Aus der heutigen "Israel Hayom"
Quelle: Rotter.Net
B”H
Alle Jahre wieder im Juli, August, September laufen die meisten Mietverträge der israelischen Bevölkerung ab. Dann wird entweder auf ein weiteres Jahr unterschrieben oder eine neue Bleibe gesucht. Damit wird der Hochsommer zur “Saison der Wohnungssuche”. Besonders Studenten sind zu der Zeit auf Wohnungssuche für das anstehende neue Semester. Wer als “Normalo” (nicht als Student) in dieser Zeit eine WG sucht, der hat es ausgesprochen schwer. Schon am Telefon wird klargemacht, dass nur Studenten erwünscht sind und falls man doch zu einer Besichtigung des freien Zimmers eingeladen wird, heißt es nebenbei, dass hier gelernt werde und Krach unerwünscht sei. Wobei mir Letzteres fast immer unglaubwürdig vorkam.
Bei der israelischen Wohnungssuche kann man was erleben und die Gesellschaft in ihrer fast miesen Form kennen lernen. Derzeit habe ich das Problem nicht, doch in ein paar Monaten werde ich voraussichtlich nach Jerusalem zurückkehren und dann muss ich mich, wohl oder übel, auf Wohnungssuche begeben. Zum Glück nicht in eine WG !
Entweder heißt es schon am Telefon, die Wohnung bzw. das WG – Zimmer sei vergeben oder nach der Besichtigung werde man angerufen. Im Fall des “Angerufen werden” bedeutet dies genau so: “Du bekommst die Wohnung nicht, sondern ein anderer !” Anrufen tut einen in Israel selten jemand und wer diese Ausrede im Immobilienbereicht vernimmt, der ist draußen und darf weitersuchen.
Im Jerusalemer Stadtteil Rehavia hatte ich meine schlimmsten WG – Besichtigungserlebnisse. Das ist zwar schon eine Weile her, doch spuken mir die Erinnerungen manchmal noch so durch den Kopf. Viele Studenten und andere zieht es in die Metudella Street und ich sah dort so einiges an Bleiben. Ein Bekannter von mir wohnt nach wie vor dort, macht aber auf Normalo – WG ohne Studenten.
Einmal sah ich eine WG, in der sich die selbsternannte Bossin, eine Studentin, fast zur Königin krönen liess. Zwei männliche WG – Mitglieder (oder wer immer sie auch waren) unterhielten sich kurz mit mir und versuchten dann, mir ein Vorstellungsgespräch bei ihrer Königin zu vermitteln. Die aber scherte sich gar nicht um mich oder ein paar weitere Bewerber, denn sie las ihre Studiskripte, ohne nur ein einziges Mal aufzublicken. Sehr kommunikativ war die Königin also nicht und auf solch Getue konnte ich getrost verzichten.
Eine weitere WG gab sich in ihrer Announce als einigermassen religiös, doch als ich eintraf, zog gerade eine deutsche nichtjüdische Studentin aus. Als ich nach der angespriesenen koscheren Küche fragte, kam man ins Stottern und ich sah, dass die Deutsche kurz noch eben mal am Herd hantierte. Damit hatte sich dann der Fall ebenso erledigt.
Im Jerusalemer Stadtteil Beit Hakerem schloss ich Freundschaften bei der Wohnungssuche. Dasselbe passierte mir in Tel Aviv. WGs zu finden, ist nicht einfach, denn immer wieder kommen die Mitbewohner mit neuen Bedingungen daher und letztendlich ist der eine oder andere Bewohner nicht anwesend und man ist gezwungen, abermals hinzugehen und die gleiche Leier nochmal abzuspulen.
Kautionen werden allgemein verlangt. Insbesondere bei der richtigen Wohnungssuche und nicht unbedingt bei einer WG. In der Regel zwei Monatsmieten oder mancher Vermieter will Kaution + zwei Mieten im voraus. In Israel ist es nicht ungewöhnlich, dass so mancher Mieter seine Miete alle zwei Monate zahlt.
