Montag, 6. Oktober 2008

Sonderzulagen



B"H

Zu meiner Zeit in Deutschland, und zugegeben, das ist schon etwas mehr als acht Jahre her, gab es Urlaubs - oder Weihnachtsgeld. Erschwerniszulagen und überhaupt war alles betrieblich oder gesetzlich geregelt. Man brauchte sich um nichts zu kümmern, denn irgendwie war alles immer auf dem Konto. Jedenfalls dann, wenn man nicht gerade für eine Zeitarbeitsfirma beschäftigt war.

In Israel alles anders, obwohl es seit fast einem Jahr auch gewisse neue gesetzliche Regelungen gibt. Insbesondere das Recht auf Rentenversicherungen. Richtige Sonderzulagen und die besten Jobbedingungen geniessen jedoch bis heute nur diejenigen, die entweder staatlich fest oder sonst bei einem großen rennomierten Unternehmen in einer festen Position angestellt sind. Verkäufer, kleine Angestellte, viele Arbeiter, Friseure, Kellner, Zeitarbeiter oder Sicherheitskräfte haben oft das Nachsehen. Besonders dann, wenn man einen Stundenlohn und kein Angestelltengehalt bezieht.
Das israelische Berufsleben kann ein pures Auf und Ab sein. Mal die Schnauze voll und man kündigt, nur um dann wieder zurückzukehren. Das gehört zur Berufsnormalität und wenn ich nebenbei in der Bäckerei arbeite, geht es mir genauso. Eigentlich habe ich dazu keine Zeit mehr und gab zweimal auf. Und zweimal kehrte ich zurück.

Unsere Bäckerei ist ein Mittelstandsunternehmen mit 25 - 30 Angestellten. Die Lage am Machane Yehudah Markt ist perfekt und über fehlenden Umsatz kann sich unser Boss nicht beschweren. Der Laden läuft und der Rubel rollt.

Als ich das letzte Mal vor zwei Monaten ging, fand man sogar eine Nachfolgerin. Doch die entpuppte sich schnell als Fehlgriff und man rief mich zurück. Begründung: Die Tussi sei geflüchtet.
Doch dann kam sie zurück und ich war heilfroh. Vor Rosh HaShana bekam ich erneut eine e - mail. Ob ich nicht wieder mindestens zweimal pro Woche arbeiten könne, denn die Tussi sei nun völlig entschwunden und man finde niemanden. Alle hauen immer gleich nach ein paar Tagen ab und arbeiten will eh keiner. Es ist schwer auf dem israelischen Arbeitsmarkt jemanden zu finden, der nicht andauern jammert "Ejn Li Koach - Ich habe keine Kraft oder Lust". "Dies ist mir zu schwer oder das, und wann machen wir denn endlich Pause ?"

Also ging ich wieder zurück; allerdings mit der Auflage von flexiblen Arbeitszeiten. Dann kam gleich Rosh HaShana und zu dem Feiertag bekommt die Mehrheit des israelischen Proletariats Geschenkgutscheine (Tluschim) zum Fest. Mal mehr und mal weniger, und sogar unser sonst so knauseriger Boss läßt ein paar Schekel springen. Jahrelang schon gibt es Krach darum, denn einige Teile der Belegschaft fühlt sich öfters hintergangen. Zum Beispiel gab es vor zwei Jahren keinen Gutschein im Wert von einigen Hundert Schekeln, sondern eine Box mit einer Weinflasche, einer CD mit Blabla - Musik, ein Honigfäßchen und noch irgendwelchen Kitsch. Gewisse Teile der Fabrikbelegschaft im ersten Stock rasteten aus und machten auf Protest. Entweder gebe es einen Gutschein oder sie schmeissen die Box aus dem Fenster. Am Ende nahmen alle die Kitschbox, weil es sonst gar nichts gegeben hätte. Unser Boss jedoch lernte aus dem Vorfall und beim nächsten Mal an Pessach gab es wieder Gutscheine.

Gutscheine gibt es immer noch, aber bei vielen je nach Leistung. 300 Schekel (ca. 60 Euro) Maximum und das immer nur für den Alki - Laden gegenüber. Wer braucht schon für 300 Schekel Weine oder anderweitigen Suff ? Alle würden einen Supermarktgutschein bevorzugen, doch unser Boss scheint ein Abkommen mit dem Alki - Laden zu haben.

Da ich erst wenige Tage vor Rosh HaShana zurückkehrte, rechnete ich mir keine großen Chancen auf einen Gutschein aus. Andere hingegen prahlten schon mit ihren 300 Schekeln und fragten, ob ich denn auch schon im Alki - Laden gewesen sei. Das geschah nur um herauszufinden, ob und wieviel ich bekommen habe.

Nichts geschah und ich fand mich damit ab, ohne sauer zu sein.

Gestern früh kam wieder die übliche Nachfrage, was ich denn gekauft hätte. Wenn bloß nicht immer dieser furchtbare Proletarierneid auftauchen würde. Was aber sollte ich groß berichten, denn ich hatte ja nichts bekommen ?

Als ich gehen wollte, kam der Ausruf via Intercom. Oben in der Fabrik wartete ein Briefumschlag auf mich, der da anscheinend schon eine ganze Weile herumstand. Ein 200 - Schekel - Gutschein für den Alki - Laden war drin und die Belegschaft schnüffelte gleich, wieviel ich denn bekam. "Naja, 200 wär jetzt aber nicht viel und ich soll mich da mal bloß beschweren gehen". Ich hingegen freute mich, überhaupt soviel zu bekommen, da ich ja eine ganze Zeit gar nicht dort war.

Ich ging zum Manager ins Büro, wo ich eh hin wollte und bedankte mich nebenbei für den Gutschein. "Pscht, meinte der, das sollen doch die anderen gar nicht wissen". "Zu spät, gab ich zurück, wenn Du soetwas in die Fabrik aufs Regal stellst, brauchst Du Dich nicht wundern, wenn jeder drumherum schnüffelt".

Und einen Streikfall gab es dann doch wieder. Eine Bäckerin, die angeblich immer zuviel Ausschuß produziert, wurde die Gutscheinsumme gekürzt und sie weigert sich, den Umschlag anzunehmen. Der klebt nun mitten an der Bürotür und der Manager lästerte, dass der Umschlag da bis in alle Ewigkeiten hänge, wenn B. ihn nicht annehme.

Und genau aus dem Grund hat unser Boss soviel Erfolg, denn jeder ist neidisch auf den anderen und anstatt zusammenzuhalten, kloppt sich die Belegschaft lieber untereinander.

4 Kommentare:

  1. B"H

    Danke fuer Dein Kompliment.

    Die Baeckerei wuerde sich allerdings eher fuer eine Soap eignen.:-)

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  2. Hehe erinnert mich entfernt an die alte Fernsehserie "Büro Büro" (1981) mit dem Chef aller Chefs - Dr. Herbert Brockstedt.
    LG
    Perry

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  3. B"H

    Oh, je, die Serie kenne ich gar nicht.

    Aber "Gute Zeiten, schlechte Zeiten" waere auch nicht schlecht.
    Wobei es nur eine platonische, aber voellige Psychoaffaere gibt, und weniger gute Zeiten, da des Oefteren die Kollegen unter sich nicht miteinander reden.:-)))

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