Dienstag, 18. September 2007

Wo sind wir nur hingeraten ?

B"H

Neonazi - Gang in der Kleinstadt Petach Tikwa (nahe Tel Aviv) aufgeflogen. Acht Mitglieder, alle russische Neueinwanderer, verhaftet.

So lauteten die Schlagzeilen der vergangenen Woche. Wer der Meinung war, dass sich mit der Verhaftung alles erledigte haette, wurde schnell eines Besseren belehrt. Alle israelischen Tageszeitungen berichten heute ueber neue neonazistische Vorfaelle. Den schlimmsten Vorfall deckt die "Yediot Acharonot" auf:

In einer Armeeschule in Haifa hat ein Soldat Videos drehen lassen, in denen er, gekleidet in israel. Armeeuniform, beim Hitlergruss zu sehen ist. Ein weiteres Video zeigt, wie er mit erhobenem rechten Arm durch sein Zimmer in der Armeeschule marschiert und wie er daheim seiner Schwester den Hitlergruss beibrachte.
Was in dem Artikel unerwaehnt bleibt ist, ob es sich bei dem Soldaten um einen gebuertigen Israeli oder einen russischen Neueinwanderer handelt.

Die Tageszeitung Maariv berichtet von weiteren neonazistischen Attacken in Haifa. Eine aeltere Dame, Holocaust - Ueberlebende, sei gestern auf offener Strasse von einer Neonazi - Gang angepoebelt und verflucht worden. Einem anderen Ehepaar passierte das Gleiche. Bei diesen beiden Vorfaellen waren die Taeter russische Neueinwanderer.

In Israel ist man solche Nachrichten nicht gewohnt und steht den Vorfaellen eher passiv gegenueber. Neonazis in Israel ? Das klingt wie aus einem neonazistischen Propaganda - Clip der Wiking - Jugend oder anderer europ. Nazivereinigungen. In Israel gibt es keine Neonazis, denn schliesslich sind wir ein juedisches Land, in dem Holocaust - Ueberlebende Zuflucht fanden. Alle Juden dieser Welt koennen nach Israel ziehen, ohne das Beschimpfungen oder Gaskammern auf sie warten. Israel ist der Traum aller Juden, der sich nach fast 2000 Jahren der Tempelzerstoerung erfuellte. Und nun das.

Natuerlich ist es keiner von uns, sondern fast immer russische Neueinwanderer ohne juedische oder nur wenig juedische Herkunft. Was soll man von den Russen auch schon anderes erwarten ? Die kommen eh nur um vom Staat abzukassieren. Machen sich hier breit, eroeffnenen unkoschere Laeden mit Schweinefleisch im Sonderangebot, die Frauen sind Prostituierte und die Maenner in der Mafia. So der Ruf der Russen in der israelischen Bevoelkerung.

Als ich vor sieben Jahren nach Israel einwanderte, sagte man mir auf einem Amt: "Naja, wenigstens bist du nicht aus Russland und hast nicht deren Akzent". Russischer Akzent im Hebraeischen bedeutet unverzuegliche Abstempelung. Russe, aha. Sozialparasit.

Die Russen waren und bleiben den Israelis fremd. Hier treffen zwei Mentalitaeten aufeinander, die unterschiedlicher gar nicht sein koennten.
Dabei hatte alles einmal so gut angefangen. Als die ersten russischen Neueinwanderer nach dem Fall des Eisernen Vorhangs Aliyah machten, wurde ganz gross im israel. TV zu Spenden aufgerufen. Die Israelis sind als spendenfreundlich bekannt, gaben, gaben und gaben. Vom Spielzeug bis hin zu Geldern - alles war da. Dass, was sich kurz darauf einstellte, haette dann doch niemand erwartet. Die wenigsten Russen sind wirklich halachische Juden. Anstatt der Synagoge wurden Kirchen besucht und daheim Jungfrau - Maria - Bilder aufgehaengt. Vom Aliyahgeld eroeffnete man Fleischereien mit unkoscherem Fleisch, der Wodka floss in Stroemen, russische Prostituierte standen an den Strassen und auf jued. und israel Feiertage pfiffen viele Russen gleich ganz. Israel war eine Art Zwischenstation. Man nahm gerne das Geld mit, wollte aber gleichzeitig weiter ins Paradies, was da USA oder Deutschland heisst.

