Montag, 9. Juli 2012

Banken, Mieten, Obdachlosigkeit

B"H

Es hat nichts mit den immer wiederkehrenden Demos der extremen Linken zu tun: Obdachlosigkeit war und ist in Israel ein nicht zu übersehendes soziales Problem. Viele Menschen bleiben in der Gesellschaft ganz einfach auf der Strecke und das aus vielerlei Gründen. Zum einen ist der Anteil der Neueinwanderer unter den Obdachlosen extrem hoch. Hierbei insbesondere russische Alkoholiker und Junkies jeden Alters und Geschlechts. Hinzu kommen geborene Israelis, die aufgrund von Arbeitslosigkeit und / oder Scheidung ganz unten landeten. All die sozialen Probleme sind nicht viel anders als in Europa oder überall auf der Welt.

Jobs, von deren Gehalt man nicht leben kann. Zeitarbeitsfirmen, welche die Arbeiter ausnutzen. Kredithaie, Wohnungsnot und und und. In Israel ist all das massenhaft zu finden und man braucht sich nicht lange umzuschauen. Ich kenne viele Leute aus allen möglichen Schichten und ignoriere deswegen das soziale Problem nicht weg. Meine Zeit in Tel Aviv hat mit dazu beigetragen, dass ich die israelische Gesellschaft von oben bis unten kennen gelernt habe und die meisten Leute bereits von Weitem identifizieren kann. Das gehörte in Tel Aviv zum Job, denn in unserem "Etablissement" konnten wir nicht jeden hineinlassen. Junkies, Koksis und Krawallmacher, die auf den ersten Blick furchtbar freundlich wirken, blieben grundsätzlich draußen. Was am allerschlimmsten ist, sind Leute, die sich arrogant geben und einen in Endlosdiskussionen verwickeln wollen. Auch das habe ich gelernt, sofort zu unterbinden und das setzt sich bis hier im Blog fort.

Trotzdem gibt es viele arme Schweine, die ganz unten ankamen, aber aufgrund des sozialen Systems gar keine Chance mehr auf eine Verbesserung ihrer Lage haben. Eine feste Bleibe – das zumindest sollte das Recht eines jeden Menschen sein, doch mittlerweile ist es unbeschreiblich schwer geworden, eine Wohnung zu finden. Selbst WG – Plätze sind nicht einfach mal so zu ergattern, wie ich aus eigener Vergangenheit weiss.

Nicht nur, dass sich die Wohnungssuche als schwierig erweist, nein, die Vermieter wollen heutzutage Sicherheiten. In Tel Aviv ist eine Kaution von 5000 Schekel (1000 Euro) nur allzu normal. In Jerusalem dagegen wollen die Vermieter zwölf vordatierte Schecks für die monatliche Miete. Neben den Kreditkarten gehören Schecks in Israel zum Alltag und die Mieten werden zumeist per Bankscheck gezahlt. Bedeutet, man übergibt dem Vermieter die Mietschecks für ein Jahr im voraus, denn normalerweise laufen hierzulande die Mietverträge auf ein Jahr. Danach wird entweder verlängert oder ausgezogen. 

An jedem ersten des Monats geht der Vermieter mit dem Scheck zur Bank und löst ihn ein. Ferner verlangen heute viele Vermieter einen sogenannten "Sicherheitsscheck" von mehreren 1000en von Schekeln. Nicht, um ihn einzulösen, sondern zur Sicherheit, falls nach dem Auszug Schäden entdeckt werden. Darüber hinaus muss man ein oder zwei Zeugen (israelische Staatsbürger) zur Unterschrift des Mietvertrages dabeihaben. Die Zeugen unterschreiben auch und verpflichten sich damit, ggf. ausstehende Mieten zu tragen. Ich miete derzeit eine 2 – Zimmer – Wohnung mit Balkon und meine Vermieterin hätte niemals akzeptiert, Schecks anderer Leute, sprich der Zeugen, anzunehmen. Das macht keinen guten Eindruck und ein Mieter sollte schon seine eigenen Schecks vorweisen. Aber dazu muss die Bank mitspielen und wer nicht liquide ist, dem werden auch keine Schecks ausgestellt.

Und damit sind wir wieder beim Thema: Wie will jemand unter diesen Bedingungen eine Bleibe finden, wenn er eigentlich kaum Geld hat ? Ich kenne in Tel Aviv viele Leute, die ihr Gehalt vom Arbeitgeber Cash ausgezahlt kriegen. Der Boss weigert sich, das Gehalt auf ein Konto zu überweisen, denn das kostet ihn extra Gebühren. Deswegen wird in Cash oder per Verrechnungsscheck gezahlt, was sich negativ für den Arbeitnehmer auswirkt. Besitzt er ein Bankkonto, so wird er dort so behandelt als habe er keine festen Einkünfte; sprich, er besitzt kein Anrecht auf eine Kreditkarte. Und das in einem Land, wo viele Rechnungen per Kreditkarte gezahlt werden. Erhält der Arbeitgeber seinen Lohn per Verrechnungsscheck, kann er bei seiner Bank beantragen, diese monatlichen Buchungen als Gehaltsscheck anzuerkennen. 

Kurz zur gesetzlichen Lage: Ein israelischer Arbeitgeber ist verpflichtet, seinen Angestellten bis spätestens zum 10. des Monats zu bezahlen. Wer allerdings erst sein Geld tatsächlich am 10. erhält, kann den Charakter seines Arbeitgebers erkennen, denn Letzterer nutzt ihn aus und kassiert dafür saftig noch Zinsen. 

Kurz gesagt, die finanziellen Lagen einzelner Israelis sind alles andere als leicht und wer Aliyah macht, der muss das gesamte System in sekundenschnelle erlernen. 







Obdachlosenbetten im Freien

Gesehen im Jerusalemer Stadtteil Kiryat Moshe

Photo: Miriam Woelke

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