Sonntag, 25. Mai 2008

Wie ist es so in Jerusalem ?

B"H

Viele ausländische Leser stellen mir genau diese Frage. "Wie ist es so in Jerusalem und wie lebt man dort ?"

Den Jerusalemern erscheint diese Frage gänzlich langweilig, da sie einfach in der Stadt leben, ohne groß darüber nachzudenken. Da ich selbst mehr als zehn Jahre in Jerusalem lebte und gerade erst nach Tel Aviv umzog, weiß ich aus eigener Erfahrung, dass die Jerusalemer leider allzu oft vergessen, in welcher grandiosen historischen sowie Heiligen Stadt sie eigentlich leben. Sie leben in der "Heiligen Stadt" und dürfen offen Juden sein. Niemand muß sich dafür rechtfertigen, so wie viele Juden in der Diaspora.
Die Mehrheit der in der Diaspora lebenden Juden, vor allem die US – Juden, haben niemals das Land Israel besucht. Irgendwie eine Schande. Da haben die Juden endlich ihren eigenen Staat und wer zeigt wenig Interesse ? Die Juden selber. Und ich rede hier nicht über die anti – zionistische Doktrin der Neturei Karta, sondern von ganz normalen Juden, denen es offensichtlich im Ausland besser geht als in Israel.

Aber warum kommen sie nicht zumindest einmal auf Besuch ?
"Nun, sagen sich viele, Israel ist zu gefährlich".
"Na, und ? Was ist mit uns Israelis ?"
"Sind wir nicht gefährdet ? Und warum sind gerade wir hier ?"

Was hört man über andere Länder bzw. Städte ? Wird dort nicht gemordet oder geraubt ? Und wie steht es mit dem immer mehr wachsenden Antisemitismus in aller Welt ? Wo also ist es gefährlicher zu leben ?

Aber keine Sorge, Besucher werden in Israel nicht schon fünf Minuten nach ihrer Ankunft am Ben Gurion – Flughafen in die Luft gesprengt. Tatsächlich gibt es vom eigentlichen Terrorismus relativ wenig zu sehen, es sei denn, man reist in bestimmte Gebiete. Die Negev – Stadt Sderot, zum Beispiel, in der, wenn es sich um einen schlechten Tag handelt, alle paar Minuten Bombenalarm (Zeva Adom) gegeben wird.

Jerusalem erscheint dagegen eher friedvoll. Ost – Jerusalem dagegen gehört nicht gerade zu meinem Ausflugsprogramm und so bekomme ich seltener etwas mit. Vor ein paar Jahren fuhr mein Bus am Damaskus – Tor vorbei und wurde wenige Minuten danach gesteinigt. Die von palästinensischen Jugendlichen geworfenen Steine prallten von den Plastikfenstern des Busses ab und der Fahrer fuhr einfach weiter. Ob man es glaubt oder nicht, Jerusalem gilt als sehr sicher und man kann fast überall zufuss hinlaufen. Von einer Nachtwanderung durch Ost – Jerusalem würde ich allerdings abraten.

Die positiven Ereignisse erscheinen fast nie in der Presse, denn heutzutage wollen die Leute Sensationen und Skandale. Und vielleicht klinge ich von daher zu langweilig wenn ich behaupte, dass Jerusalem eine großartige Stadt mit tollen Leuten ist. Es gibt viel zu sehen und kein Tag gleicht dem anderen. Nie weiß man am Morgen, wie der Tag enden wird, denn Jerusalem ist absolut unvorhersehbar. Wer sich näher mit Jerusalem beschäftigt und einige Jahre seines Lebens hier verbringt, der wird feststellen, dass die Stadt etwas "Schweres" an sich hat, was einen manchmal wie von einem Koloß zu erdrücken scheint. Es ist ein kaum beschreibbares Gefühl, welches nur dann zu spüren ist, sobald man die Stadt verläßt. Wer sich selbst nur einen Tag in Tel Aviv oder woanders aufhält, dem fällt der emotionale Unterschied schnell auf. Jerusalem – die problembehaftete Stadt und die offenbare Leichtigkeit Tel Avivs.

