Sonntag, 14. Januar 2007

Der Messias isst Tomaten

B"H

Ich habe nie mitgezaehlt wieviele Messiasse mir im laufe meiner Zeit in Jerusalem schon begegnet sind. Mindestens ein Dutzend. Jerusalem ist die Stadt der Koenige aus der Dynastie Davids, die Stadt des Messias und der Propheten. Zur Zeit des 1. Tempels gab es sogar Prophetenschulen und bis zu 400 Propheten. Laut Geschichtsbuecher.

Auch heute werden wir mit all jenen Leuten ueberflutet. Sie kommen aus allen Teilen der Welt und prophezeihen, kroenen sich selbst zum neuen Koenig Israels oder sind lieber gleich der Messias.

Eine Frau Messias ist besonders hartnaeckig und seit Monaten laeuft sie durch unsere Stadt. Vor ein paar Wochen sah ich sie inkognito beim Tomatenkauf auf dem Mahane Yehuda Markt. Auch ein Messias schneidet sich schon einmal einen Tomatensalat.

Normalerweise ist sie aber allen in ihrem weissen Messias - Gewand bekannt. Auf dem vorderen Teil des Gewandes steht in goldenen Buchstaben KADOSH (heilig) und auf dem Rueckenteil steht Redeemer (Erloeser).
Frau Messias ist Amerikanerin, Anfang 50 und zugleich auch Koenigin von Israel. Sie lebt in einem arab. Hostel irgendwo in der arabischen Altstadt.

Ich sehe sie meistens nur in der Neustadt. Mit Zepter in der Hand und laechelndem Gesicht. Ab und zu kommt sie aber schon richtig in Fahrt und schreit an belebten Strassenkreuzungen: I am the Messiah, I am your new king.

Als ich sie das erste Mal so erlebte, es war waehrend einer Arbeitspause an der Kreuzung King George / Yaffo, dachte ich zuerst, es wuerde jemand um Hilfe schreien. Ich drehte mich schnell um und da stand sie. Arme samt Zepter nach oben gerichtet und alle segnend. So sah es jedenfalls aus.

Ein paar Tage spaeter beglueckte sie uns alle mit einem Esel in der Ben Yehuda - Fussgaengerzone. Der Esel war offensichtlich fuer einen Tag aus dem arab. Viertel ausgeliehen. Danach sah ich sie nie wieder mit Esel, sondern auf einer Buehne. Keine richtige Buehne, eher ein Mauervorsprung, aber immerhin.

Sie stand an einem Freitag nachmittag im Yaffa - Tor und schrie wieder einmal. Sie sei der Messias und wer nicht an sie glaube, muesse sterben. Eine polnische Touristentruppe war begeistert und fast alle zogen sofort ihre Kameras heraus. Sie dachten naemlich, dass dies eine Freilichtbuehne der Stadt Jerusalem sei. Mit Theaterspielen incl. Messias. Die Polen klatschten auch noch Beifall und Frau Messias war verwirrt. Sie verstand kein polnisch und die Polen kein englisch.

In letzter Zeit sehe ich den Messias seltener, was vielleicht am kalten Wetter liegt. Wer laeuft schon gerne in dem duennen Gewand bei niedrigen Temperaturen herum ? Bestimmt kehrt Frau Messias im Fruehjahr wieder zur Hochform zurueck.

Die Jerusalemer reagieren gelassen. Alles schaut und denkt sich sein Teil.
Es ist sehr traurig fuer diese Frau, denn eigentlich scheint sie normal zu sein. Bis auf ihr kleines Problem natuerlich.

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