Sonntag, 9. März 2008

Noch keine Tagesordnung

B"H

Im Ausland mag man sich denken:
"Neues Terrorattentat stattgefunden, acht Tote, über 30 Verletzte, drei von sieben Verletzten schwer, aber es war ja "nur" eine relig. Schule (Yeshiva), wo eh nur die Extremisten lernen".

Im Ausland mag man zur Tagesordnung übergehen, in Israel, insbesondere in Jerusalem, noch lange nicht. Religiös oder nicht, viele sind ganz einfach geschockt, denn in den Zeitungen sehen wir heute die Photos der acht Toten. Fast alle waren Teenager, überwiegend im Alter von 15 und 16 Jahren. Der Älteste war 27 Jahre alt. Zwei der erschossenen Teens kamen aus der Jüdischen Altstadt Jerusalems, wo deren Väter entweder bei den Yeshivot Aish HaTorah oder Yeshivat HaKotel angestellt sind.

An dem Donnerstag Abend hatte die nationalrelig. Bewegung einen Massengebet sowie einen Marsch um die Altstadtmauer organisiert. Tausende Teilnehmer waren gekommen und mehrere meiner Freunde waren auch darunter. Während der Marsch in der Altstadt stattfand, unterrichtete ich einige Kilometer entfernt eine kleine Gruppe nationalrelig. Kinder im Stadtteil Kiryat Moshe. Um ca. 19.00 Uhr assen wir zusammen Abend. Es gab Reis und die persische Spezialität Gondi. Gondi sind kleine Fleischküchle, bestehend aus Hühnerfleisch und Humus in Hühnersuppe gekocht. Der Vater der Familie ist Jude und kommt aus dem Iran und so essen wir jeden Donnerstag fast immer persisch.

Genau eine Stunde vor dem Attentat passierte ich die Yeshiva Mercaz HaRav in Kiryat Moshe. Normalerweise sind an jedem Donnerstag deren Studenten auf dem Heimweg, denn sie fahren über Schabbat zu ihren Eltern. Nicht so am letzten Donnerstag, denn viele von ihnen hatten an dem Altstadtmarsch teilgenommen. Die Bibliothek (Beit Midrash) war voll Studenten. Als ich in der Innenstadt ankam, rasten plötzlich Ambulanzen und Polizei wild umeinander. Nach wenigen Minuten konnte sich jeder ausmalen,dass etwas passiert war und im Internet liefen schon die ersten Meldungen.

Währenddessen wurden die restlichen Altstadtmarschteilnehmer streng bewacht, denn die Polizei befürchtete ein "Ausrasten" der Nationalreligiösen. Geschehen tat nichts dergleichen und bis heute ist wenig von Rache zu hören. Eher heißt es, man habe ja immer gesagt, dass der Terror nie vorbei sein werde und das einzige, was die Palis wollen, ist alle Juden aus Israel raushaben. Frieden wird es niemals geben und wer daran glaubt, dem ist auch nicht mehr zu helfen.

Unser Rabbi, Rabbi Mordechai Machlis, hatte eine halbe Stunde zuvor den späteren Tatort verlassen und befand sich auf dem Nachhauseweg als ihn ein Bekannter anrief. Ein anderer Bekannter von uns befand sich im Obergeschoß über der Bibliothek, in der die Schüsse fielen. Dort dachte man erst, dass unten jemand Knallkörper um sich wirft. Als man einige Zeit danach nachschaute, was geschehen war, sahen alle die Verletzten und Leichen am Boden liegen. Ein herbeigeeilter Yeshivastudent, ein Armeereservist, hatte den Terroristen zweimal in den Kopf geschossen und so noch mehr Blutvergiessen verhindert.

Die Familie des Terroristen aus Ostjerusalem ist mittlerweile wegen Mittäterschaft verhaftet worden. Vorher hatte der Vater des Terroristen noch schnell eine Hizbollah - sowie eine Hamasflagge auf dem Grab seines Sohnes befestigt.

Im Mercaz HaRav sitzt der Schock tief. Freitag früh fand eine Massentrauerfeier vor dem Mercaz HaRav statt, bei der Tausende anwesend waren. Ich selbst kenne die Yeshiva und die Synagoge sehr gut. Als ich noch im Stadtteil Kiryat Moshe lebte, ging ich fast jeden Freitag zum Abendgebet Maariv in die dortige Synagoge.

In Jerusalem sowie überall im Land herrscht Alarmstimmung, denn in zwei Wochen ist Purim. Und Purim ist bekannt für viele vorher stattfindende Attentate.

http://www.haaretz.com/hasen/spages/961703.html

1 Kommentar:

  1. hallo miriam,

    die bilder von den opfern - wie soll man das kommentieren ?

    http://grenzgaenge.wordpress.com/2008/03/09/die-opfer-von-donnerstag/

    junge maenner deren verbrechen es war talmud und thora lernen zu wollen.

    nein, zur tagesordnung bin ich noch lange nicht uebergegangen. auch von anderen leuten die regelmaessig in die schul gehen weiss ich das. der schabbes war ziemlich traurig ....

    http://grenzgaenge.wordpress.com/2008/03/08/1227/

    ich denke in den schiurim der naechsten woche wird das geschehen auch eine grosse rolle spielen. man kann nicht einfach zur tagesordnung uebergehen ....

    herzliche gruesse,
    der grenzgaenger

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