B"H
Diesen Donnerstag ist es soweit. Nach dem regulaeren und nicht dem juedischen Kalender kann ich meinen 7. Jahrestag der Aliyah (Einwanderung nach Israel) feiern. Jedes Jahr unternehme ich etwas Besonderes an dem Tag, denn er ist einer der wichtigsten in meinem Leben.
Jahrelang war ich zwischen Deutschland und Israel hin und her gependelt. War ich in einem Land, vermisste ich das andere und umgekehrt. Es hat eine ganze Zeit gedauert, bis ich mich endgueltig entschloss. Zum Schluss war ich mehr als zwei Jahre in Deutschland und allem so ueberdruessig, dass ich mich schliesslich zur Jewish Agency bewegte und den Aliyah - Antrag stellte. Wie ich schon zuvor erklaerte, hatte meine Aliyah nach Israel vor allem religioese Gruende. Nach einigen Jahren in Jerusalemer Yeshivot (relig. Schulen), Programmen und Vorlesungen, war ich wider Erwarten nicht mehr in der Lage, mich in eine Diaspora - Gemeinde in Deutschland einzufuegen. Zu Beginn versuchte ich es, resignierte jedoch sehr schnell und nahm meine alten Jerusalemer Kontakte wieder auf. Zum Glueck gibt es Telefone und Internet.
Vielleicht waere alles etwas anders verlaufen, wenn ich nach Berlin oder Frankfurt gezogen waere. Vor allem, weil dort Chabad ansaessig ist. Sicher bin ich mir dessen jedoch nicht, denn ich war bei Chabad sowie der orthodoxen Gemeinde in Berlin, was allerdings auch nicht das richtige war. Zuvor bin ich nach London geflogen, da mir Freunde geraten hatten, dass dort alles besser sei als in Deutschland. Juedisches Leben in allen Varianten, ganz zu schweigen vom koscheren Essen.
Fuer eine Woche flog ich also nach London, um es religioes auszuspionieren. Noch im Flugzeug kurz vor der Landung in Heathrow wusste ich, dass London ein Fehler war. Okay, es war toll ein paar alte Freunde wieder zutreffen und in ein paar richtig koschere Lokale in Golders Green zu gehen. Den Shabbat verbrachte ich sogar bei der chassidischen Satmar - Gruppe.
Die englische Mentalitaet lag mir ueberhaupt nicht und ich vermisste die israelische Chutzpah. Das englische "Sorry" - Sagen bei jedem Anlass war mir zuwider. In Israel wird herumgerempelt und man hoert weniger SORRY - SELICHA, aber irgendwie weiss jeder, wie es gemeint ist. London war ganz nett, aber mehr nicht. Ich flog zurueck nach Bayern, blieb noch ein Jahr und im Juni 2000 kehrte ich zurueck nach Jerusalem. Bis heute habe ich es nie bereut.
Meine Eingliederung fiel mir leicht. Falls man es ueberhaupt Eingliederung nennen kann, denn ich kannte ja schon alles. Einschliesslich der hebraeischen Sprache, was immer von Vorteil ist. Die Mentalitaet war mir bekannt und ich hatte keinerlei Kulturschock. Zwischenzeitlich hat sich mein Freundeskreis ziemlich veraendert. Meine alten Bekannten sehe ich zwar hier und da noch, aber grundsaetzlich findet man in Israel sehr schnell Freunde und ist nie allein. Jedenfalls ging mir das bisher so.
Drei Monate nach meiner Aliyah begann die zweite Intifada. Vor allem Jerusalem war von vielen Bombenanschlaegen betroffen, was mich aber nicht zu Rueckkehrgedanken nach Deutschland bewegte. Ich weiss noch, wie ich nach einem Anschlag, bei dem ein Palaestinenser in der Yaffo Strasse mit einem Maschinengewehr wild um sich geschossen hatte, abends in der Yaffo an einer Bushaltestelle stand. Eine Frau fragte mich aufgrund meines Akzentes, wo ich denn geboren sei. "Naja, meinte sie, ins Ausland wuerde sie nicht ziehen, denn hier in Israel wissen wir wenigstens, wer unsere Feinde sind."
Eine Zeit lang wohnte ich direkt in der Innenstadt. Ich liebte die zentrale Lage und die bunte Menschenmenge. So manch einer waere wohl wahnsinnig geworden, denn es war genau zur Zeit der Anschlaege. Die Ben Yehudah flog in die Luft, hinter unserem Haus ging eine Autobombe hoch, vor unserem Haus in der kleinen Nebenstrasse ging erst eine Bombe hoch und wenige Tage spaeter entdeckte die Polizei ein geparktes Auto mit einer 100kg Bombe darin. Deren Entschaerfung dauerte vier Stunden und solange war die gesamte Strasse gesperrt.
Eines morgens gegen acht Uhr, ich war gerade am Aufstehen, sprengte sich ein weiterer Attentaeter in die Luft und wir hoerten den Knall. Meine Mitbewohner und ich waren bald in der Lage vorherzusagen, wie etwas in die Luft flog. Die Explosion eines Selbstmoerder klingt hohl, die einer Autobombe dagegen verursacht einen riesen Knall. Natuerlich hatten wir Angst Bus zu fahren, was einem russischen Roulette glich. Insgeheim beschraenkte ich mich auf weniger belebte Buslinien.
Seit sieben Jahren habe ich das Land nicht mehr verlassen und hatte dies nie besonders gross eingeplant. Falls ja, wuerde eine Woche Deutschland reichen. Selten schaue ich deutsches Satelliten - TV und bin jedesmal aufs Neue verwundert, wie wenig ich mit dem dortigen Leben noch gemeinsam habe. Sicher, ich bin dort geboren, aufgewachsen und habe bis heute diverse Mentalitaeten beibehalten, was unvermeidbar ist. Allerdings koennte ich mir ein Leben, und sei es in Berlin, nicht mehr vorstellen.
Wie werde ich also diesen Donnerstag "feiern" ? Abends werde ich ein besonderes Essen machen und ein Glaesschen Rotwein trinken. Das alles auf dem Balkon unter einer vor dem Haus stehenden Palme. Meine verbliebenen deutschen Freunde werden bei dem Gedanken daran immer neidisch. Eine Palme, wow.
Da ich mehr oder weniger zionistisch eingestellt in, kann ich nur jedem im Ausland lebenden Juden raten, Aliyah zu machen. Nicht wegen der Palmen, sondern weil ich ganz einfach der Meinung bin, dass Juden hierher gehoeren.
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