B"H
Als ich nach Israel zog, musste ich mich zuerst orientieren und mir eine Identitaet zulegen. Eine Identitaet zu haben ist in unserem Land besonders wichtig. Jude, Nichtjude, religioeser Jude oder nicht, Ashkenazi, Sepharadi, Jerusalemer, Tel Aviver, Siedler, Haredi, links oder rechts und ich weiss nicht, was noch alles.
Fuer viele ausserhalb Jerusalems habe ich vorweg schon ein gewisses Image. Jerusalem sei religioes und wahrscheinlich sei ich das auch noch. Nicht immer stimmen diese Vorurteile, doch in meinem Fall tun sie es.
Die Vorfahren der meisten Israelis kamen irgendwann einmal aus dem Ausland. Ploetzlich fand sich jeder inmitten einer internationalen Masse in einem kleinen Land wieder. Obwohl Juden die gleichen Vorvaeter haben, wurden sie nach der Zerstoerung des Zweiten Tempels in alle nur moeglichen Laender verstreut.
Nach ihrer Aliyah (Einwanderung nach Israel) kamen sie mit den Mentalitaeten des jeweiligen Landes in Israel an, was zwangslaeufig zu Konflikten fuehrte. Vor allem zur Zeit von Premier David Ben Gurion, sah man die Einwanderung marokkanischer, jemenitischer und kurdischer Juden mit gemischten Gefuehlen. Die seien ja alle primitiv, so die Meinungen. Vieles davon stimmte, doch veraenderte sich die Gesellschaft im Laufe der Jahrzehnte.
Die Position der damaligen sephardischen Juden nehmen heute die Aethiopier ein. Nach wie vor stehen sie am Rande der Gesellschaft, was bei den Jugendlichen eine Null - Bock Reaktion auf die Schule verursacht. Wenn ein Aethiopier einmal auf eine Universitaet geht, dann ist das in Israel eine Schlagzeile wert. Einen aethiopischen General hatten wir noch nicht, sephardische dagegen haben wir in Huelle und Fuelle.
Der groesste Bruch der heutigen Gesellschaft geht aus dem Verhaeltnis religioes - nichtreligioes hervor. Die Religioesen geben daran der Presse die Schuld, was teilweise der Wahrheit entspricht. Vor allem die Tageszeitung "Yediot Acharonot" tat sich vor der Raeumung der Siedlungen in Gush Katif (im August 2005) mit gnadenloser Hetze gegen religioese Juden hervor. Nicht selten auf Anweisung von Ariel Sharon, der ein gutes Verhaeltnis zu den Redakteuren pflegte und die Siedler auf seiner privaten Abschlussliste standen.
Nichtreligioese Israelis sehen sich von den religioesen bedroht. Schon allein deswegen, weil die Orthodoxie das Oberrabbinat beherrscht und z.B. keine Zivilehen zulaesst. Zusaetzlich sind bei jeden Knesset - Wahlen und in Koalitionen die religioesen Parteien immer das Zuenglein an der Waage. Egal ob die sephardische relig. Shass - Partei oder Yahadut HaTorah, alle kommen mit gewissen Vorbedingungen in eine Koalition. Meistens lauten die Bedingungen: mehr Geld fuer Yeshivot (relig. Schulen), Kaschrut (koscheres Essen) oder, wie schon erwaehnt, keine Zivilehen. Letzteres bedeutet, dass in Israel halachische Juden keine Ehen mit Nichtjuden oder halachisch fragwuerdigen Juden eingehen koennen. Diese Ehen werden immer im Ausland geschlossen. Auch wollen halachische Juden ohne Einwilligung des Rabbinats heiraten koennen.
