Jerusalem - Innenstadt - Zion Square von allen Seiten
Photos: Miriam Woelke
B"H
Alles in Jerusalem ist so toll und wenn ich als Tourist durch die Innenstadt schlendere, ist mein Leben fast perfekt.
Diese Aussage muss von einem Touristen stammen, denn die Jerusalemer betrachten ihre Stadt als alles andere als perfekt. Arbeitslosigkeit, steigende Mieten und Lebenshaltungskosten, Verkehrschaos aufgrund des Straßenbahnbaus, hoffnungslose Rathausbürokratie sowie eine ansteigende Kriminalitätsrate. So schlägt sich jede israelische Stadt mit ihren Lokalproblemchen herum.
Besonders die Jugendkriminalität nimmt, wie schon vor einigen Monaten berichtet, immer mehr zu. Drogen, Suff, Gewalt gegen andere und und und. Die Liste ist lang und macht auch vor der Heiligen Stadt nicht halt. Auch nicht, dass minderjährige Teens von daheim abhauen oder gleich ganz von den Eltern rausgeschmissen werden, die mit der Erziehung nicht mehr fertig werden. Das Jugendamt reagiert nicht immer schnell und ehe man sich versieht, stehen die Kids auf der Straße.
Der Zionsplatz (Kikar Zion) inmitten der Jaffa Road ist bekannt für seine Tag - und - Nacht - Transformationen. Kikar Zion, die nähere Umgebung wie Yoel Solomon Street oder der Unabhängigkeitspark weiter unten, sist das Territorium der "Kikaristen" (benannt nach dem Kikar Zion). Hier treffen sich abgefackelte Homeless Teenager und ziehen sich entweder Drogen oder Alk rein. Jeder einzelne von ihnen mit seiner eigenen Geschichte. No Future, von daheim rausgeworfen, bei Freunden oder im Park pennen … Tagsüber sieht man sie seltener, doch gegen abend beginnen sie ihre Session auf den Stufen zur Bank Hapoalim am Zion Square.
"Hey, haste mal ne Zigarette oder n'paar Schekel ?"
Die Kikaristen haben ihre eigene Gemeinde, ihre eigenen Foren, Blogs und ihre eigene Facebook Group. Ausgemachter Feind ist die Polizei und das gerade zu dieser Zeit, denn vor erst vor wenigen Wochen starben zwei Kikaristen (das Mädchen Lee Vatkin aus super guten Wohlstandselternhaus) an vermurksten Drogen. Einsam lagen ihre Leichen in der Jerusalemer Ussischkin Street und der Vater von Lee alarmierte die Polizei. Zwei tote Drogenkikaristen. Die Eltern von Lee fragen sich, was sie falsch gemacht haben bei der Erziehung ihrer Tochter und die Kikaristen - Community ist geschockt. Ein dritter Kikarist starb ebenfalls, doch die Gemeinde lebt weiter.
Jugendamt, Sozialarbeiter, Lokalpresse … alles versucht die Kikaristen zu analysieren und in Schubladen zu packen. Drugies, eh nix zu machen. Die wollen sich ja nicht helfen lassen.
Bei vielen Kikaristen mag das der Fall sein. Eine Patentrezept gibt es nicht und so mancher Jugendlicher (wie Lee Vatkin) fühlt sich von der Community wahnsinnig angezogen. Schmeisst die Schule, haut von daheim ab und verbringt die Nächte am Kikar oder im nahegelegenen Park. Eltern suchen dort des nachts nach ihren Kindern und die Sozialarbeiter nach einer Lösung. Eine extra Anlaufstelle wurde von der Stadtverwaltung eingerichtet (in der Jaffa Road).
Wer des nachts die Jerusalemer Innenstadt durchschreitet, den erwartet ein weniger romantisches Bild, sondern die Realität waltet bis ca. 5.30 Uhr morgens. Sobald es hell wird, wandelt sich das Bild und der Alltag zieht auf. Mit ihm verschwinden die Kikaristen bis zum Sonnenuntergang des neuen Tages.
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