Freitag, 9. November 2007

Pogromerinnerung ?

B"H

Ehrlich gesagt, ich haette es glatt vergessen, wenn ich nicht diese Woche ab und an in einigen deutsch - juedischen Blogs davon gelesen haette. Ich habe nicht an den 9. November (Reichskristallnacht) gedacht. Muss ich mich jetzt schaemen ?

In Deutschland wird anscheinend gross gedacht, in der israelischen Presse tauchte zum Thema "Kristallnacht" nichts auf. Wenn mich meine noch mueden Augen nicht trueben, dann verliert die Tageszeitung MAARIV kein einziges Wort zum Thema. Absolut Null. Und dass, wo sicherlich Tausende Deutsche der Meinung sind, dass in Israel die grosse Trauerstimmung ausbricht und wir ueber den Holocaust jammern.
Laut neuesten Umfragen in Deutschland soll ja dort jeder Vierte irgendwie anti - juedisch eingestellt sein. Jedenfalls lasen wir das so in unserer Presse.

Die Realitaet schaut anders aus. Der Holocaust ist oft ein Thema, aber wenn, dann mit voellig anderen Fakten und Hintergruenden als in Deutschland. In Israel geht es ueberwiegend um den aktuellen Antisemitismus und wir sind neugierig, wie die Welt mit dem Problem umgeht. Wohlgemerkt, die Welt und nicht nur Deutschland.

Ein gutes Beispiel liefert die heutige Maariv dann doch noch. In der Wochenendbeilage wird ein mehrseitiger eindringlicher Artikel mitgeliefert. Ich habe ich noch nicht ganz durchgelesen, doch geht es um Polen, welche noch vor kurzem zur rechten polnischen Szene gehoerten und doch dann glatt erfuhren, dass sie juedischer Abstammung sind. Sogar ein katholischer Priester ist darunter, der sich unbestreitbar juedisch fuehlt, aber dennoch seinen Meschiach J. nicht aufgeben will. Ein weiterer Fall beschreibt einen Ex - Neonazi, der ploetzlich Haredi (Ultra - Orthod.) wurde und seit neuestem koscheres Essen ueberwacht (ein Maschgiach). Schon seltsam, was die Nachricht des "Juedischseins" bewirken kann.

Aber das in Israel nun unbedingt dem 9. November gedacht wird ?
Ich denke, dass viele Israelis es ganz einfach als deutsches Problem betrachten, der Kristallnacht zu gedenken. Wer aus der Geschichte nicht lernt, der setzt sich der Gefahr der Wiederholung aus.

Bevor ich im Juni 2000 nach Israel auswanderte (Aliyah), gab es am 1. Mai in unserer Stadt eine grosse Neonazi Demo. Soweit ich mich erinnere, war es ein Sonntag und es herrschte strahlender Sonnenschein. Meine Freunde riefen mich alle an, ob ich nicht mit auf Gegendemo gehe. Nein, meinte, ich, dass ganze Thema sei mir egal, denn ich gehe in ein paar Wochen. Und Zoff mit der Polizei wollte ich auf den letzten Druecker auch vermeiden.

Dann kam der 1. Mai und ich sass mit einer Freundin daheim beim Kuchenessen. Zu allem Unglueck klingelte wieder das Telefon und ein Freund war dran. Er sei auf der Demo und ich solle mal hinhoeren, was im Hintergrund geschieht.
Nun, was geschah schon gross ? "Deutschland den Deutschen" wurde gerufen. So what ? Soll mich das jetzt beeindrucken ?

Ich liess mich aber ueberreden und meine Freundin und ich machten uns auf den Weg in die Innenstadt. Am Ort des Geschehens angekommen, war absolut tote Hote. Nichts war zu sehen. Aber dann tauchten ploetzlich irgendwelche Anarchos auf, die ihre Molotow - Cocktail preparierten. Wir liefen hinterher und sahen den Neonazi Zug kommen. Es war das erste Mal, dass ich soetwas sah und mir machten die riesigen Flaggen und das Trommelgeschlage angst. Die Gegendemo befand sich gleich in der Nebenstrasse und ich sah einen Anarcho eine volle Wasserflasche in den Nazizug werfen. Vorher dachte ich noch, ob es denn nicht meine buergerliche Pflicht sei, ihn davon abzuhalten. Im Nachhinein war es mir dann aber doch egal und er schmiss.

Der Typ bewies Treffsicherheit und die Nazis schrien auf. In dem Moment rannte die Polizei mit Schlagstoecken in unsere Richtung und wir flohen. Zu aller Unglueck entkam ich dem Polizeikessel nicht rechtzeitig und ich verfluchte meine Freunde, die mich ueberredete hatten. Ich wollte nur noch nichts wie weg von der Demo und aus dem Land.

In Deutschland ist es sicher wichtig, an solche Daten zu erinnern, denn man weiss ja nie, was kommt. Zusaetzlich verlangt das Ausland von Deutschland eine gehoerige Portion an Reue. Ob das nun Hollaender oder Englaender sind. Europaeische Einheit hin oder her, fuer Auslaender ist Deutschland immer noch Deutschland und da kommen die Thema "Holocaust und Zweiter Weltkrieg" immer wieder hoch. Nur wenn Deutschland sich wirklich aendert und eine Einsicht zeigt, kann sich der Zustand einmal in weiter Zukunft aendern.

Israel wiederum betrachtet diese Angelegenheit als reine deutsche Angelegeheit. Wichtig zu erwaehnen sei hier, dass die Mehrzahl der israel. Holocaust - Ueberlebenden keineswegs aus Deutschland kommt. Jene Deutsche traf ich bisher ganz ganz selten einmal. Die Mehrheit der Ueberlebenden kommt aus Ungarn, Rumaenien, Polen und Russland. Wobei sich besonders die Ungarn als unversoehnlich erweisen.

Viel mit Erinnerung bei den deutschen Juden wird es heute jedoch nichts werden, denn in wenigen Stunden ist Shabbat und dann ist es halachisch verboten zu trauern.

Shabbat Shalom an alle.

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