Dienstag, 23. Oktober 2007

Sollen wir Bilanz ziehen ?

B"H

Dieser Tage gibt es außer dem bewegenden Brief, den der vor 21 Jahren entführte israel. Soldat Ron Arad aus der Gefangenschaft an seine Familie schrieb, und Ehud Olmerts erfolgreich verlaufenes Treffen mit dem franz. Präsidenten, nur ein Thema in Israel.

In den Jahren zuvor ist es mir nie so aufgefallen, aber gerade jetzt wird soviel Aufhebens um den Rabin - Mörder Yigal Amir gemacht. Als Premier Yitzchak Rabin am 4. Nov. 1995 (nach dem jüdischen Kalender finden die offiziellen Feiern am morgigen 24. Oktober statt) hinter dem Tel Aviver Rathaus von dem Jurastudenten Yigal Amir erschossen wurde, da ging in Israel eine Welt unter. Wer hätte das wirklich erwartet ?

Am vergangenen Shabbat sprach ich mit einem haredischen (ultra - orthod.) Bekannten und er gestand, daß er das alles vorausgesehen hätte. Damals habe er nur wenige Meter von Rabins Dienstwohnung in der Jerusalemer Gaza - Street entfernt gewohnt. Allabendlich habe es Demos gegen die Entscheidungen des Premier (Land für Frieden gemäss des Oslo - Abkommens) gegeben und die Polizei habe ungewöhnlich brutal auf die Demonstranten eingeschlagen.

Gestern nun sahen wir in den Nachrichten ein Video, welches 12 Jahre nach der Tat von der Polizei freigegeben wurde. Wir sahen einen Yigal Amir beim allerersten Polizeiverhör gleich nach dem Mord.

Ob er sagen könne, mit welchem Ziel er zum Tel Aviver Rathaus gekommen sei ?

Yigal Amir: "Ja, um Rabin zu töten. Besser gesagt, um ihn politisch mundtot zu machen".

Ob er die Tat bereue ?

Yigal Amir: Um Himmels Willen, NEIN".

Die Familie Yitzchak Rabins bekam das Video als erste überreicht und die Tochter des Ermordeten, Daliah Rabin - Pelosof, sagte, daß es besser gewesen wäre, Amir hätte die Todesstrafe bekommen. Dann nämlich wären uns die Endlosdiskussionen um eine Verschwörung (der Mord sei in Wahrheit von Israels innerem Sicherheitsdienst SHABAK begangen worden), erspart geblieben. Auch sei die ewige Diskussion um eine vorzeitige Freilassung Yigal Amirs nicht zu ertragen.

Zieht Israel in diesen Tagen wirklich Bilanz ?

Natürlich sieht man dieser Tage viele Gedenkveranstaltungen, doch diese sind offiziell organisiert. Die Armee gedenkt, die Universitäten gedenken…

Aber gedenken wir alle wirklich daheim im Privatleben ?
Die überwiegende Antwort dürfte NEIN lauten.

Entweder sind wir zu abgestumpft oder wir haben ganz einfach andere Sorgen.

Und Yigal Amir ?
Der hockt eh im Knast und geht uns zusammen mit seiner russischen Frau Larissa Trimbovler auf die Nerven. Larissa gab gestern ein Radiointerview auf dem Armeesender "Galei Zahal". Auf die Frage hin, was sie denn ihrem Sohn, der in den kommenden Tagen das Licht der Welt erblicken soll, sagen wird, wer sein Vater sei, gab sie zum Besten, daß Papa Yigal kein Mörder sei. Oppositionsführer Benjamin Netanyahu sagte, daß Yigal Amir keine Aussichten auf eine vorzeitige Freilassung habe und im Knast bleibe, wo er hingehöre.

Die Tageszeitung MAARIV stellt in ihrer heutigen Ausgabe eine ganz interessante und recht realistische These auf:
Bis ins kleinste Detail hin sei alles von Yigal Amir geplant wurden. Einschließlich der Geschehnisse nach dem Mord.
Er habe den Premier erschossen und auf die positive Zukunft spekuliert und gewonnen. Natürlich waren zuerst alle geschockt über die Tat. Tatsache ist aber, daß die Menschen vergessen. Ob sie es nun wollen oder nicht.

Nach einiger Zeit lauteten viele Meinungen schon ganz anders und man fragte sich selbst, ob Amir nicht ein Fünkchen Recht habe. Ganz langsam krochen viele Gedanken des Zweifels in die Köpfe der Israelis. Sei Rabin wirklich so toll gewesen ? Dazu kam das Scheitern der Oslo - Verträge und neue verherende Terrorwellen. Wer redete da noch von Yitzchak Rabin ? Yigal Amir dagegen verstand es von Beginn an, sich in Szene zu setzen und pochte auf seine Menschenrechte.

Vor ein paar Monaten heiratete er und jetzt soll er Vater eines Sohnes werden. Werden diese Tatsachen allein nicht einen einsamen Familienvater zeigen, der nur eines will: Seinen Sohn sehen.

Zuerst Larissa Trimbovler, dann sein Sohn und nun auch noch der Sänger Ariel Silber, der sich öffentlich für die Freilassung Amirs einsetzt. Vor Jahren hätte solch eine Reaktion Sanktionen mit sich geführt. Heute dagegen setzt kein Radiosender die Lieder Ariel Silbers auf den Index.

Fazit: Yigal Amir wird uns auch in Zukunft in den Köpfen herumspuken.


Weiterhin zu dem Thema:

http://hamantaschen.blogspot.com/2007/10/egotrip-eines-mrders.html

http://lebeninjerusalem.blogspot.com/2007/10/erinnerungen-den-november-1995.html

http://lebeninjerusalem.blogspot.com/2007/10/12-jahre-danach.html


Das gestern freigegebene Polizeivideo zeigt Amir beim ersten Verhör gleich nach der Tat. Das Video ist nur in hebräischer Sprache !!!

http://news.nana10.co.il/Article/?ArticleID=517910&TypeID=1&sid=126


Israels Rechte rüstet auf und ruft zur Freilassung Amirs auf.

http://news.nana10.co.il/Article/?ArticleID=517758&TypeID=1&sid=126

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