Bezogen auf die aktuellen Studentendemos sowie anderweitigen Israelis, die sich keine oder kaum mehr eine Bleibe leisten können: Nehmen wir einmal an, jemand ist Normalverdiener und sogar etwas darunter. Wie soll der die Kaution und die Miete auf einen Schlag aufbringen ? Gar nicht erst zu schweigen von dem Geld, was er in die neue Bude stecken muss, denn erstens hinterlassen viele Israelis ihre Wohnung als Schlachtfeld oder die Behausung befindet sich eh in einem miserablen Zustand. Bedeutet, Geld für die Kaution, die Miete + Renovierungen. Wer soll sich das leisten ?
Gestern abend kam in der Nachrichten ein Bericht im TV, nachdem in einem größeren Mehrfamilienhaus unendlich viele Leute hausen sollen. “Wie denn ?” fragte der Reporter skeptisch und jemand führte ihn durch die vermieteten Keller des Gebäudes. In zahlreichen Kellerräumen, winzig, moderig und ohne Luft hausen ich weiss nicht wie viele ältere russische Paare. Eines bereits seit zwölf Jahren. Der Vermieter kassiert 1200 – 1500 Schekel pro Monat von insgesamt fast zehn Kellereinheiten. Das Fernsehen gab zu, dass es sich um einen Vermieter ohne Skrupel und Moral handele.
Es wird Zeit, dass die Leute allmählich auf die Barrikaden gehen. Wie viele Israelis sind seit langem ohne festen Wohnsitz und hangeln sich von Freund zu Freund. Wie viele Kinder können ihr Elternhaus nicht verlassen, weil sie sich eine eigene Bleibe gar nicht leisten können ? Mit 18 ausziehen ? Schön wär’s !
Ohne Eltern, Freunde und Verwandte wären mindestens doppelt soviel Menschen obdachlos. Das Frustrierende ist, man schuftet den ganzen Tag und am Monatsende geht fast das ganze Geld für Miete und Rechnungen drauf.
Die Zeltdemos, die nicht nur von Studenten bewohnt werden, nerven die Regierung und man will sie loswerden. Soziale Proteste sind nicht gerne gesehen. Zwar demonstrierten in der Vergangenheit die Behinderten und die Armen oder beides zusammen, aber immerhin war die Regierung imstande, alle mit Versprechungen und billigen Abkommen mehr oder weniger ruhig zu stellen. Die Studenten jedoch lassen sich nicht primitv abspeisen und da wird Netanyahu nervös, denn er ist gezwungen, in Aktion zu treten. Der aktuelle Vorschlag lautet, Studenten billigere Wohnungen in der Peripherie anzubieten. Außerhalb von Tel Aviv bei Rosh HaAyin oder im Norden des Landes. Einige sehen allein darin eine Gefahr, denn Tel Aviv braucht junge Leute und kann nicht einfach anfangen, sie zu verbannen, nur weil sie sich keine schnieke Behausung leisten können. Die Realität jedoch ist, dass die Stadt keine günstigen Wohnungen zu bieten hat und der angesagte Wohnungsbau noch ewig dauern wird.
Ein englischsprachiger Blog machte den Vorschlag, endlich die unliebsamen ausländischen Gastarbeiter, welche einen Tel Aviver Bevölkerungsanteil von 10 % ausmachen, aus dem Land zu schmeissen. Um den Busbahnhof existieren billige Bleiben, doch dort haben sich Philippinos und Afrikaner breitgemacht. Zu viert oder sechst hausen sie in einem Zimmer und so verdient der Vermieter gleich deftig an der Miete. Trotzdem ist nicht zu übersehen, dass die Tausenden von Gastarbeitern vielen Israelis Wohnungen und Tagelöhnerjobs wegnehmen. Daran sind nicht unbedingt die Gastarbeiter dran schuld, sondern israelische Firmen, die ihren Hals nicht vollkriegen können.
Nicht die ganze obdachlose Bevölkerung zieht in die Zeltdemos, denn nicht jeder ist bereit, sich einer Protesthiercharchie zu unterwerfen. Wäre ich auch nicht, ehrlich gesagt. In Israel ist es seit Jahren in Mode gekommen, dass jeder daheim für sich leidet und nicht auf die Straße geht. Man schimpft, man weiss, dass alles Mist ist, aber ändern werden sich die Mieten gewiss nicht. Deswegen habe ich auch keine Vorschläge zu unterbreiten. Was nützt es, wenn die Regierung den Studenten Vergünstigungen anpreist, aber der Rest der Bevölkerung weiter im Mietelend steckt ?