Mittwoch, 5. Dezember 2007

Kibbutz - Das Ideal der Vergangenheit

B"H

Bei dem Wort Kibbutz denkt fast ein jeder an eine dorfliche Idylle mitten in Israel. Und wer hat nicht schon einmal mit dem Gedanken gespielt, einige Zeit dort als sogenannter Volontär (Freiwilliger) zu verbringen ? Ein paar Monate freinehmen und einfach nur zusammen mit Leuten aus aller Welt in einem Kuhstall jobben.

Mein erstes Kibbutz Volontariat begann ich im September 1987 in einem kleinen amerikanischen Kibbutz nicht allzu weit von Tel Aviv entfernt. Ich hatte etwas Zentrales gesucht und wollte nicht irgendwo in der Wüstenpampa oder im Norden landen. Als Stadtmensch wollte ich jederzeit die Städte Jerusalem oder Tel Aviv erreichen können.

Wie jeder andere Volontär wohl auch, bewarb ich mich bei einer Agentur in Frankfurt, was nicht billig war. Offiziell hiess es jedoch, dass ich nur mit den Papieren dieser Agentur einen Platz in einem Kibbutz sicher hätte. Im Kibbutz - Office in Tel Aviv wurde ich hinterher eines Besseren belehrt.

Mit Sack und Pack kam ich in dem Office in Tel Aviv an. Damals handelte es sich um ein richtig offizielles Office, doch heute dagegen gibt es viele private Institutionen, bei denen man bei Vermittlung zahlt. Und zwar weniger als bei den Agenturen im Ausland. Auch eine Volontärskrankenkasse in Israel abzuschliessen, erweist sich in den meisten Fällern als viel kostengünstiger. Ich kann daher nur jedem raten, sich vor den Buchungen zu erkundigen.

Bei meiner Ankunft war das Kibbutz - Office in der Tel Aviver HaYarkon Street von deutschen Bewerbern besiedelt. Gräßlich, dachte ich. Da verließ ich Deutschland und was sah ich als erstes ? Deutsche.

Zusammen mit zwei weiteren deutschen Mädels trat ich in das Office der Angestellten und das erste, was ich sagte war, dass ich nicht mit den beiden anderen einen Platz bekommen will. Das klappte wunderbar und ich machte mich allein in einen Kibbutz auf.

Von den Kibbutzidealen hatte ich wenig Ahnung. Ich wurde sehr freundlich aufgenommen und fast alle Mitglieder waren junge halb - Hippie Amerikaner. Mit meinem Englisch haperte es damals gewaltig, was sich nach ca. zwei - drei Monaten Praxis aber gab. Ein kleiner Kibbutz hat den Vorteil, dass man alle Mitglieder schnell kennen lernt und auch die Sorgen und Nöte der Kibbutz - Interna mitbekommt.

Das größte Problem war und ist das Geld. Viele Kibbutzim stehen kurz vor dem Ruin und haben ihr Hab und Gut schon lange an die Banken verpfändet. In meinem kleinen Kibbutz wurde sogar zweimal das Wasser abgestellt, weil die Rechnung nicht bezahlt worden war. Ganz überraschend gab es für drei Stunden keinen einzigen Tropfen Wasser mehr.

Das Ideal der einstigen Kibbutz - Gesellschaft ist schon längst verloren gegangen. Zu Gründerzeiten war der Kibbutz DIE große Kollektivgemeinschaft und fast zu vergleichen mit einem russischen Kolchos. Alles wurde automatisch geteilt und Widersprüche kamen nicht auf. Wem es nicht paßt, der muß ja nicht bleiben.
Doch schon in den späten 80 - iger Jahren kam es zu Problemen. Eine neue Generation war herangewachsen und die wollte die alten Ideale abschütteln. Zum Beispiel beschlossen viele Kibbutzim, die Kinderhäuser abzuschaffen und ihre Kinder allein daheim zu erziehen. Bisher schliefen die Kinder ab einem gewissen Alter alle gemeinsam in einem Haus und so hatten die Eltern mehr Zeit für sich. Im Kibbutz ist eben für alles gesorgt. Vom Essen bis zur Wäsche wird alles erledigt.

Apropos Essen. Auch die gemeinsamen Mahlzeiten im Dining Room stellten sich immer problematischer dar. Erstens wollten immer mehr Familien daheim essen und nicht wie alle im Dining Room sitzen. Und dann kostet die Gesamtversorgung unheimlich viel Geld. So wird heute kaum jemand einen Kibbutz finden, indem für das Essen im Dining Room nicht bezahlt wird. Natürlich nicht in Cash wie in einem Restaurant, aber mit einem individuellen Budget, den jedes Mitglied bzw. jeder Volontär bekommt. Je nach dem was auf dem Teller ist, wird ein Betrag errechnet und durch ein PC - Programm vom Monatsgesamtbudget abgezogen. Abendessen wird in den meisten Kibbutzim gar nicht mehr serviert.

