Mittwoch, 7. Juli 2010

"Writing Jerusalem" im Goethe Institut, Teil 3

B"H

Pizza gabs und Orangensaft, Cola und Wein dazu.
Am 5. Juli um 20.00 Uhr veranstaltete das Goethe Institut in Jerusalem zusammen mit dessen Volontärin Ann - Kathrin Seidel den "Writing Jerusalem" Dialog. Ann - Kathrin lud den Krimiautor Matt Rees (lebt in Jerusalem und sein Hauptprotagonist in den Büchern ist ein palästinensischer Detektiv), den Journalisten Gil Yaron (Nahostpolitik) sowie mich (Blogging über Judentum sowie ultra - orthodoxe Juden - Haredim) ein.

Zehn Jahre lang war ich nicht mehr im Jerusalemer Goethe Institut in der Sokolov Street (nehe Keren HaYesod) gewesen, denn das Internet verwischte den Gang zu einer deutschen Bücherei. Ich nahm eine Freundin mit zur Veranstaltung und die hatte auch gleich die Idee, mit ihrem kleinen Aufnahmegerät den gesamten Dialog aufzuzeichnen. "Man weiss ja nie, was sonst hinterher einer behauptet", so meine Freundin.

Gil Yaron hatte ich schon vor einem halben Jahr in Tel Aviv kennen gelernt und von Matt Rees hatte ich noch nie etwas gehört. Als wir vor den ca. 50 Leuten auf der Bühne vor dem Publikum platznahmen, vermied ich die Couch wegen meines orangen T - Shirts mit der Aufschrift "I used to be schizophrenic but we are okay now". Ich überliess sie Matt und der fühlte sich recht wohl.

Alles ging korrekt deutsch zu und wir begannen pünktlich. Die Leiterin des Institutes, Simone Lenz, hielt eine kurze Ansprache und dann begann Ann - Kathrin mit ihren Fragen. "Warum wir über Jerusalem schreiben ?"
Dabei machte sie den Fehler, die Redezeit von Beginn an zu begrenzen und Matt begann drauflos zureden.

Was beeindruckte war, dass Gil sowie Matt die arabische Sprache beherrschen und so viel bessere Einblicke in die palästinensische Szene erhalten. Matt hat aufgrund seiner Familiengeschichte einen Bezug zu Jerusalem und Gil ist in Israel geboren. Bei mir lag alles etwas anders, denn meine Schreiberei hat vorwiegend einen relig. Hintergrund. Den "Leben in Jerusalem" Blog schreibe ich, weil ich einiges an Politischem unterbringen will und nicht alles in die Religion quetsche. Außerdem versuche ich den Alltag in Israel darzustellen. Wie leben die Menschen in Jerusalem, denn keiner wird schon beim Israelbesuch auf dem Flughafen abgeknallt. Zum Beispiel leben in Jerusalem Palästinenser und Juden meist friedlich miteinander. Getrennt nach Stadtteilen, doch auf der Arbeit zusammen.

Seit vierzehn Jahren wohne ich in Israel, davon zehn Jahre als israel. Staatsbürger. Während dieser Zeit habe ich einiges gesehen und erlebt; viele Wandlungen durchlaufen, Stadtteile gewechselt und die Mentalität verändert sich ebenso mit der Zeit.

Wer über Jerusalem schreibt, der braucht eine Portion Leidenschaft. Ferner richtet der Leser danach, wer tatsächlich in der Stadt lebt oder wer nur als Tourist herumgurkt und meint, er habe etwas zu sagen. Jeder hat SEIN Jerusalem, wobei ich behaupte, der Jude hat es etwas mehr. Schauen wir nur auf die jetzigen Tage vor dem Tisha be'Av (am 12. Juli), dem Tag, an dem beide Tempel zerstört worden sind. Aber dazu mehr auf meinen relig. Blogs.

Was mich an der hergerichteten Bühne irritierte, war das schwarze Zuschauerloch, zu dem ich sprach. Das Licht war nur auf uns Redner gerichtet und die Zuhörer blieben im Verborgenen. Normalerweise stehe ich bei Vorträgen in relig. Kursen zum Thema "Chassidismus". Sitzen und reden läuft bei mir weniger und so stotterte ich mehr als die erprobten männlichen Redner.

Ann - Kathrin fragte mich, ob meine politische Perspektive auf Leben in Jerusalem nicht für manche ziemlich radikal klingen muss oder ob da auch ein wenig Provokation dahinterstecke.