Eine Trennung von Staat und Religion ist in Israel langfristig nicht in Sicht, denn die Koalitionen bestehen mit Hilfe der religioesen Parteien. Ausserdem waechst aufrund der hohen Geburtenrate die religioese Waehlerschaft viel schneller als die nichtreligioese. Einen weiteren ganz wichtigen Punkt will ich hier nicht ausser Acht lassen. Viele Israelis wollen keine Zivilehen, denn sie sind traditionell eingestellt. Zum Schluss gebe das bei Ehen und den daraus hervorgehenden Kindern nur Verwirrungen, wer denn jetzt Jude sei und wer nicht. Ein riesiges Verwirrspiel innerhalb unseres Volkes, welches uns am Ende wieder Millionen kostet, da Aemter oder das Rabbinat individuell herausfinden muss, wer jetzt genau welche Identitaet hat.
Gleich nach der Religion folgt der naechste Riss, der da Politik heisst. In anderen Laendern verkuendet nicht jeder oeffentlich welche Partei er waehlt. In Israel schon. Wer gefragt wird, von dem wird eine Antwort erwartet. Genau diese Erfahrung machte ich vor den letzten Knesset - Wahlen im Fruehjahr 2006. In unserer Baeckerei gab es keinen einzigen, der nicht bekanntgab, wen er waehlen wird.
Der Riss war vielleicht nie so gross wie vor noch einem Jahr. Sogenannte illegale Siedlungen sollten geraeumt werden und die Linken lachten sich ins Faeustchen. Kurz darauf aber verursachte der Libanon - Krieg einen gewaltigen Rechtsruck in der Gesellschaft und heute stehen die untereinander zerstrittenen Linksparteien allein auf weiter Flur. Die atomare Bedrohung aus dem Iran, die Hizbollah im Libanon und die Hamas tragen ihr Uebriges dazu bei. Seit dem letzten Libanon - Krieg traeumen Israelis wieder von einer glorreichen Armee, wie wir sie zu Zeiten des Sechs - Tage (1967) oder Yom - Kippur Krieges (1973) hatten. Mit einer starken Rechtsregierung werden wir alle Herausforderungen und Bedrohungen meistern.
Was uns aber alle irgendwie scheitern laesst, ist unsere eigene Ignoranz und Gleichgueltigkeit. Politiker aller Parteien heben immer wieder hervor, dass wir ein starkes Volk sind und uns zu helfen wissen. Genau diese Worte benutzte zuletzt Ehud Olmert als er die von Hamas - Raketen unter Dauerbeschuss liegende Stadt Sderot besuchte.
Richtig, wir sind ein starkes Volk, doch mittlerweile immer nur dann, wenn es zum Notfall kommt. Dann halten wir ploetzlich alle zusammen, egal ob arm oder reich, religioes oder nicht und Ashkenazi oder Sepharadi. In Zeiten ohne lebensbedrohlichen Ernstfall lassen wir uns gegenseitig haengen und jeder kuemmert sich nur um seine eigene Welt. Grosse Demonstrationen kommen nur noch selten zusammen und jeder ist mit sich selbst beschaeftigt. Wir alle sind Konflikte so unbeschreiblich leid.
Jedes Jahr ziehen Tausende Israelis auf unbestimmte Zeit ins Ausland. Null Bock auf Bombenterror, Korruption, Arbeitslosigkeit, den ganzen gesellschaftlichen Zwang und die israelische Enge. Stattdessen geht es hinaus in die weite Welt, wo jeder meint, sein vollkommenes Glueck zu finden. Vor allem des Geldes wegen kehren Israelis ihrem Land den Ruecken. Besser bezahlte Jobs im Ausland ziehen sie magisch an.
Selbst mich haben schon viele Leute ueber Deutschland ausgefragt. Was man denn da verdiene und ob es viele Nazis gebe. Als beliebteste Ziele der Israelis gelten die USA, Kanada und London. Auch wenn man einfach nur weg will, auf Gleichgesinnte und seine Sprache will man nun doch nicht verzichten. Und in den USA etc. gibt es grosse israelische Gemeinden.
Die Kehrseite der Medaille ist, dass jedesmal unzaehlige Israelis enttaeuscht ins eigene Land zurueckkehren. Im Ausland sei alles noch viel schlimmer als bei uns. Und dann erst der Antisemitismus. Da lobe man sich doch lieber die heimischen Konflikte.
Womit wir wieder beim alten Thema waere. Keiner weiss so recht, was er will.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen