Sonntag, 26. August 2007

Im Angesicht des Boesen

B"H

Vergangene Woche war ich, wie fast alle Israelis, etwas im Urlaub und machte ein paar Ausfluege. Wegen der grossen Hitzewelle in Israel werden derzeit Orte mit Klimaanlage vorgezogen und da passt ein Museum ganz gut ins Programm.

Recht spontan entschloss ich mich zu einem Besuch im Jerusalemer Holocaust - Museum Yad VaShem. Mein letzter Besuch dort liegt mehr als zwei Jahre zurueck und somit war die Zeit guenstig.

Grosse Probleme zum Yad VaShem zu gelangen, gibt es nicht, denn fast alle Busse fahren, mehr oder weniger, daran vorbei.
Fuer Interessierte: Der Eintritt ist frei und das Museum ist taeglich von 10.00 - ca. 17.00 Uhr geoeffnet. Freitags schliesst es eher und am Shabbat ist es geschlossen.

Seit mehr als zwei Jahren gibt es einen nagelneuen Gebaeudekomplex, der eine riesige Ausstellung beinhaltet. Wer hinein will, der muss die obligatorischen Sicherheitskontrollen passieren und gleich hier wurde ich wieder hinausgeschickt. Ich solle meine kleine Tasche im Vorgebaeude unten an der Garderobe abgeben. Die Mitnahme von Taschen jeglicher Art ins Museum sei untersagt. Auch Kameras und Handys seien nicht erlaubt und muessen abgegeben werden.

Schliesslich im Gebaeude angekommen, zeigt sich das Museum sehr persoenlich. In den frueheren Gebaeuden war die Ausstellung immer etwas anonym und es wurde von "den Juden" gesprochen. In der neuen Ausstellung hingegen werden ueber individuelle Einzelschicksale berichtet.

Die Raeume sind in Zeitabschnitte aufgeteilt und zuerst wird die Machtergreifung Hitlers dokumentiert. In den Ausstellungsvitrinen befinden sich rare Dokumente, Plakate, Poster und private Gegenstaende von den deutschen Juden.

Bei meinem Besuch war das Museum fast ueberfuellt und man kam nur schwer voran. Einige Soldatengruppen wurden herumgefuehrt und amerik. Juden brachten gleich auch noch ihren Reiseleiter mit, und so droehnte dann aus jeder Ecke eine Ansprache. Seit der Eroeffnung des neuen Gebaeudes ist das Yad VaShem meistens ueberfuellt und es kann vorkommen, dass man am Eingang solange auf Einlass warten muss, bis andere das Gebaeude verlassen haben.

Nach der Machtergreifung folgen die Nuernberger Gesetze und danach der Kriegsausbruch. Es gibt sogar ein richtiges deutsches Wohnzimmer mit Essbesteck, anhand dessen dokumentiert wird, wie deutsche Juden damals gelebt haben. Ausserdem befinden sich im gesamten Museum ueberall Bildschirme, auf denen Zeitzeugen Erlebtes berichten.

Nach Ausbruch des Krieges und den ersten Judenvernichtungen wird die Ausstellung sehr spezifisch. Persoenliche Photoalben von Ermordeten sind ausgestellt, genauso wie Armbanduhren, KZ - Kleidung, selbstgefertigtes KZ - Spielzeug usw. Wer in die Halle tritt, in der das Warschauer Ghetto dokumentiert wird, der meint, sich wirklich im Ghetto zu befinden, so real ist es dargestellt. Die Hauptverkehrsstrasse wurde incl. Strassenbahnschienen und Strassenlaternen nachgestellt. Davor laeuft ein Film auf einer grossen Leinwand. Der Film zeigt, ohne Ton, das alltaegliche Ghettoleben. Menschen huschen an einem vorbei und Hungernde liegen auf den Strassen.

So ziemlich am Schluss befindet sich eine riesige Auschwitz - Ausstellung, in der sogar einer der Eisenbahnwaggons zu sehen ist. Ein grosses Loch im Fussboden ist mit Schuhen aus einem der Vernichtungslager gefuellt. Hierbei bin ich mir nicht mehr sicher, ob es Majdanek oder Treblinka war. Ueber dem Loch liegt eine Glasplatte.

Gleich gegenueber stehen drei grosse Tonmodelle. Das erste zeigt, wie die Menschen in die Gaskammer getrieben worden sind, das zweite zeigt die Vergasung und wie die Menschen geradezu aneinander klebten und das dritte Modell stellt das Sonderkommando dar, welches die Leichen in die Oefen schob. Es handelt sich hier nur um Tonmodelle, dennoch wirkt alles gespenstisch real.

Die folgende Halle zeigt die Reaktion der Allierten, die Befreiung der Lager und das Ende des Krieges sowie die Auswanderung nach Palaestina (Israel). Ein aeusserst interessantes Video zeigt ein Interview mit dem bekannten Jan Karski.
Jan Karski war ein poln. Nichtjude, der Photos im Warschauer Ghetto schoss und nach wenigen Minuten so bestuerzt war, dass er das Ghetto schnell verliess. Danach sah er seine Aufgabe darin, der Welt von der Judenermordung zu berichten und er reiste zu Churchill nach London und in die USA zu Praesident Roosevelt. Vor allem Roosevelt zeigte sich nicht besonders beeindruckt und meinte nur zigarrenrauchend, dass die USA den Krieg gewinnen werden. Ausserdem kritisiert die Ausstellung besonders den damaligen Papst Pius, der seine Augen vor der Realitaet verschloss. Die Juden waren ihm eh laestig und da kam ihm Hitler gerade recht.

Was mich besonders betroffen machte, war ein ca. zweiminuetiges Amateurvideo. Man sah Akrobaten auf einem Seil balancieren und die unten stehenden Menschenmengen lachten und schauten zu ihnen hinauf. Ueber dem Geschehen sah man schwarzen Rauch, der aus dem Warschauer Ghetto kam. Es war ein Sonntag Nachmittag und die Polen amuesierten sich auf dem Marktplatz, waehrend ein paar Meter weiter im Ghetto Erschiessungen stattfanden. Das Video zeigt sehr deutlich den moralischen Fall einer sogenannten zivilisierten Gesellschaft.

Ganz am Schluss befindet sich eine Halle, in der bis unter die hohe Decke Photos von Ermordeten haengen. Genau darunter befindet sich ein tiefes Erdloch gefuellt mit etwas Wasser. Die Photos spiegeln sich in dem Wasser und wenn wir hineinschauen, sehen wir dazu unsere Koepfe. Jemand erklaerte einer israel. Jugendgruppe, dass sich beim Hineinschauen die Toten mit den Lebenden kreuzen und beide zusammen zu sehen sind. Dies repraesentiere die neue lebende Generation.

Natuerlich gibt es ausser dem neuen Gebaeude noch weitere, in denen ich jedoch schon so oft war, sodass ich sie ausliess. Wer heute den Holocaust verleugnet oder der Ansicht ist, dass dies alles nie wieder geschehen koenne, der sollte sich das Yad VaShem auf jeden Fall genauer anschauen.

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