Provokation = Ja; ab und zu. Überwiegend jedoch schreibe ich gerade auf diesem Blog emotional. Mit Jerusalemer Seele und ein wenig Tel Aviv - Gemisch. Im deutschsprachigen Raum sei man durch die Presse mehr das Uri Avinery, Schimon Peres oder Amoz Oz Friedensgeschnulze gewöhnt, doch ich stimme mit der Ideologie des Knessetabgeordneten Aryeh Eldad (Ichud HaLeumi) überein und für so manchen auswärtigen Peresfan klingt meine Meinung nach radikalem fundamentalistisch - religiösem Siedlergedröhne. Da sei ich sicher eine fanatische Ausnahme und die Mehrheit der Israelis sei ja liberal und so.
Pech gehabt, denn gerade in Jerusalem gibt es kaum Flaggen mit Friedenstauben, sondern es geht zur Sache. Und wir sind absolut keine Minderheit.

Mein Vorteil besteht darin, dass ich keinen Editor habe oder mich, ich nenne es einmal "verprostituieren", muss. Was ich damit sagen will: Als Blogger geniesse ich meine Freiheit zu sagen, was mir beliebt und mir schreibt keine Zeitung vor, wie ich einen Artikel zu verfassen habe. Ich nehme an, dass Matt dies mit seinen Büchern genauso hält, aber bei Gil und Ann - Kathrin stelle ich mir vor, dass eine gewisse Bindung an den Arbeitgeber "Medienbranche" besteht.

Ich kann tun und lassen, was ich will und ich beabsichtige nicht, das zu ändern. Im Gegenteil, denn ich lehnte das Schreiben für andere deutsche Online Sites grundsätzlich ab. Nach einer Erfahrung habe ich die Schnauze mehr als voll. Wenn ein Leser meinen Namen sieht, erwartet er eine gewisse Darstellung und keinen Editor, der meine Meinung so umdreht, dass sie
a) ins Ideologiegetriebe passt 
und
b) weniger furchtbar klingt.

Angepasstheit ist nicht meine Stärke und wem das nicht passt, der mache mir keine Angebote !

Warum ich meine Blogs begann ?
Weil ich vorher nie das fand, was ich lesen wollte. Entweder war alles Einheitskauderwelsch oder Touristengelaber. Das erinnert mich an eine Begebenheit in Deutschland, wo mir einmal eine Gruppenreise nach Israel vorgeschlagen wurde. Ein Deutscher lese sich gerade ein und führe uns dann herum. "Wohin er uns denn führe ?" fragte ich nach mehr als zwei Jahren Ansässigkeit in Jerusalem. Ein Tourist, zum ersten Mal in der Stadt, solle mein Reiseleiter sein ? Und noch dazu ein Nichtjude ? Naja, meine Gegenseite war beleidigt und fragte mich, G - tt sei Dank, nie wieder etwas.

Wenn ich etwas lese, dann sind es englische Blogs aus Israel oder der Anglowelt. Deutschsprachiges gibt nicht viel her und ich verschwende meine Zeit. Deswegen begann ich mein eigenes Ding und derbe Kommentare sind mir egal. Jeder hat seine Meinung und das ist die meine.

"Political Correctness ?"
Der Tod eines Artikels, so Matt Rees. Insgesamt jedoch waren Gil und Matt vielleicht doch "correct", denn sie wollten ihre Bücher verkaufen. Man achtet in dem Moment schon auf Sprache, PR und Benehmen. Bei mir war das egal und ich genoss die Situation. Ich brauchte nicht gefallen und trank hinterher Rotwein. Die Trunkenheit stellte sich erst später ein.

Das Publikum war zu ruhig und wenn ich sprach, hatte ich das Gefühl, nicht alle begreifen, was ich sage. Ann - Kathrin machte alles in allem einen guten Job, Matt war für einen Briten zu wenig witzig und Gil fast zu deutsch. Ich hingegen leide bis heute am Trauma des schwarzen Loches, in das ich sprach. Das Zimmerlicht hätte anbleiben müssen.

An denjenigen Zuhörer, der mich hinterher nach der Neturei Karta fragte:

Es gibt mehrere Neturei Karta Gruppierungen und ein Tipp wäre, bei der englischen Site der NK vorbeizuschauen und denen eine Mail zu senden. Wirst halt abwarten müssen, ob Du eine Antwort bekommst. Die Jerusalemer Gruppe unter Yoelish Kroisz empfehle ich weniger, denn Kroisz erzählt Dir jeden Müll, nur um sich selbst ins Gerede zu bringen. Da bist Du nur Mittel zum Zweck.

Dank an alle Zuhörer ! Egal, ob sie sich wachhielten oder einschliefen. Und bei Fredy muss ich mich entschuldigen, denn als er mit mir redete, schlief ich selber schon fast ein oder war zumindest an der Schwelle der Rotweintrunkenheit.

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