Das Verhalten war es, was Israelis abschreckte und die Russen zu Aussenseitern machte. Aller Vorurteile zum Trotz intergrierte sich dennoch ein betraechtlicher russischer Bevoelkerungsanteil in die israelische Gesellschaft. Nicht immer Hunderprozentig, da der Akzent bleibt, aber fuer ein Ueberleben reicht es aus.
Und nun kommen die Neonazis ihrem ausgestreckten Arm daher. Die Polizei weiss, dass es sich hier um keine Einzelfaelle handelt. Landesweit soll sich schon ein Neonazi - Netz etabliert haben. Die Politiker stehen einem unerwarteten Probleme gegenueber. Palaestinensische Terroristen, Arbeitslosigkeit oder Kriege sind an der Tagesordnung, aber Neonazis ? Sowas gibt es doch nur in Deutschland.

Die russischen Neonazis suchen sich ihre Helden woanders. Von der israel. Gesellschaft verachtet und verspottet, benoetigen sie ein Gefuehl der Ueberlegenheit fuer ihr eigenes Ego. Statt Integration gibt es nun Hakenkreuzflaggen und Springerstiefel. Wir sind die neuen Herren und Arier. Die Eltern solcher Kinder geben allen die Schuld, nur nicht ihren Sproesslingen. Die Gesellschaft habe versagt.

Eines ist sicher: Israel muss schnell handeln und gnadenlos abschieben. Viele Fehler wurden bei der Einwanderung der Russen gemacht und diese Nachlaessigkeiten erschlagen uns jetzt wie ein Boomerang.

12 Kommentare:

  1. Nicht jeder, der sich in Pose des Hitlergrußes hinstellt, ist deswegen schon ein waschechter Nazi. Ich denke für einen Großteil ist der Nazismus lediglich die Folie, ein wie immer geartetes Aggressionspotential zum Ausdruck zu bringen. Inhalte braucht man dafür nicht mitzubringen. Und die Reaktionen darauf sprechen für sich: mit minimalem Aufwand kann der Looser Eindruck machen.

    Ich meine das Problem ist noch tiefer zu suchen. Etwa darin, daß es Menschen gibt, die zum Gott der Bibel keine Anbindung gefunden haben. Das sollte einen doch beunruhigen, wenn man für sich schon erkannt hat, worum es geht. Dann gäbe es auch keinen Raum für diese diabolische Ideologie.

    Es ist zuallererst ein geistiges Problem. Man kann alle ausweisen (wenn man rechtlich nicht Impotent ist). Aber solange es im säkularen Israel so himmelschreiendes Unrecht wie etwa die Abtreibung gibt, oder diese ganze Industrie der Embyonenproduktion, solange dem Schöpfer derart ins Gesicht geschlagen wird, wird die Gesellschaft solche Hirnis absondern.

    Primär die Sache mit Abschiebungen aus der Welt zu bringen, entspricht nicht den biblischen Propheten, die sich bei Unheil immer nach den Zuständen im Land gefragt haben. Und was für alle Länder dabei gilt: nur weil es uns nicht schlimmer trifft, heißt nicht, daß wir es nicht verdient hätten.

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  2. B"H

    Das Problem ist eher gesellschaftlich als religioes.

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  3. Dann eben gesellschaftlich. Erschrecken wir über die Feststellung, daß gegenwärtig im Land Israel Neonazis aktiv sind.

    Von dieser Feststellung kann man ausgehen, um auf ein nicht minderes Übel hinzuweisen: in keinem Land sonstwo auf der Welt werden mehr Juden auf ihr Lebensrecht hin selektiert als in Israel, sei es im Mutterleib oder im Reagenzglas.

