichts in bezug auf Modernisierung unserer Stadt und wenn wir ehrlich sind, dann sind wir auf den eigenen Stil Jerusalems sehr stolz. Nichts haben wir gemein mit dem verbauten kalten Tel Aviv. Nein, bei uns herrscht die heimische Atmosphäre und unsere Mentalität mag von vielen als konservativ verspottet werden. Insgeheim aber sind die Tel Aviver neidisch auf uns Jerusalemer und unsere Gemütlichkeit, denn wir hecheln nicht wild durch die Stadt, immer auf der Suche nach neuer Action.

Aber offensichtlich hat sich Bürgermeister Uri Lupolianski zu höheren Spären überreden lassen. Entweder zieht die Modernisierung ein oder wir werden zum Kaff degradiert. Straßen wurden umgewälzt und die Jaffa auf der Höhe des Machane Yehudah Marktes um ein Vielfaches verbreitert. Zugegeben, dies geschah ohne daß vorhandene Gebäude grossen Schaden erlitten. Die Straßenbahn kommt und Schienen werden schon fleissig verlegt.

Obwohl sich Jerusalem nicht unbedingt eine Straßenbahn leisten kann, garantiert sie doch, daß die luftverpestenden Busse endlich die Innenstadt räumen und so mehr Fußgängerzonen eröffnet werden. Die Jaffa soll verkehrsfrei und mit Grünanlagen ausstaffiert werden. Ganz wie in der Vergangenheit zur Jahrhundertwende.

Aber was machen wir mit der weissen Brücke an der Stadteinfahrt ? Soweit macht sie nur den Eindruck eines ekelhaften Betonklotzes, der Jerusalem in die Protzigkeit drängen könnte. Zu uns Einwohnern paßt die Brücke jedenfalls nicht, denn wir sind rustikaler als sie.

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