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Tel Aviv ist leicht unterteilt: Die Bewohner des Nordens haben Geld, der Südteil der Stadt hat keines und der Rest verteilt sich halt so mittendrin. In Jerusalem dagegen kann man sich nicht immer so genau festlegen, denn selbst in den betuchteren Vierteln wie Rehavia oder der German Colony leben stinknormale Bürger. Wer hingegen in Tel Aviv ins nördliche Ramat Aviv oder bereits in die Gegend um die Arlozorov fährt, merkt den Unterschied. Allein die Miete beläuft sich auf wer weiss was und durch die Fensterscheiben spiegelt sich der modernste Wandbildschirm des Fernsehers.
Solch Gehabe interessiert mich nicht und bisher lebe ich im Zentrum von Tel Aviv. Vor Kurzem noch plante ich eine Rückkehr nach Jerusalem, doch das habe ich vorerst ad acta gelegt. Ganz einfach, weil ich mich in der Küstenstadt sauwohl fühle. Wer hätte das gedacht ?
Wohin ich auch ziehe, in der Regel bin ich der Kiez – Typ und Tel Aviv erinnert mich immer ein wenig an Berlin. Vielleicht, weil hier einfach jeder Typ Mensch zu finden ist und alle ihre Freiheit ausleben.
Innerhalb der letzten Jahre hat sich die Stadt verändert. Wohn – und Bürotürme wurden hochgezogen, Tausende Israelis aus anderen Orten des Landes zogen zu. Immerhin bietet Tel Aviv noch Jobs und das oft nicht schlecht bezahlt.
Leider gingen all die Veränderungen an die alte Substanz der Stadt. Unter anderem wurde aus dem alten Kiez, dem jemenitischen Viertel um den Carmel Markt, ein halber Schickimicki – Betrieb und die ursprüngliche jemenitische Bevölkerung verschwand fast ganz. Häuserrestaurierungen, Mieterhöhungen, die Studenten zogen ein und dann auch noch die besser Betuchten. Der Kiez war weg und damit auch das einstige Rotlichtmilieu des kleinen Stadtteiles.
Anmerkung: Über den jemenitischen Stadtteil habe ich bisher noch nicht berichtet, was aber noch kommt.
Ein Arbeitskollege, der mitten in Tel Aviv – Süd wohnt, legte mir ans Herz, die Umgebung der Levinsky zu erkunden. “Da siehste noch alte Tel Aviver mit offenem Hemd vor ihren Geschäften sitzen und Scheschbesch (Backgammon) spielen !”
Die Levinsky um den Zentralen Busbahnhof ist mit der Shomron Street, der Finn (Pinn) Street oder der Bnei Brak nebendran sozusagen die Müllhalde der Stadt. Prostitution, illegale Afrikaner zuhauf und philippinische Gastarbeiter. Wer in Tel Aviv billig wohnen will, der zieht an die Levinsky. Auch wenn die Nachbarn mal randalieren, die Prostituierten nebenan stöhnen und die Afrikaner draußen vor dem Haus dealen oder das Messer zücken. Nachts um 3.00 Uhr ist man drinnen in der Wohnung und nicht auf der Levinsky.
Die Gegend um die Straße und das Viertel, was an den IN – Stadtteil Florentin grenzt, hat aber auch noch ein ganz anderes Gesicht und mein Arbeitskollege hatte zu 100% Recht. Wer den richtigen alten Kiez von Tel Aviv sucht, der begebe ich in den hinteren Teil der Levinsky. Vom Busbahnhof gerade durch in Richtung HaAliyah Street (grenzt an die Allenby), HaAliyah überqueren und schnurstracks in den zweiten Teil der Levinsky marschieren. Dorthin, wo der Schwarma (Döner) noch 15 Schekel (ca. 3 Euro) kostet.
Zum Vergleich: Anderswo in der Stadt kostet der Schwarma um die 27 Schekel.
Wenn mir eine Gegend in Tel Aviv zusagt und ich mich sofort heimisch fühlte, dann der hintere Teil der Levinsky und das angrenzende Florentin. So richtig mittendrin zwischen zwei Stadtteilen. Dort ist man noch daheim in den kleinen Cafes und die Geschäfte sind billig. Man kennt sich und die Händler nennen die Kunden beim Namen. Zumeist sephardische Juden, doch richtige alte Originale, die Tel Aviv heutzutage sehnlichts vermissen lässt.
Zentral gelegen zwischen Allenby, Florentin und Neve Zedek. Downtown Tel Aviv – Süd. Dreck, Kiez und Heimat.
Photos: Miriam Woelke
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