    Bitte das jetzt nicht als eine platte Vergleichs-Rhetorik auffassen. Israel hat einen phänomenalen Stand in der Medizin erreicht. Aber die technischen Möglichkeiten werden in der Praxis auch zur Selektion von jüdischem Leben genutzt. Dieser Spannungsbogen vom Nazitum bis zu den Kliniken und Forschungslaboren muß doch auf der Haut brennen ...

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  4. Wie wäre es denn, wenn sich z.B. diejenigen christl. Organisationen,wie auch immer sie heissen, um dieses Problem kümmern würden?
    Viele von diesen russischen Menschen sind doch durch solche ins Land gekommen.
    Sollen sie sie halt zurückbringen und ihnen erst mal Derech Eretz beibringen.

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  5. B"H

    Wow, Rachel, da sprichst Du ein ganz wichtiges Thema an. Es ist tatsaechlich so, dass christl. Organisationen in die Ukraine etc. ziehen und dort halachische Nichtjuden zur Aliyah ueberreden. Uebrigens findet das gleiche Schema auch bei russ. Juden Anwendung, aber immer mit dem Hintergrund der Mission zum Christentum.
    Christl. Organisationen verfolgen ein Ziel damit: Naemlich die Christianisierung Israels. So traeumen sie jedenfalls.

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  6. Man darf nicht übersehen, daß die »Russen«, egal mit welchen konfessionellen Vorfahren, erhebliche Altlasten mit sich herumtragen: die jahrzehntelange Prägung durch eine atheistisches totalitäre Diktatur.

    Ich kenne eine Studentin jüdischer Herkunft, die eine zeitlang in einer mitteleuropäischen Großstadt studierte und dabei unsere freiheitlichen Werte aufnahm. Ihre Elternhaus in Moskau war für sowjetische Verhältnisse ausgesprochen bürgerlich und systemkritisch, westlich orientiert. Beide Elternteile hochgebildete Akademiker, der Vater Universitätsprofessor. Als diese Studentin einmal ihre Mutter anrief, fiel ihr einmal überraschend auf: »Mama, du sprichst so kommunistisch!«

    Was ich damit sagen möchte ist, daß die sowjet-gesellschaftliche Prägung der eingewanderten Russen schwerer zu bewerten ist als man sich zunächst gedacht hat. Davon wird auch noch die zweite Generation in Israel einen gehörigen Teil abbekommen.

    Was die Nichtjuden unter diesen Einwanderern betrifft: wen wollt ihr denn dafür verantwortlich machen? Die Souveränität dafür lag doch immer nur beim Staate Israel! Und die Qualifizierten unter ihnen haben ihren Teil dazu beigetragen, daß es heute den Wirtschaftsboom gibt.

    Ich verstehe ja, was ihr wollt. Fairerweise muß aber gesagt werden, daß ein nichtreligiöser Russe sich faktisch wenig von einem nichtreligiösen Juden unterscheidet, wenn ich es auf die jüdische Identität des Staates absehe. Und ein christlicher Russe ist mit Sicherheit nicht staatsgefährdend wie ein Muslim mit israelischen Paß. Nur weil euch die Neonazis unter den Russen ärgern, werft ihr gleich alle nichtjüdischen Russen in einen Topf. Solange sie integrationsmäßig funktionieren, interessieren sie euch ja auch nicht in dem Maße. Und mit der Einwanderung asiatischer Gastarbeiter fange ich jetzt erst gar nicht an.

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  7. @ anonym
    Mir wird beinahe schlecht bei diesem Gelabber.
    Ja, Israel hat Probleme. Aber Israel ist noch ein sehr junges Land.Man kann nicht von heute auf morgen alles in den Griff bekommen.
    Dein Lamento kommt mir sehr aus der braunen Sauce: “die Juden( bzw. Israelis) sind zuerst einmal selber schuld!“
    Waren das nicht dieselben Töne vor über 60 Jahren?
    Das ist k e i n “geistiges Problem“ sondern christlicher Antisemitismus, der immer noch nicht ausgerottet ist.
    Sind etwa wir Juden am Antisemitismus schuld?