Die Kibbutzim mußten umdenken, wollten sie nicht total im Schuldenberg versinken. Statt der üblichen hauseigenen Manager wurden professionelle Manager aus der Stadt angeheuert. Sie sollten die marode Kibbutz - Wirtschaft wieder in Schwung bringen, denn das alte Mitgliedermanagement war nicht selten zu unflexibel. Und so wurden inrentable Industriezweige geschlossen und neue eröffnet. War der Kibbutz bisher nur für die Mitglieder da, begannen viele nun ihre Häuser an Privatleute von außerhalb zu vermieten. Ganz zur Freude der Stadtmenschen, denn die zogen gerne in die preiswerten Häuser des Kibbutzes ein. Zwar wird ihre Wäsche nicht gewaschen, doch dürfen ihre Kinder die Kibbutz - Schulen besuchen und diese Schulen haben vielmals einen exzellenten Ruf im Lande.

Nach einiger Zeit fanden Moshavim und Kibbutzim weitere Einnahmequellen. Sie begannen ihr Land zu verkaufen und so konnten Menschen von außerhalb ihre eigenen Häuser auf dem eigens erworbenen Grund und Boden bauen. Auch die Touristik wurde neu entdeckt. Die Mehrzahl der Kibbutzim bietet wahre Ferienparadise an. Mit exclusiver Unterkunft, Nutzung des Kibbutz - Pooles und allen Freizeitanlagen. Soetwas kommt bei den Israelis an und dem Kibbutz geht es finanziell gleich wesentlich besser.

Nicht wenige Kibbutz - Fabriken wurden von privaten Unternehmen aufgekauft und wieder rentabel gemacht. So wurde die Saftfabrik im großen Kibbutz Givat Brenner (nahe Rehovot) vom Tee - Riesen Wissotzky aufgekauft. Auch die High Tech Branche boomt in vielen Kibbutzim. Jetzt wurde ein weiterer neuer Wirtschaftszeig entdeckt.
Vor Jahren war der Kibbutz das Symbol für die Jugend; Kindergärten und Schulen waren angesagt. Heute dagegen ziehen immer mehr ältere Leute aus der Stadt in den Kibbutz, um dort ihren Lebensabend zu verbringen. Für die Altenpflege ist bestens gesorgt, denn die Kibbutzim verfügen über Heime und gutes Personal. Und so kommt ebenfalls wieder Geld in die Kibbutz - Kasse.

Gesellschaftlich hat ein Kibbutz immer seine Vor - und Nachteile. Obwohl heutzutage fast jedes Kibbutzmitglied ein eigenes Auto, einen PC und einen Fernseher daheim hat, ist nicht jeder dafür gemacht, sich dem immer noch sozialistischen Lebensstil anzupassen. Ich könnte nicht nicht ertragen, wenn erst eine Generalversammlung aller Mitglieder darüber entscheidet, wo ich im Kibbutz arbeite oder ob ich eine Uni besuchen darf. Das ist mir zuviel persönliche Einschränkung, aber jeder muß das halt mich sich selbst ausmachen, wo er leben will.

Volontär zu sein, ist natürlich einfacher und mir machte es jedesmal Spaß. Klar, kommt es dabei auch auf die anderen Volontäre an und vor allem auf die Unterbringung. Nicht jeder kann immer mit zwei oder drei weiteren Leutchen in einem Zimmer schlafen. Wie überall gibt es tolle Mitvolontäre und leider auch jene, die sich ewig zusaufen oder wo die Mädels meinen, sie müssen sich jedes männliche Wesen schnappen, was gerade so herumläuft.

Wer sich entschliesst, in einem Kibbutz zu arbeiten, der darf sich nicht der trügerischen Illusion hingeben, gleich von allen Mitgliedern eingeladen zu werden. Denkt immer daran, dass die Mitglieder Tausende von Volontären sahen und sehen und so sind diese irgendwie selbstverständlich geworden. Ihr seid keine Attraktion und es kommt immer darauf an, wie Ihr Euch verhaltet und besonders darauf, wie ihr arbeitet und wie lange ihr bleibt. Wer länger als drei Monate bleibt, der kann durchaus Freunde finden.

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