Sonntag, 7. Januar 2007

Hannah Nachenberg

B"H

Freitag abend, Erev Shabbat, im Mai 2001

Mit einer Freudin bin ich bei Rabbi Machlis zum Shabbat - Essen. Rein zufaellig sitzen wir am Tisch mit David Nachenberg und seiner Frau Hannah. Deren kleine Tochter Sarah ist draussen am Rumtollen mit den Machlis - Kindern.
Seit einigen Jahren kenne ich David. Noch aus der Zeit, wo er Single war. Er ist amerikanischer Herkunft und heiratete irgendwann Hannah, auch Amerikanerin. Sie trafen sich auf einem Konzert der religioesen Popband Schlock-Rock. Liebe auf den ersten Blick sozusagen.

Hannah und David erzaehlten mir von ihren ganzen Problemchen. Nein, in Jerusalem wuerden sie nicht mehr wohnen, sondern waeren nach Modiin gezogen. David arbeitete bei Bank Hapoalim in Ramat Gan und Hannah suchte gerade Job. Das ewig ueberzogene Bankkonto wuerde nerven, aber sonst gehe es ihnen gut.


9. August 2001

Hannah Nachenberg sitzt mit ihrem Onkel und ihrer Tante samt Tochter Sarah in der Jerusalemer Pizzeria SBARRO. Tante und Onkel sind zu Besuch aus den USA. Gerade wollen sie ihre Pizza essen als es knallt.
Ein palaestinensischer Selbstmordattentaeter sprengte sich am Eingang des SBARRO in die Luft. Es war am fruehen Nachmittag. Hochsommer. Die Pizzeria war gerammelt voll. Um noch mehr Leute in den Tod zu reissen, wartete der Attentaeter, dass die Ampel an der Kreuzung King George / Yaffo fuer die Fussgaenger auf gruen springt. Mehrere Hundert Menschen waren in der Naehe. 15 Menschen starben und 130 wurden verletzt.

Die Bombe war ausser mit Sprengstoff auch mit Naegeln gefuellt. Hannahs Onkel und Tante waren nur leicht verletzt, Tochter Sarah hatte fast keinen Kratzer abbekommen, doch Hannah war vorn ueber den Tisch gekippt.
Die Tante untersuchte sie nach dem ersten Schock. Fast kein Blut, gar nichts.

Die Ambulanz traf ein. Der erste "Erste Hilfe Helfer", der in das Sbarro rannte, war der Gerer Chassid Moshe Frand. Spaeter wurde er vom damaligen Buergermeister Ehud Olmert fuer sein Engagement ausgezeichnet. Er zeigte mir stolz seine Urkunde.

Hannah Nachenberg kam ins Hadassah - Krankenhaus. Dort stellte man fest, dass sie einen Nagel mitten im Herzen hatte. Ihr Mann David wurde sofort verstaendigt und der wiederum rief Rabbi Machlis an.
Der Nagel wurde aus Hannahs Herzen entfernt, doch sie erlangte bis heute nicht mehr das Bewusstsein.


2007

Hannah Nachenberg liegt nach wie vor bewusstlos in einer Reha - Klinik nahe Tel Aviv. Die Augen geoeffnet, doch nichts wahrnehmend. Ihre Tochter Sarah ist in der Zwischenzeit ziemlich gewachsen, doch Bilder malt sie ihrer Mutter immer noch.
David versucht gerade in den USA einen Prozess gegen eine palaestinensische Bank zu fuehren und hat gute Chancen zu gewinnen.
Er arbeitet als Sportlehrer in Modiin und schreibt nebenbei Rap - Musik. Neuerdings hat er auch einen Blog. Er textet Rap - Songs ueber amerikanische juedische Sportler.
Manchmal kommt Michael, ein britischer Saenger, zu Hannah ans Krankenbett. Singt ihr religioese juedische Lieder und Hannah schaut an die Decke. Abwesend. Doch Michael ist sich sicher, etwas Gutes zu tun.

Manchmal sehe ich David Nachenberg, der noch immer zu den Machlises kommt. Allein oder mit Tochter Sarah. Wie es seiner Frau gehe ? Naja, immer das gleiche. Nichts Neues.

http://www.geocities.com/racharik/chana.html

http://books.dreambook.com/racharik/main.html

http://www.mfa.gov.il/MFA/MFAArchive/2000_2009/2000/10/Suicide%20bombing%20at%20the%20Sbarro%20pizzeria%20in%20Jerusale


Nachtrag: Das SBARRO wechselte vor wenigen Jahren seinen Standort und zog um. Es befindet sich heute in der Yaffo - Strasse, gegenueber Cafe Hillel.
Im "alten" Sbarro King George / Yaffo ist heute das Cafe Neeman.

2 Kommentare:

  1. schalom, miriam,

    ich wollte diesen eintrag kommentieren, doch konnte ich meine anmerkungen mangels computer-gewandtheit nicht unterbringen. vielleicht bringst du das zustande?

    Wie gut und wie nötig, miriam, dass du über hannah nachenberg schreibst. In diesen jahren gab es so viele anschläge. Ja, es gab so viele opfer, dass wir nicht einmal ihre namen kennen. Die 15 menschen, die damals ums leben kamen, die wurden mit namen genannt, aber die 130 verletzten, wer weiss sie? Und doch, auch sie wurden aus ihrem leben gerissen, auch ihre familien sind --- amputiert. Und wir, die wir sie nicht persönlich kennen, verdrängen das.

    Nur manchmal dringt es uns plötzlich ins bewusstsein. Ich wartete im krankenhaus darauf, irgendwelche formalitäten zu regeln; da kamen zwei frauen und machten sich breit und drängten sich vor. Ich ärgerte mich und dachte etwas wie „der hässliche israeli“. Die eine frau, älter und behindert, hatte einen sitzplatz ergattert. Die andere wurde am schalter nach ihrem namen gefragt. Schijveschuurder, antwortete sie. Mich überlief es kalt. Auf einmal war mir alles wieder gegenwärtig, und ich schämte, schämte mich. Menschen, die solche lasten mitschleppen, leben unter uns, und sie haben nicht mehr die gleichen massstäbe. Wer weiss, ob es nicht einer von ihnen ist, der einer nichtigkeit wegen zu schimpfen beginnt oder der mir jetzt gerade den platz weggeschnappt hat?

    vered

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  2. B"H

    Hi Vered,

    genau das ist das Problem; nach den Anschlaegen hoert man eigentlich gar nichts mehr von den Opfern und Angehoerigen. Die Regierung sagt, dass es ja schliesslich Support - Groups gebe und die Kupat Cholim wuerde sich schon kuemmern.

    Hannah Nachenberg ist nicht das einzige Opfer, welches ich kenne. Etwas spaeter will ich noch ueber Diana Campuzano berichten, die bei dem Anschlag im Sept. 1997 schwer verletzt wurde. Wir sind sehr gut befreundet und sie hat seit damals eine schwere Zeit und unzaehlige Operationen hinter sich.

    Auch selbst kam ich einmal in den "Genuss" bei einem Anschlag life dabei zusein. Am 1. Dez. 2001 auf der Ben Yehuda. Zwei Selbstmoerder und eine Autobombe waren mit daran beteiligt. Von jenen Opfern, vor allem ein Sohn der Familie Mizrachi, hoert man auch so gut wie gar nichts mehr. Der Sohn wird aufgrund eines Bombensplitters im Kopf fuer immer behindert bleiben.

    Die Mehrheit der Familie Schijveschuuder ist jetzt, soweit ich weiss, bei Verwandten in der Schweiz.

    Miriam

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