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  8. B"H

    Du sprichst vielseits gehoerte Argumente an und ich antworte Dir mit israel. Gegenargumenten:

    Nicht abzustreiten ist, dass russ. Juden hinter dem Eisernen Vorhang viel an ihrer jued. Identitaet einbuessten und diesbezueglich macht ihnen kaum jemand einen Vorwurf.

    Andererseits aber hat sich fast die Mehrheit der russ. Neueinwanderer nie von ihrer Mentalitaet getrennt. Statt israel. Unabhaengigkeitstag wird lieber die Oktoberrevolution gefeiert oder wir muessen uns anhoeren, das Israelis keine Kultur haben, weil sie Puschkin kaum kennen.

    Nach ihrer Ankunft bildeten viele Russen unverzueglich ihr eigenes Ghetto: russ. Zeitungen, Radion oder TV. Am Hebraeischen mangelt es vielseits bis heute und da werden russ. Treffs vorgezogen.

    Lass Dir gesagt sein, dass ich schon vor meiner Aliyah Hebrae. lernte und mich danach versuchte, zu intergrieren. Ich jammere nicht nach dt. Essen und dt. Zeitungen geschweige denn, dass ich zwar Dt. schreibe, aber so gut wie nie aktiv spreche.
    Ich vergleiche nicht staendig alles mit meinem Herkunftsland und nenne andere Kulturidioten.
    Israel hat seine eigenen Regeln, was die Mehrheit der Russen nicht erkannt hat oder nicht anerkennen will. Alles muss so sein wie in Russland.

    Wir werfen keinesfalls alle Russen in eine Topf, denn diejenigen von ihnen, die es geschafft haben, wollen mit ihren eigenen Landsleuten nichts mehr zu tun haben.

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  9. B"H

    Mein vorheriger Kommentar bezieht sich nicht auf rachel, sondern auf den anonymen Schreiber davor !!!

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  10. @rachel

    Warum gleich so aggressiv? Ich habe an keiner Stelle die Leistungen Israels herabgewürdigt. Und wenn jemand mit der Kategorie »geistiges Problem« nichts anfangen kann, reite ich nicht weiter drauf rum, obwohl Sie mir selbiges mit Ihrem Antisemitismus-Vorwurf unterstellen.

    Mir geht es auch nicht um die Schuldfrage um jemanden den Schwarzen Peter zuschieben zu können; das ist mir einfach zu blöd. Ich denke nur nicht, daß das Problem durch eine radikale Ausweisung lösbar ist. Der rechtsstaatliche Flurschaden wäre größer als der Gewinn. Und bis jetzt war es eine Stärke Israels, sich nicht vom Niveau seiner Feinde korrumpieren zu lassen.

    Es sind wohl zu viele Russen auf einmal gekommen, die es sich in ihren Communitys eingerichtet haben. Die haben einfach die kritische Masse erreicht, um sich nicht mehr in die israelische Gesellschaft einarbeiten zu müssen. Noch viel mehr gilt dies von den muslimischen Arabern in Nordisrael. Und an dieser Stelle muß man mal ehrlich sein wer denn eher geeignet ist, den israelischen Staat im Krisenfalle mitzutragen ...

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  11. B"H

    @Anonym

    Ich denke kaum, dass die Neonazis den israel. Staat im Krisenfall mittragen.
    Uebrigens wurde im Reuters - Video schon angedeutet, dass die Neonazis Kontakte zu dt. Gesinnungsgenossen haben.

    Solche Leute haben ueberhaupt kein Recht, sich in Israel aufzuhalten.

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  12. Dieses Problem mit den russischen Neo-Nazis erinnert an die Geschichte der Deutschen Templer.(googeln: Eine nette Hitlergemeinde. Geschichte der NSDAP in Palästina)
    Diese wurden alle nach Australien oder De ausgewiesen.
    Das ging auch.
    Jeder 3. Erwachsene gehörte damals zur Partei - im damaligen Palästina.
    Heute haben wir eine vergleichbare Bedrohung.

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