Montag, 17. März 2008

Geschäfte mit dem Holocaust

B"H

Wie ich zuvor einmal anmerkte, schrieb mir eine aufgebrachte Leserin, dass anscheinend zuviele Leute herumlaufen, die behaupten, Holocaust - Überlebende zu sein, Vorträge gegen Bares halten und im Nachhinein alles andere als wirkliche Überlebende sind.

Als ich noch in Deutschland lebte, luden die Fürther Veranstalter des lokalen 27. Januar - Gedenktages zu Vorträgen ein. Normalerweise gehe ich weder zu solcherlei Veranstaltungen noch in Holocaust - Filme, in denen Juden von Nichtjuden gespielt werden. Noch schlimmer wird es, wenn Nichtjuden versuchen, orthodoxe Juden darzustellen. Ein Vorhaben, welches genauso in Israel scheitert, sobald säkulere Schauspieler meinen, auf chassidisch machen zu müssen.

Da ich einen Tag vor meinem Abflug nach London stand, meinte eine Freundin, ich solle mit auf die 27. Januar - Veranstaltung gehen. Am nächsten Tag würde ich dann ja eh etwas anderes sehen, wenn ich im jüdischen Stadtteil von London, Golders Green, sitze. Also schaute ich mir das Ganze einmal an und bereute hinterher, mir das überhaupt angetan zu haben. Meiner Freundin ging es übrigens genauso.

Wenn Holocaust - Überlebenden angekündigt werden, dann scheint die Bude immer voll zu sein. Wer will das nicht einmal sehen ?
Auch in in der fränkischen Kleinstadt Fürth war dies nicht anders. Erst redeten sich Deutsche nichtjüdischen Glaubens den Mund fusselig. Die Geschichte und so und danach wurde ein älterer Herr aus Jerusalem angekündigt. Das war dann auch der Moment, in dem das Publikum zum ersten Mal gespannt auf das Podium schaute.

Auf dem Podium nahm tatsächlich besagter Herr Platz und er stellte sich kurz vor. Seiner kleinen Jerusalem - Rede entnahm ich, dass er anscheinend in der German Colony lebt. Jerusalem war aber nicht das Thema, sondern der Holocaust. Nach wenigen Minuten stellte sich jedoch heraus, dass auch der Holocaust nicht das Thema war, denn der Herr sprach nur über eines: nämlich über Stuttgart.

Wie er in Stuttgart seine Jugend verbrachte, wie er in dem Haus in der und der Straße wohnte, seine Mutter arbeitete da und da, seine Freunde wohnten in Straße sowieso. Kurz gesagt, nach 15 Minuten kannten wir uns in Stuttgart bestens aus.

Das war sein Vortrag, der besser in den Kulturverein gepaßt hätte. Holocaust - Überlebender war der Herr dann auch nicht, denn leider hatte er sein geliebtes Stuttgart schon lange vor dem Krieg verlassen.

Nachdem der Herr seinen Stuttgart - Vortrag beendet hatte, begann die männliche Sitzreihe hinter uns wild zu diskutieren. Dort hatte nämlich jemand mit Zahlen um sich geworfen; wieviele Juden denn jetzt an wieviel Kalorien in einem der Ghettos verhungert seien und ob es da genaue Belege gebe.

Soviel zu meiner Vortragserfahrung. Belege gab es übrigens keine, falls das noch jemand wissen will.

Mein Punkt ist hier nicht die Stadt Stuttgart oder Ghettos. Mein Punkt ist, dass vielmals Leute eingeladen werden, den Holocaust zu erklären bzw. persönliche Erlebnisse zu schildern und vor einer Wiederholung der Geschichte zu warnen. Immer mehr scheint dies jedoch etwas daneben zu gehen. Ich sage es einmal salopp: "Sterben die Überlebenden aus oder warum muß ich plötzlich zweifelhafte Leute aus dem Ausland einladen, die mit nichtssagenden Schilderungen aufwarten ?"

Jeder Veranstalter muß das mit sich ausmachen, aber immerhin geht es in den meisten Fällen anscheinend auch um Geld. Am vergangenen Freitag sprach ich mit einer echten Holocaust - Überlebenden, die ehrenamtlich für AMCHA in Jerusalem arbeitet. Die Dame ist weit über 80 Jahre alt, kommt eigentlich aus Ungarn und war im Vernichtungslager Auschwitz. Ich erklärte ihr kurz, was mir besagte Leserin berichtet hatte und ob es seitens AMCHA oder einer anderen jüdischen Organisation eine Kontrolle gebe. Wer macht da Geschäfte mit dem Holocaust und wer ist tatsächlich ein Überlebender ?

Die Dame sagte mir, dass AMCHA keine Kontrollfunktionen ausübe. Jede Gemeinde oder jeder Veranstalter muß allein herausfinden, ob es sich bei dem Kandidaten wirklich um denjenigen handelt, der er vorgibt zu sein. Aber sie wolle sich einmal bei einem Freund in Wien erkundigen.

Es steht außer Frage, dass reale Holocaust - Überlebende Aufklärung betreiben sollten und ich will hier niemanden beleidigen. Zwischenzeitlich aber scheint sich leider auch ein diverses Business entwickelt zu haben, bei dem Leute, die anscheinend noch nicht einmal jüdischer Herkunft sind, abkassieren wollen. Von daher hat jeder Veranstalter die Pflicht, sich vorher zu erkundigen, wer denn da kommt.

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