Mittwoch, 12. Dezember 2007

Die Zukunft wird es zeigen

B"H

Zum letzten Mal in diesem Jahr zündeten wir am gestrigen Abend die Chanukkah - Kerzen. Acht Stück an der Zahl und die Chanukkiah (Menorah) war voll mit Kerzen. Acht Tage lang sahen wir in den Bäckereien kaum etwas anderes als die traditionellen Chanukkah - Sufganiot (Berliner) und wie zu erwarten, schossen deren Preise in die Höhe. Seit heute früh gehören die Sufganiot zur Vergangenheit und sind verschwunden. Bis zum nächsten Jahr.

Die Jerusalemer Innenstadt gehörte gestern Abend ganz den Chassidim von Chabad. Nicht nur Kerzen wurden an vielen Stellen angezündet, sondern die Jaffa Road in Höhe des Zion Square stand auch noch voll Mitzwe Tanks (Chabad - Info - Busse). Jeder dieser Busse zog einen kleinen Anhänger mit einer Chanukkiah darauf hinter sich her. Aus den an den Bussen befestigten Lautsprechern dröhnten Songs über den Meschiach und offensichtlich waren dort die Chabad - Meschichisten (jene Mitglieder, die den letzten Lubawitscher Rebben für den Meschiach halten) am Werk.

Aber nicht nur das; vor der kleinen Shopping - Mall in der King George / Ecke Jaffa tanzten mehrere Chabadnikkim mit der hauseigenen gelben Meschiach - Flagge im Kreis. Eine knallgelbe Meschiach - Flagge mit einer Krone mittendrauf.
Ich kann nicht sagen, dass die Tanzenden von besonderer Euphorie geprägt waren. Eher zogen sie etwas lustlos herum und die fröhliche Meschiach - Musik war nur Fassade.

Bei einem der dort Mitwirkenden handelte es sich um eine guten Freund von mir. Nein, Chabadnik ist er nicht. Jedenfalls nicht bisher, aber nun vielleicht doch.
Ich nenne ihn einfach einmal A.

A. ist um die Vierzig und bis vor wenigen Jahren war er Mitglied einer Armeeinheit. Dann wurde er gefeuert, weil er einfach nicht mehr zur Arbeit erschien. Keinen Bock zum Aufstehen. A. liebt das Nichtstun und gern läuft er einfach so durch die Stadt, spricht mit Leuten und klappert alle nur möglichen Suppenküchen zwecks kostenlosem Essen ab. Jobs hatte er hier und da; gewöhnlich bei Wachfirmen.

Aber auch die Wachfirmen schmissen A. recht schnell hinaus, denn sein Drang zum Aufstehen war nach wie vor niedrig. Vor acht Uhr kann er halt nicht aufstehen, so sagte er mir einmal.
A. ist ein netter Kerl, aber die Unzuverlässigkeit in Person. Sein Traum sei eine wohlhabende Frau, die ihn versorgt und bei der er nicht arbeiten muß, den Kühlschrank leert und ansonsten den Tag vor dem Fernseher verbringt.

Alle Klagen auf Mietzahlungen und nichtbezahlte Telefonrechnungen blieben erfolglos. A. interessiert sich nicht dafür. All das ging solange gut, bis das Arbeitsamt die Schnauze voll hatte und ihm einen neuen Job bei einer Wachfirma besorgte. Wir zweifelten schon alle, ob denn das mal gut gehe. Doch wider Erwarten lebte A. auf. Er verdiente etwas Geld und hatte eine Aufgabe. Alles ging gut bis ihn die Wachfirma nach ein paar Monaten um seinen Lohn betrog. Man zahlte ihm einfach 300 Euro zu wenig aus und A. ging.
Seitdem steht er wieder auf der Strasse. Zuerst kam er bei einem Freund unter, dem A. irgendwann auf die Nerven ging, denn A. sucht keinen Job und tut nichts, um aus seiner Misere herauszukommen. Er vertrödelt den Tag.

Als ihn der Freund schmiss, wußte A. nicht wohin und fand irgendwie Chabad. Oder fand Chabad ihn ?
Chabad gab ihm eine Unterkunft, Mahlzeiten und ein paar neue Klamotten zum Anziehen. Da Chabad jedoch kein Obdachlosenheim ist, kann A. dort zwar wohnen, muß allerdings an sämtlichen Chabad - Aktivitäten teilnehmen. Zuerst bekam er eine neue Kipa (Käppi). "Melech HaMeschiach = Meschiach - der König" stand darauf. Vor einer Woche noch machte er sich darüber lustig und meinte, dass sei halt so.

Am letzten Shabbat dann tauchte er schon nicht mehr bei Rabbi Mordechai Machlis zum Essen auf. Wir ahnten nichts Gutes. Chabad schien ihn voll in der Zange zu haben. Und gestern Abend nun sah ich ihn mit anderen Chabadnikkim herumtanzen. Seine Meschiach - Kipa sah man nicht mehr, denn Chabad hatte ihm nun einen schwarzen Hut besorgt. Ganz haredi (ultra - orthod.), nur die blaue Cargo - Hose störte. A. tanzte als habe er keine andere Chance.

Ich sagte nur kurz HALLO und ging weiter. A. war die ganze Szene unangenehm und deshalb verdrückte ich mich schnell. Heute früh traf ich zufällig einen weiteren gemeinsamen Freund von uns, dem ich vom gestrigen Vorfall erzählte. Der meinte nur kurz, dass A. jetzt wenigstens genügend Essen und ein Dach über dem Kopf hat. Der Rest sei doch egal.

Ich bin mir ehrlich gesagt nicht sicher, ob ich all das positiv oder negativ beurteilen soll. Natürlich hat A. Essen und ein Dach über dem Kopf, doch irgendwie scheint er seine persönlichen Freiheiten verloren zu haben, denn Chabad erwartet anscheinend Gegenleistungen. Alles hat halt seine Vor - und Nachteile und man kann nie alles haben. Vielleicht tut es ja A. auch ganz gut und er bekommt einen neuen Lebensinhalt und alles wirkt sich positiv auf ihn aus. Auch wenn er nicht bei Chabad bleiben sollte.

Trotz aller Abwägungen stehe ich jedoch erst einmal skeptisch da. Für mich wären derlei persönliche Einschränkungen nichts und ich kann nicht verstehen, wie Chabad jemanden so vereinnahmen kann. In der Beziehung halte ich es mit den Satmarer Chassidim, die Chabad vor allem deshalb kritisieren, weil diese zuviel missionieren. Eine Bekannte der Chassidut Satmar sagte mir einmal, dass wenn Juden relig. werden wollen, sie dieses aus dem eigenen Willen heraus tun sollen und nicht, weil es ihnen jemand vorschreibt.

Ich bin einmal gespannt, was passiert und warte ab. Das Wichtigste jedoch ist, dass A. irgendwie glücklich wird, denn er hätte es endlich einmal verdient.

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