Wer hingegen nach Terrorismus und Sensationen dürstet:
Eine Bekannte von mir war in der Fußgängerzone Ben Yehudah als sich mehrere Selbstmordattentäter in die Luft sprengten (im Sept. 1997). Sie war aus New York zu Besuch und wurde bei dem Anschlag schwer verletzt.

Eine weitere Bekannte war in der SBARRO – Pizzeria als sie am 9. August 2001 in die Luft flog.

Und ich selbst war am 1. Dezember 2001 in der Ben Yehudah als sich zwei Selbstmordattentäter in die Luft sprengten. Nicht zu vergessen die Autobombe, die nebenan in der Rav Kook Street hochging. Wir alle liefen gerade in eine Richtung und genau vor uns flog das geparkte Auto in die Luft.

Ist es das, wovor sich alle fürchten ?
Seit langem schon haben wir Jerusalemer gelernt mit unseren Ängsten zu leben. Das Verrückteste ist, das wir niemals aufgeben. Vielleicht aufgrund unserer Religion, die in der Stadt mehr als verwurzelt ist oder einfach nur aus der Freude am Leben. Bezogen auf das jüdische Leben hat Jerusalem natürlich einiges zu bieten. Synagogen fast an jeder Ecke, hunderte von relig. Vorträgen und den Tempelberg (Har HaBeit). Was will man mehr ?
Der erste aschkenazische Oberrabbiner, Rabbi Avraham Yitzchak HaCohen Kook, sagte, dass die Luft in Israel etwas Besonderes sei und weise macht. Der Talmud lehrt das gleiche.

Heutzutage erscheint so manchem die Jerusalemer Luft eher zu heiß und zu verschmutzt; falls man sich dennoch zu einem tiefen Atemzug entscheidet, wird man den spirituellen Unterschied sehr wohl bemerken.

Zu Jerusalem gibt es unendliche Literatur und ich möchte hier nur eine kurze chassidische Geschichte erzählen:

Einmal kehrte ein Chassid in seine sich im Ausland befindende Heimatstadt zurück und berichtete dem örtlichen Rebben von seinem Besuch nach Jerusalem. Die Stadt sei fantastisch, die Straßen seien aus reinem Marmor, die Häuser aus Gold und alles andere sei aus Diamanten.

Der chassidische Rebbe wurde neugierig und reiste kurze Zeit später selber nach Jerusalem. Jedoch war alles, was er sah, nur Schmutz und alles stank erbärmlich nach Abfall. Enttäuscht kehrte er heim und berichtete dem Chassid, was er gesehen hatte. Marmor und Diamanten seien eine einzige Fehlanzeige gewesen. Nichts war zu sehen oder zu spüren.

Der Chassid schaute ihn erstaunt an und sagte: "Aber alles war genauso, wie ich es beschrieben habe. Hast Du es nicht gesehen ?"

Der Rebbe dachte nach und zog sich für einige Tage völlig in die Einsamkeit zurück. Er schloß seine Zimmertüre ab und meditierte. "Wie hatte er nur die Schönheit Jerusalems nur übersehen können ?"

2 Kommentare:

  1. Ich fühle mich sicherer nachts durch Ost-Jerusalem zu laufen als tagsüber durch Mea Shearim. Vielleicht solltest Du doch mal nach Ost-Jerusalem fahren...

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  2. B"H

    Mea Shearim tagsueber ist alles als "gefaehrlich".:-)))

    Freitags abends / nachts schaut es da schon wesentlich anders aus.

    Wenn Ost - Jerusalem, dann nur tagsueber. Und nur die Gegend am Damaskus - Tor und die Altstadt. Das reicht eh schon, um verloren zu gehen.:-)))

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